Vanessa spürte, wie die Nervosität sie immer weiter aufzufressen begann. Wie ein Lasso hatte sie sich um ihr Herz gelegt, und nun drohte die Schlinge, sich immer weiter zuzuziehen, während ihr Herz stark pochend gegen den Druck anzukämpfen versuchte.
Diese verdammte Präsentation bringt mich noch ins Grab!
Ruhelos lief sie Rillen in den Boden ihres Büros, während sie den Vortrag, den sie in einer Stunde halten sollte, noch einmal durchging.
„Also gut, hier ist die Stelle mit der Gewinnmaximierung von 5%, und hier-“
Sie wischte gerade eine Präsentationsfolie auf ihrem Tablet zur Seite, als plötzlich ihr Handy klingelte.
„Frau Roth?“, meldete sich die Stimme der Empfangsdame. „Hier ist eine Frau Lang für Sie, ist das richtig?“
„Ja, ja“, sagte sie abgelenkt, denn ihre Gedanken wirbelten gerade noch immer um die Präsentation. „Schicken Sie sie bitte in das Büro R26. Danke.“
Nur noch eine Stunde. Wie soll ich das bloß hinbekommen?
Kurze Zeit später klopfte es leise an der Tür.
„Herein!“, rief Vanessa, die in letzter Sekunde noch Änderungen an ihren Notizen vornahm.
Die Tür wurde geöffnet, und ein Sicherheitsbeamter – er musste neu sein, denn sein Gesicht kannte Vanessa noch nicht – brachte eine junge Frau in ihr Büro, die sich höflich bedanke.
Als die Tür vom Sicherheitsmann wieder geschlossen wurde, fielen ich sich beiden Frauen in die Arme.
„Gott sei Dank bist du da, Nati“, begrüßte Vanessa ihre langjährige Freundin glücklich. „Hast du meinen Tee dabei? Ich brauch den jetzt unbedingt.“
„Du bist ja völlig aufgelöst“, antwortete Natascha und griff in ihre Tasche. Heraus holte sie eine große Thermoskanne, während Vanessa zwei Becher aus einem Schrank holte und auf den Tisch stellte. „Was ist denn los?“
„Du weißt doch, die Präsentation“, murmelte Vanessa unglücklich und bot ihrer Freundin einen Platz am Tisch an.
„Und? Was ist damit?“
„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“ Vanessa warf ihrer Freundin einen verzweifelten Blick zu. „Es ist das erste Mal, dass ich hier eine Präsentation halte. Und dann auch noch zu so einem wichtigen Thema.“
Natascha schenkte Vanessa und sich Tee ein und schaute sie fragend an. „Und was genau macht dich jetzt nervös?“
„Ich weiß nicht. Alles irgendwie.“ Vanessa zuckte hilflos mit den Schultern und nahm vorsichtig einen Schluck von dem heißen Getränk. Die Wärme fuhr ihr wohltuend durch den Körper, und sie schloss die Augen für ein paar Sekunden.
„Ich glaube daran, dass du das schaffst. Immerhin hast du dich zwei Monate gründlich vorbereitet. Und mit Präsentationen hast du weder in der Schule früher noch in der Berufsschule Probleme gehabt. Daran solltest du denken.“
„Aber das hier ist was Anderes“, hielt Vanessa dagegen und seufzte. „Ich halte den Vortrag vor der Geschäftsführung, und nicht vor einem Lehrer. Ich muss da jetzt wirklich überzeugen. Und was ist, wenn ich mich verhaspel? Den Faden verliere oder sonst was?“
Natascha schmunzelte. „Eben weil da keine Lehrer sitzen, solltest du wirklich gelassener sein.“
„Wie meinst du das denn jetzt schon wieder?“
„Da sitzen Menschen, die hören wollen, was du dir zum Vorteil der Firma überlegt hast. Sie werden darüber entscheiden, ob ihnen deine Idee gefällt, aber sie werden dich sicher nicht benoten. Und den Faden musst du ja nicht verlieren“, sagte Nati ruhig und deutete auf Vanessas Tablet. „Du hast dort doch alles stehen. Und niemand wird dich verurteilen, wenn du dein Tablet als Unterstützung nimmst. Dafür ist das Teil doch da.“
Vanessa war sich sichtlich unschlüssig. „Ich habe bisher nur gesehen, dass andere ganz ohne solche Dinge auskommen.“
„Ja, weil die viel mehr Erfahrung haben. Du fängst doch gerade erst an, und das ist deine erste richtige Präsentation.“ Natascha legte ihre Hände auf Vanessas und lächelte sie aufmunternd an. „Du schaffst das schon. Ich weiß das.“
Vanessa spürte, wie sich die Schlinge der Nervosität und beginnender Panik um ihr Herz langsam lockerte.
Sie hat Recht. Ich kann das schaffen.
„Danke, Nati. Deine Zuversicht habe ich gebraucht. Mehr noch als meinen Lieblingstee.“ Sie grinste und nahm noch einen Schluck.
Dann klingelte Vanessas Handy erneut. Der Name ihrer Chefin wurde auf dem Display angezeigt.
„Wird Zeit“, sagte Vanessa leise und stand auf.
Natascha tat es ihr gleich und steckte die Thermoskanne wieder in ihre Tasche. Beide drückten sich noch einmal zum Abschied.
„Und heute Abend gehen wir in die Bar. Machen uns einen schönen Abend. Und dann kannst du mir erzählen, wie es lief. Einverstanden?“
„Einverstanden“, stimmte Vanessa mit einem Nicken zu.
Und jetzt werde ich die beste Präsentation meines Lebens hinlegen, dachte sie fest entschlossen und machte sich auf den Weg zu ihrer Chefin.