„Scheiße, die werden uns zu Schweizer Käse verarbeiten!“ Baron sprang gerade noch so hinter die nächste Säule, als der Beschuss erneut durch die Fenster in den Hauptraum der Bank fiel.
Auch Jackal ging in die Hocke und hob schützend die Arme, um den abplatzenden Putz und die Splitter aus dem Marmorboden abzufangen, bevor sie sein Gesicht ein weiteres Mal zerkratzen konnten. Doch seine Gedanken waren ganz woanders. Sein Atmen ging stockend, und sein Verstand hatte beinahe ganz ausgesetzt. Was war dort draußen gerade passiert?, fragte er sich, ohne jedoch eine Antwort aus dem Strom von Gedanken ziehen zu können, der gerade seinen Kopf zermarterte.
„Verdammt, Hacks, schließ endlich diese beschissenen Türen!“, hörte er Baron rufen, während er blind das Feuer erwiderte. „Oder sollen die unsere Leichen unter den Trümmern hervorziehen? Ist dir das lieber?“
„Halt deine verfluchte Schnauze!“, rief Hacks wütend zurück, der sich hinter einem der Bankschalter verschanzt hatte. „Oder willst du die Systeme hacken?“
Jackal hörte nur halbherzig hin, während der Beschuss der Polizei weiter auf sie einprasselte. Sein Blick richtete sich auf Diamond, die getroffen wurde, als die Spezialeinheiten das Feuer auf sie eröffnet hatten. Nur schwammig konnte er sich daran erinnern, dass er aus der Bank gestürmt war, um sie in Sicherheit zu bringen. Es fühlte sich alles so dumpf und surreal an.
Eine Kugel hatte sie im Bauch erwischt, und er kniete machtlos neben ihr, seine Hände und der schwarze Overall rot von ihrem Blut, während er versuche, die Wunde mit seinen bloßen Händen zu verschließen. Er spürte, wie sein Magen heftig rebellierte, und versuchte sich irgendwie zusammenzureißen. Dabei hörte er sie leise stöhnen, ihr Gesicht war durch den Schmerz zu einer Grimasse verzogen.
Helft ihr! Verdammt, helft ihr!, rief er verzweifelt in Gedanken, aber er schien wie gelähmt, konnte einfach nichts sagen. Kein Laut verließ seine Lippen.
Das Dröhnen der Sirenen durchdrang seine Gedanken, und er hielt sich die Ohren zu, während die Sicherheitsmaßen der Bank von Hacks aktiviert wurden. Dass er sich damit Diamonds Blut ins Gesicht und die Ohren schmierte bemerkte er nicht einmal. Sein Kopf fühlte sich an, als wollte er einfach platzen.
„Das wird auch verdammt nochmal Zeit“, rief Baron und kam hinter der zerschossenen Säule hervor, nachdem die Türen und Fenster fest verbarrikadiert waren. „Was für eine Scheiße! Jetzt sind wir richtig am Arsch! Keine Geiseln, kein Geld, ab jetzt wartet nur noch der Knast auf uns! Und das alles wegen dir!“
Jackal wurde von Baron an der Kleidung gepackt und auf die Beine gezogen, weg von seiner Diamond. Wutentbrannt starrte Baron ihm direkt in die Augen.
„Kannst du mir mal verraten, was für eine Scheiße ihr da abgezogen habt?“ Baron presste Jackal an eine der Säulen, aber Jackal schaute an ihm vorbei. Hacks kniete sich gerade neben Diamond und untersuchte die Wunde. Erst jetzt sah Jackal, wie sich Diamonds Blut langsam unter ihr auf dem weißen Marmor ausbreitete.
„Die Kugel steckt noch in ihrem Bauch. Und sie verliert ziemlich viel Blut. Wenn wir sie nicht schnell irgendwie behandeln wird sie hier verbluten.“
„Dann geh und such Verbandszeug und irgendwas, womit wir die Kugel aus ihr heraus bekommen“, antwortete Baron gereizt, ohne den Blick von Jackal abzuwenden. Er wartete auf eine Antwort.
„Mach dies, mach das“, hörte Hacks leise fluchen, als er durch den Schutt an ihnen vorbei ging.
Jackal‘s Gedanken kreisten noch immer. Er wollte etwas sagen, aber er konnte einfach nicht. Seine Angst hinderte ihm am Sprechen.
Er wusste sehr wohl, dass er gegen eine der wichtigsten Regeln verstoßen hatte, indem er ein Verhältnis mit einer Komplizin eingegangen war. Aber das war ihm zu dem Zeitpunkt komplett egal gewesen. Mehrere Monate hatten sie diesen Überfall geplant, und in dieser Zeit hatte er sich in sie verliebt. Und sie sich in ihn, das wusste er. Immerhin hatten sie es sich zum selben Zeitpunkt gestanden, natürlich ohne dass die anderen davon erfahren hatten. Jetzt hatte er verstanden, dass diese Regel doch nicht so unwichtig war. Er hatte sich in Gefahr begeben, um sie zu retten. Vor einem Fehler, den sie selbst verursacht hatte, wie ihm langsam klar wurde. Aber wenn er etwas wusste in diesem ganzen Chaos, dann, dass er es nicht bereute.
Im ersten Moment hatte er gedacht, die Spezialeinheiten hätten das Feuer zuerst auf sie eröffnet, aber das war Schwachsinn. Das würden sie niemals machen. Und der erste Schuss, den er gehört hatte, war viel zu nahe gewesen. Also musste es Diamond gewesen sein. Sie hatte, wohl aufgrund ihres hitzigen Temperaments, zuerst auf die Polizisten geschossen. Und was hatte er gemacht? Als er sah, dass Diamond getroffen wurde und zu Boden ging, hatte sein Verstand ausgesetzt. Jackal war raus gestürmt, mitten ins Feuer der Polizisten, hatte selbst zurückgeschossen und es irgendwie geschafft, seine Liebste in die Bank zu ziehen.
