CN: Androhung von Gewalt, Folter
„Was ein beschissenes Wetter“, fluchte Carlo, als er bis auf die Knochen durchnässt das Lager betrat.
„Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen, was?“, grüßte Jack ihn mit einem fiesen Grinsen. „Hatte schon befürchtet, der Sturm draußen würde dich in einen Fisch verwandeln.“
„Ich freu mich auch, dich zu sehen“, antwortete Carlo grummelig und hängte seinen Mantel zum Trocknen an den Haken. Dann schnappte er sich seine Werkzeugtasche und legte sie auf den Tisch, am dem Jack gerade stand. „Also, was hat der Boss heute für uns?“
„Etwas ganz Feines. Dort drin“, er deutete mit seinem Zeigefinger auf eine verschlossene Metalltür, „wartet eine Frau darauf, dass wir ihr ein Geständnis entlocken. Mit allen Mitteln, wie der Boss betont hat.“
„Und was soll sie verbrochen haben?“
„Verrat, wie ich es verstanden habe. Sie stand dem Boss wohl nahe und hat ihn schließlich an die Bullen verpfiffen.“ Jack zuckte mit den Schultern. „Das Übliche eben. Hier steht alles drauf, was wir über sie wissen.“ Er reichte Carlo einen kleinen Umschlag.
„Hm.“ Carlo nickte. „Dann lass uns das schnell hinter uns bringen. Ich hab heute Abend noch eine Verabredung und will im Lokal sein, bevor der Sturm noch schlimmer wird und mir wirklich die Fische auf der Straße entgegen geschwommen kommen.“
„Hast wieder eine aufgerissen, du alter Haudegen?“
„Ach halt die Klappe“, maulte Carlo.
Jack quittierte die Antwort mit einem gehässigen Lachen und griff dann nach seiner Tasche. „Also gut, bereit, die Magie wirken zu lassen?“
„Bereiter geht es gar nicht. Nach dir.“
Das ließ Jack sich nicht zwei Mal sagen, schnappte sich seine Tasche und schloss dann mit einem rostig aussehenden Schlüssel die Metalltür auf.
Als Carlo nach Jack den Raum betrat, zeigte sich ihm ein Bild, welches er durch die Jahre seiner Arbeit als eine Art moderner Foltermeister gewohnt war. Jedem Neuling wäre hier wohl das Herz kurz stehen geblieben. Aber Carlo hatte keines. Zumindest nicht in seinen Gedanken.
Mitleidslos sah er die angekettete junge Frau an, deren lange, blonde Haare ihr wild über das Gesicht hingen. Die blauen Flecke, die ihre nackten Arme und Beine aufwiesen, zeugten davon, dass die Schläger, die sie hierher gebracht hatten, nicht zimperlich mit ihr umgegangen waren. Rotz lief aus ihrer Nase, den die junge Frau immer wieder hochzuziehen versuchte, während ihr Kopf bei jedem Geräusch zuckte. Eine Augenbinde verhinderte, dass sie etwas sehen konnte, ein Knebel, dass sie um Hilfe rufen konnte. Das hätte ihr jedoch eh nichts gebracht. Das Lager stand weit abseits der nächsten Stadt in einem Wald. Niemand verirrte sich durch Zufall hier her.
Während Carlo ihren Auftrag noch musterte, inspizierte Jack die Schränke mit den Werkzeugen, die die beiden Folterer für ihre Arbeit brauchten.
„Na dann wollen wir mal“, sagte Carlo im neutralen Ton und zog der Frau die Augenbinde und den Knebel ab.
„Ich habe nichts getan!“, jammerte die Frau sofort los, während ihre vor Angst geweiteten, eisblauen Augen sich auf Carlo fixierten.
