Ich bin schon immer der Außenseiter der Klasse gewesen. Ach was, wenn ich mir das richtig überlege, fühlt es sich zumindest so an, als sei ich der größte Außenseiter der gesamten Schule.
Naja, das ist vielleicht auch nicht verwunderlich, denn ich bin auch anders als die anderen. Das jedenfalls wollen sie mir weismachen. Ich sei anders, weil ich andere Hobbys habe als sie. Während die Mädchen sich um ihren Mädchenkram kümmerten, und die Jungs sich mit Handys und Fußball beschäftigten, habe ich lieber in meinen Büchern gelesen oder mich mit dem PC beschäftigt. Irrtümlicherweise denken die, ich würde nur Spiele spielen. Dass man mit einem PC noch ganz andere Dinge machen kann, haben die sich wohl nie überlegt.
Deshalb bin ich der „Nerd“. Der, den man meidet, weil jeder Kontakt mit mir ansteckend sein könnte. Und jeder, der mit mir gesehen wird, ist automatisch uncool. Warum? Das weiß ich auch nicht.
Und doch stehen die beiden Jungs nun vor mir, und ich sehe ihnen ganz genau an, dass es ihnen unangenehm ist. Sie wissen nichts über mich, außer, dass ich der Nerd bin.
„Und? Kannst du das nun für uns machen?“
„Du würdest uns damit echt einen großen Gefallen tun!“
Während ich nach außen hin weiter unbekümmert wirke, kringle ich mich innerlich vor Lachen. Ja, sie sind zu mir gekommen, weil ich ihnen einen Gefallen erweisen soll.
„Und warum sollte ich das für euch machen?“ Ich beuge mich ein wenig vor und stütze die Arme auf den Tisch, eine lässigere Haltung. Nicht, um cool zu wirken. Ich sitze halt gerne bequem.
Die beiden Jungs schauen sich entgeistert und verwirrt gleichermaßen an.
„Naja“, stammelt der eine, „weil du dich damit auskennst?“
„Ach so, ach so.“ Ich nicke bedächtig und schaue die beiden dann ernst an. „Und jetzt nochmal meine Frage: Warum sollte ich das für euch machen?“
Nun schauten die beiden ratlos. Ich kenne sie. Am liebsten wären sie ja gegangen, aber sie brauchen halt meine Hilfe.
„Wie meinst du das? Ich habe doch gesagt, dass du dich halt damit auskennst.“
„Das stimmt schon, aber ich habe keinen Grund, euch zu helfen.“
„Warum denn nicht?“
Jetzt zweifle ich langsam ernsthaft an der Intelligenz der beiden. „Vielleicht, weil ihr mich sonst mit dem Arsch nicht anschaut und mich nur meidet? Daran schon mal gedacht?“ Natürlich achte ich auf den Tonfall. Ich weiß, wenn ich ruhig bleibe, bringen meine Aussagen sie noch viel mehr auf die Palme.
„He, das stimmt doch gar nicht!“
„Ach nein? Aber mir ständig Streiche spielen wollen und Dinge nachsagen, die gar nicht stimmen, nur, um den Nerd zu ärgern, das stimmt sicher auch nicht, was?“
„Jetzt blas dich hier mal nicht so auf, Freak!“, fährt einer der beiden aus der Haut. Ich hab da wohl einen wunden Punkt getroffen.
Bevor er weiterreden kann, falle ich ihm ins Wort. „Ihr wollt meine Hilfe dann ja anscheinend doch nicht. Viel Glück bei eurer Präsentation, nicht wahr?“
Ich stehe auf und beginne damit, meine Sachen einzupacken. Die beiden haben mir mal wieder bewiesen, dass sie die Zeit echt nicht wert sind. Keiner von denen. Nur deshalb freue ich mich ja so sehr auf den Abschluss, dann muss ich keinen von denen jemals wiedersehen.
„Moment, Moment!“, springt der andere panisch ein. „Also ... doch, wir brauchen deine Hilfe. Und, naja“, er blickt betreten zu Boden, „mir tut es leid, wie ich dich behandelt habe.“
„Spinnst du?“, braust sein Kumpel auf und schaut seinen Freund geschockt an. „Also mir ganz bestimmt nicht.“
Doch der Junge hört gar nicht auf den Einwand seines Freundes. „Vielleicht kann ich das dann ja irgendwie wieder gut machen?“ Er zuckt mit den Schultern. „Du musst nur sagen, wie.“
Ich seufze und setze mich wieder hin. Damit habe ich nicht gerechnet, aber es scheint ihm ernst zu sein damit. Vielleicht liegt ihm ja was an einer guten Note.
„Gut, okay“, stimme ich schließlich zu. „Ich will einfach nur, dass die Lehrer wissen, dass ich die Präsentation gemacht habe, ja? Ich habe noch eine eigene Präsentation, die ich vorbereiten muss.“
„In Ordnung.“ Erleichterung schwingt in seiner Stimme mit, als er meiner Bedingung zustimmt, ganz zum Widerwillen seines Freundes, der sich bereits abwendet, noch etwas grummelt, und dann verschwindet.
„Und … Danke“, hängt er noch zögerlich ran und verschwindet dann ebenfalls.
Ich selbst packe derweil meine Sachen und verlasse den Klassenraum. Ich hätte ihnen höchstwahrscheinlich auch so geholfen. So bin ich halt. Aber wenn ich eines noch besser kann als Nerd sein, dann ist es, der Streber zu sein.