„Wie konnte sie das nur wagen?!“ Tonys Aufschrei hallte durch die Büroräume und ließ die Angestellten erschrocken mit den Köpfen herumfahren.
John, sein engster Vertrauter und – sofern es so was in diesem Schlangennest überhaupt gab – Freund, schloss eilig Tür und Vorhänge, um das Gespräch vor neugierigen Augen und Ohren zu verbergen. „Sir, ich weiß, aber wir müssen je-“
„Meine eigene Frau, John!“, polterte Tony weiter und klatschte die Zeitung auf den Tisch. Der Artikel stand auf dem Titelblatt und schien ihn zu verhöhnen. „Das ist wie ein Messerstich direkt ins Herz!“ Er fuhr sich aufgebracht durch die Haare und schnaufte. „Von Brisbane hätte ich das vielleicht noch erwartet. Sie nutzt ja alle Mittel, aber meine Frau?“
„Ja, Sir. Damit konnte niemand rechnen. Aber jetzt ist es wichtig, den Schaden zu begrenzen.“
Tony schüttelte den Kopf und ließ sich erschöpft auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen. „In meinem eigenen Bezirk auch noch.“ Er faltete die Hände und stützte sein Kinn darauf. Dann schloss er die Augen.
Diese Nachricht schmeckte ihm genauso wenig wie der längst erkaltete Kaffee, der neben seiner Tastatur stand. Es war, als hätte er sein eigenes Todesurteil gelesen. Aber er musste da jetzt irgendwie durch. „Irgendwelche Vorschläge?“
John setzte sich ihm gegenüber. Er hatte eine nachdenkliche Miene aufgelegt. „Wir müssen auf jeden Fall dagegenhalten. Vielleicht ein persönliches Gespräch mit den Betroffenen?“
„Nein, ich muss damit an die Öffentlichkeit.“
John sog scharf die Luft ein. „Ist das wirklich gut? Gerade die Öffentlichkeit ist darauf nicht gut zu sprechen.“ Er beugte sich vor und tippte mit seinem Zeigefinger zweimal auf das Bild, welches Tony – zumindest sollte er es sein, der dort angeblich zu sehen war – mit dem Führer einer rechten Organisation zeigte. „Das ist pures Gift.“
„Das ist mir auch klar“, antwortete Tony schärfer als beabsichtigt und senkte seine Stimme. „Aber wenn ich mich nicht öffentlich zeige lasse ich es so aussehen, als ob ich etwas zu verbergen hätte. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass meine Frau der Presse das Bild zugespielt hat.“
„Sie will Ihnen sicherlich eins auswischen mit dieser Aktion.“
„Sie vermischt Privates mit der Arbeit und erwartet, dass ich sie als professionell ansehe.“
„Vielleicht war es falsch, sie da mit einzubeziehen?“, fragte John vorsichtig.
Tony blickte ihn scharf an. „Das ist jetzt nicht von Belang. Wichtig ist, dass wir das Chaos beseitigen. Ansonsten können wir das, was wir in den letzten zwanzig Monaten geplant haben, komplett von der Agenda streichen.“
„Das werden wir nicht zulassen“, antwortete John mit ernstem Ton und stand auf. „Das werde ich nicht zulassen, Sir.“
„Gut.“ Tony schnappte sich einen Stift und tippte damit nachdenklich auf dem Schreibtisch. „Morgen ist Sonntag, oder?“
„Ja“, sagte John, etwas überrascht von der Frage. „Haben Sie eine Idee?“
„Ich will, dass Sie mit dem Pfarrer der Gemeinde sprechen. Sagen Sie ihm, dass ich während des Gottesdienstes zu der Gemeinde sprechen möchte.“
„Wird gemacht, Sir.“
„Außerdem will ich, dass Sie die Pressestelle kontaktieren und sie eine Liste mit Reportern zusammenstellen lassen. Wählen Sie anschließend die drei aus, denen Sie am meisten vertrauen.“ Er schaute John direkt an. „Diese drei werden dann bei meiner Ansprache dabei sein und sie live im Fernsehen übertragen.“
„Warum nicht gleich eine öffentliche Rede halten, Sir?“
„Es ist wichtig, dass ich mit der Gemeinde direkt in Kontakt trete. Ich will mit den Menschen sprechen und ihnen versichern, dass sie sich nach wie vor auf mich verlassen können.“
„Sir, gestatten Sie mir eine Frage?“, fragte John vorsichtig und fuhr fort, als Tony nickte. „Sind Sie das auf dem Foto?“
„Ist das von Belang?“
John schüttelte den Kopf. „Nein Sir, verzeihen Sie. Ich war nur neugierig.“
Mit einer Handbewegung entließ Tony John aus dem Gespräch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet diese Vergangenheit mich wieder einholen würde. Ausgerechnet jetzt“, brummte er, während er sich das Foto anschaute, welches seinen Vater mit dem Führer der rechten Organisation zeigte.
Dann setzte er sich aufrecht hin und begann damit, seine Rede für den nächsten Tag zu schreiben. Es wurde Zeit, das Chaos zu bereinigen, welches seine Exfrau hinterlassen hatte. Und wenn das erledigt war, würde er sich um seine Ex kümmern.
Ein für alle Mal.