„Wir oft ich das schon gehört habe“, seufzte Carlo und zog einen kleinen Schemel zu sich. Er setzte sich und war mit der Frau, die auf den Knien vor ihm hockte, auf Augenhöhe. Dann zog er den kleinen Umschlag aus seiner Tasche, den er vorher von Jack erhalten hatte, und öffnete ihn. „Also mal sehen. Du bist Anya Rafalta, fünfundzwanzig Jahre alt, unverheiratet und wohnst in der Kleinstadt Harpers Ferry?“
„Ja! Ja, die bin ich, aber ich habe nichts getan! Jemand will mir das unterschieben!“
„Hier steht, dass du des Verrates bezichtigt wirst. Außerdem sollst du Lieferungen für eine andere Gang abgezweigt und unsere Leute in Hinterhalte geführt haben“, fuhr Carlo kalt mit der Liste in seiner Hand fort. „Und zum Schluss hast du unseren Boss dann auch noch an die Polizei verraten.“
„Nein“, fauchte Anya wild. „Ich war das nicht! Man will mir das unterschieben! Das war diese Hannah! Ich schwöre es!“
„Darüber haben wir nicht zu urteilen“, unterbrach Jack die Gefangene, während er seine Tasche auf dem Holztisch ausbreitete, der mittig in der Kammer stand. „Wir sind hier, um dein Geständnis aufzuzeichnen.“
„Und du wirst gestehen“, fuhr Carlo mit scharfem Ton fort, erhob sich und legte den Brief mit der Auflistung der Verbrechen neben Jacks Tasche auf den Tisch.
„Nein“, antwortete die Frau trotzig. „Sicher nicht! Ich habe nichts zu gestehen!“ Der Trotz funkelte in ihren Augen.
„Hast du das gehört, Jack?“, fragte Carlo seinen Partner. „Diese Entschlossenheit in ihrer Stimme. Unglaublich.“
„Ja, habe ich.“
„Vielleicht sollten wir ihr erklären, in welcher Lage sie sich befindet? Sie scheint es noch nicht ganz verstanden zu haben.“
„Soll ich das übernehmen?“
Carlo nickte und trat beiseite, um seinem Partner Platz zu machen.
Jack kniete sich vor die Gefangene und strich sich seine dunklen Haare aus dem Gesicht. „Also gut, Mädchen, jetzt hör mir mal genau zu. Dein Stolz und jegliche Art Leugnen werden dir hier nichts nutzen.“ Er fasste sie hart am Kinn und fixierte ihren Blick, als sie den Kopf wegdrehen wollten. Dabei kam er ihrem Gesicht ganz nahe, seine Stimme war beinahe ein Flüstern. „Jedes ‚Nein‘ und jedes ‚Ich war es aber nicht‘ aus deinem Mund wird dein Leiden nur unnötig in die Länge ziehen. Und ich verspreche dir, du wirst leiden, bis wir das Geständnis endlich von dir haben. Also überlege es dir gut, denn du hast selbst in der Hand, wie viel Schmerz wir dir zufügen müssen.“
Anyas Körper zitterte, ihre Augen versuchten dem harten Blick des Folterers auszuweichen.
„Ob du das verstanden hast?!“, schrie Jack ihr ins Gesicht.“
„Ja! Ja, ich habe es verstanden!“, weinte Anya.
Zufrieden ließ Jack ihr Kinn los und erhob sich. „Später sollst du dein Geständnis ohne Folter wiederholen, doch zuerst brauchen wir eines. Du hast die Wahl, wie wir daran kommen.“
„Was seid ihr nur für grausame Menschen“, wimmerte Anya, während die Tränen über ihre Wangen liefen. „Wie könnt ihr nur solche Dinge tun?“
„Das ist ein Handwerk“, antwortete Carlo leichthin, während er die Salben und medizinischen Utensilien bereitlegte, mit denen sie später die Verletzungen der Gefangenen versorgen würden. „Wie das eines Tischlers oder eines Heizungsmonteurs.“
„Das ist Folter!“, spie die junge Frau.
„Eher juristische Nachhilfe“, sagte Jack und schüttete etwas Reisig in eine kleine Esse, die in einer Ecke des Raumes stand. Knisternd prasselte das kleine Feuer, während der Foltermeister ein paar Scheite nachlegte. „Ein Beruf wie jeder andere auch. Auch, wenn wir heute nicht mehr so viel gefragt sind wie früher.“
„Wenn es dir schwerfällt, uns das zu glauben, sieh uns doch als eine Art Magier.“ Carlo zuckte mit den Schultern und schaute Anya von oben herab an. „Wir nutzen unsere ganz eigene Magie, um das zu bekommen, was wir wollen.“
„Verbrecher“, zischte Anya bloß.