Sein Kopf wurde herumgerissen, als Baron‘s Faust ihn direkt auf die Wange traf. „Ich hab dich was gefragt, du beschissener Idiot!“
„I-ich weiß nicht“, stotterte Jackal nur, kleine Sterne tanzten vor seinen Augen. Zumindest half es ihm, den Blick kurz von der blutenden Diamond abzuwenden. Ihm war einfach nur zum Kotzen zumute.
„Bullshit! Was habt ihr euch dabei gedacht?“
„Ich weiß es nicht!“, antwortet Jackal gereizt. So langsam verlor er die Geduld. Dir ist sie doch sowieso egal. „Ich habe nur die Schüsse gehört, und dann-“
„Und dann vollkommen die Kontrolle verloren!“, beendete Baron den Satz für ihn. „Wer hat dir – oder ihr, das ist mir komplett egal – nur so ins Hirn geschissen? Der Plan besagte eindeutig „Keine Schießerei“, und jetzt? Ein waschechtes Feuergefecht, das uns direkt in Teufels Küche bringt! Wir wollten hier einfach sauber rein und raus. Und jetzt? Die Geiseln haben die Gelegenheit genutzt und sind abgehauen! Wir haben keine Verhandlungsbasis, und der Eingang wird von einer scheiß Armee aus Bullen belagert!“
„Ich konnte sie da doch nicht einfach liegen lassen, verflucht!“
„Sie hat sich das doch selbst eingebrockt! Wenn sie so dumm ist und nicht überlegt, was sie tut? Du tust ja fast so, als würdest du sie ...“ Baron stockte und machte einen Schritt von Jackal zurück.
„Ne, oder?“, fragte er, und Jackal hörte aus der Frage deutlich heraus, dass Baron verstanden hatte, worum es ging. „Scheiße. Du liebst sie, oder? Seid ihr etwa ein Paar?“
„Ja, verdammt.“ Was sollte lügen jetzt noch nützen?
„Oh das darf doch alles nicht wahr sein!“, fluchte Baron und warf sein Gewehr auf den Boden. „Was ist an „Keine Beziehungen“ denn so schwer zu verstehen gewesen? Wie lange geht das schon so?“
„Hör endlich auf!“, rief Jackal gereizt. „So ein gefühlskalter Hund wie du weiß einfach nicht, wann man auf sein Herz hören sollte. Wir hätten einfach aussteigen sollen! Sind wir aber nicht. Und warum? Weil wir dachten, dass wir es schaffen! Und nein, ich weiß nicht, warum sie das Feuer eröffnet hat, aber sie hat es halt getan, also mach mich nicht dafür verantwortlich, dass ich den Menschen gerettet habe, den ich liebe! Jeder macht mal Fehler, auch du!“
Dann schob Jackal sich harsch an Baron vorbei und sank neben Diamond auf die Knie. Vorsichtig nahm er ihre Hand. Sie war eiskalt. Bitte halte durch, bitte.
Hinter Jackal hob Baron sein Gewehr wieder auf und stellte sich neben ihn. „Du und Hacks, ihr werdet sie versorgen. Und ich suche uns einen Ausweg aus der Scheiße, die ihr fabriziert habt. Aber eines ist sicher, Jackal. In den Knast werde ich nicht wieder gehen.“
„Ich weiß“, antwortete Jackal leise. Es war ihm auch egal, sein Blick blieb weiter auf seine Liebste gerichtet.
Baron brummte nur etwas, was sich wie eine Verwünschung anhörte, und ließ Jackal allein mit Diamond.
Vielleicht sollten wir uns einfach ergeben? Nein, das würde Baron nicht zulassen. Eher würde er uns eigenhändig kalt machen. Aber nur, wenn wir aufgeben, kann sie richtig versorgt werden.
„Verdammt, Liebling, warum hast du das nur gemacht?“, fragte er leise. Heiße Tränen liefen seine Wangen herunter und fielen auf Diamonds bleiches Gesicht. Hätten wir das kommen sehen müssen? Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie auf das Leben der Bullen nichts gibt. Aber es konnte doch niemand ahnen, dass sie so ausrasten würde. Oder?
Jackal blickte auf und wischte sich schnell mit dem Ärmel die Tränen weg, als Hacks zu ihnen eilte. Er trug einen Erste Hilfe-Koffer bei sich.
„Es ist nicht viel, aber damit können wir sie vielleicht stabilisieren“, sagte Hacks. Er hörte sich etwas abgekämpft an und ignorierte anscheinend das Bild, welches sich ihm bot. Wie immer konzentrierte er sich voll auf seine Aufgabe.
„Wird sie es schaffen?“ Jackal wusste dass die Frage unsinnig war, gleich nachdem er sie schon ausgesprochen hatte.
„Keine Ahnung, aber ich werde deine Hilfe brauchen.“ Hacks öffnete den Koffer und durchsuchte ihn. "Zumindest eine Pinzette ist mit dabei."
„Gut. Sagt mir, was ich machen soll“, meinte Jackal.
Zusammen begannen sie, Diamonds Wunde zu versorgen. Ab und zu stöhnte sie leise auf, kniff die geschlossenen Augen schmerzverzerrt zusammen, während Hacks versuchte, die Kugel aus ihr herauszuholen.
„Halte durch. Wir schaffen das“, flüsterte er ihr zu.
Hoffentlich, fügte er in Gedanken hinzu.