Seelenruhig ließ Aura den Blick ihrer blutroten Augen durch die Taverne streifen und beobachtete die interessanten Wesen, die dort ihrem Tagewerk nachgingen – oder sich gegebenfalls auch davon ablenken ließen – und war sehr froh, dass ihre Herrin Aileen sie auf dem Weg aufgelesen und mit in die Taverne genommen hatte.
Noch immer konnte sie sich nicht daran erinnern, woher sie kam, oder was sie eigentlich genau war, doch dass sie keine normale Katze war, da war sie sich wirklich sicher. Allein schon die Tatsache, dass sie sprechen, konnte wie diese anderen Wesen auch, untermauerte diese Tatsache.
Sie blickte sich weiter um. Dabei dachte sie darüber nach, wie überrascht sie war, dass sie so gut aufgenommen wurde, und dass niemand vor ihr weggelaufen war, wie es sonst der Fall war. Wohin sie auch kam, die Wesen schreckten vor ihr zurück, sagten, sie hätte eine schwarze „Aura“, würde gefährlich wirken. Das verstand sie aber nicht. Sie wollte niemandem etwas zuleide tun. Aus Sorge, dass das wieder passieren könnte, hatte sie sich eine ganze Zeit im Schatten der Taverne versteckt, abgeschieden vom Treiben der Wesen dort im Raum, und hatte beobachtet. Sie wollte lernen, wie die anderen Wesen sich verhielten, denn diese liefen nicht voreinander weg, obwohl sie so unterschiedlich waren. Es gab andere Katzen, Wölfe, sogar einen Vampir mit einer merkwürdigen Abhängigkeit zu Keksen. Obwohl, nein, sie konnte das schon irgendwie verstehen, hatte sie durch diesen Vampir doch erst diese „Kekse“ kennen und auch ein Stück weit lieben gelernt. Und all diese Wesen waren hier zusammen, sogar mit Menschen, vielen Menschen. Auch ihre Herrin hielt sich unter ihnen auf. Also musste es doch für Aura möglich sein, weiter den Anschluss zu finden.
Waren es vielleicht ihre spitzen Fangzähne, die die Wesen immer verschreckten? Oder doch ihre blutroten Augen mit dem durchdringenden Blick?
Als es später am Abend ruhiger wurde, und nur noch vereinzelt ein paar dieser interessanten Wesen durch die Taverne huschten, wagte sie sich aus dem Schatten. Obwohl sie den ersten Kontakt gut überstanden und auch Spaß empfunden hatte – ein Gefühl, welches sie schon lange nicht mehr verspürt hatte – blieb sie vorsichtig.
Sie tapste durch den Schatten und blieb vor einem kleinen Mauseloch in der Wand sitzen. Ihre Augen richteten sich auf das Loch und flackerten ein wenig auf. Dort wuselten die Mäuse und warten nur so darauf, von ihr gefangen zu werden.
Sie konnte nicht die Mäuse direkt sehen, aber ihre Lebenslinien, so nannte sie die Stellen, in die sie ihre Fangzähne graben musste, um an das Blut zu kommen, welches sie zum überleben brauchte. Ein wenig ekelte es sie selbst, aber sie hatte keine andere Wahl.
Beinahe wäre ihr die Maus entgangen, die zwischen ihren Pfoten hindurch aus dem Loch in die Taverne huschte. Sie machte einen Satz hinter der Maus her und streckte ihre unter dem Fell versteckten schwarzen Flügel aus, um ihre Reichweite etwas zu erhöhen. So landete sie perfekt mit den Pfoten auf der Maus und drückte sie zu Boden. Gefährlich leuchtend blickten ihre Augen auf die wehrlose Kreatur unter ihr hinab, welche leise quiekte und zu zappeln versuchte.
Nein, das war sicher kein Wesen, welches hier in die Taverne gehörte. Aber es würde ihr einen weiteren Tag ohne diesen brennenden Durst verschaffen. Denn niemals würde sie den interessanten Wesen aus der Taverne etwas antun wollten. Und so versenkte sie ihre Fangzähne in den Lebenslinien der Maus und begann zu trinken.