„Du warst mit einem zusammen, also sollte dich das nicht mehr stören“, seufzte Jack und erhitzte eine kleine Zange in den Flammen der Esse. „Das hier ist im Übrigen eine Zwickzange. Sie verursacht Quetschungen am ganzen Leib“, fuhr er ungerührt fort. „Ich erhitze sie, falls du das Verhör unnötig in die Länge ziehen solltest. Die glühenden Spitzen verursachen dir noch mehr Pein.“
„Aber das war noch nicht alles“, setzte Carlo die Aufzählung fort und deutete auf die Schränke. „Zangen mit spitzen und flachen Enden. Daumenschrauben. Zangen, um deine Nägel zu ziehen. Verschiedene Hämmer, um deine Finger Glied für Glied zu zertrümmern.“ Zufrieden sah er, wie die junge Frau während der Auflistung blasser und blasser wurde. „Willst du weitermachen, Jack?“
„Aber sehr gerne.“ Jack ging zu seinem Stuhl und deutete auf seine Sitzfläche. „Der Thron der Schmerzen. Siehst du diese Pressen, Mädchen? Hier werden deine Unterarme- und Schenkel eingespannt und durch diese Schrauben hier gestaucht.“ Er tätschelte die Schrauben, als wären sie aus weicher Watte. „Bis die Haut zerreißt und dein Fleisch aufplatzt“, fügte er grinsend hinzu. „Solltest du dich entgegen aller Annahmen noch immer weigern, kann man hier zusätzlich an einem Strick ziehen. Was der macht, weißt du ja sicher.“
Carlo verfolgte, wie der Blick der jungen Frau an Trotz und Entschlossenheit verlor, je mehr sie über die Foltergeräte und das, was auf sie zukommen würde, erfuhr.
„Hier haben wir meinen Favoriten“, verkündete Jack und deutete auf einen Balken. „Der Kantensitz! Wir setzen dich auf die Kante des Balkens, der sich nach und nach immer tiefer in dich bohren wird. Zusätzlich beschweren wir dich mit Gewichten.“ Dann deutete er über sich. „Direkt darüber haben wir den Gottesbalken. Wir binden dir die Hände auf den Rücken, befestigen dich am Balken und werden dich mit Ruten und Stöcken schlagen.“
Jack setzte seine Erklärungen mit einer Kälte fort, die selbst Carlo immer wieder überraschte. Er merkte, wie viel Spaß Jack an dieser Sache hatte. Carlo dagegen wollte es einfach nur hinter sich bringen.
„Und dann haben wir noch die Streckbank, die dich an Händen und Füßen auseinander zieht, bis es dich innerlich zerreißt. Dazu haben wir -“
„Das reicht glaube ich“, unterbrach Carlo ihn. „Ich denke, sie hat verstanden, was sie erwartet.“ Dann sprach er an die Frau gewandt weiter. „Du kannst nun selbst entscheiden, ob du einfach gestehen willst, oder ob wir mit unserer Arbeit beginnen sollen.“
„Ich habe nichts zu gestehen!“, wiederholte Anya bissig, doch der Trotz fehlte in ihrer Stimme.
Carlo seufzte. „Dann lassen wir die Magie mal beginnen.“
Zwei Stunden später griff sich Carlo seinen Mantel, der bereits etwas wieder getrocknet war. Er zog ihn an und setzte seinen Hut auf.
„Die war ziemlich störrisch“, meinte Jack, als er die kleinen Zangen in seiner Tasche verstaute.
„Mehr, als ich ihr zugetraut hätte. Aber wir haben, was wir wollten.“ Er seufzte, als er aus dem Fenster blickte. Der Regen prasselte gegen die Scheibe. „Und es hat so lange gedauert, dass der Sturm sich jetzt richtig austobt.“
„Fährst du trotzdem noch zu deinem Date?“
„Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern und schaute auf sein Smartphone. „Ah, hat sich erledigt. Sie hat abgesagt. Sturm und so.“
„Wollen wir dann noch ein Bierchen trinken gehen?“
Carlo musterte seinen Kollegen. „Du willst doch nur eine Mitfahrgelegenheit haben.“
Jack grinste. „Kann sein?“
„Na gut, ich habe eh nichts weiter vor. Dann lass uns los.“ Carlo warf noch einen letzten Blick durch die offenstehende Tür.
Anya lag gekrümmt und blutend auf einer Trage. Die Verletzungen durch die Folter hatten Jack und Carlo weitestgehend versorgt. Sie würde überleben.
Fragt sich nur, ob das Fluch oder Segen für sie ist, dachte Carlo sich und zog seinen Mantel fester um sich. Das würde sich zeigen, wenn die Schläger sie abholen kommen würden.
„Kommst du?“, fragte Jack, der bereits am Ausgang wartete.
„Schon unterwegs.“
So ließ Carlo einen weiteren Auftrag erfolgreich abgeschlossen hinter sich.