CN: Gewalt, Tod
Dem Donnern eines Frühlingsgewitters gleich setzte der Bass des Liedes ein, und damit begann seine Rache.
Mit einem Tritt brach er die Tür auf, die zum Versteck der Drogendealer führte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen erfasste er die Lage im Raum. Er sah die Chinesen, die an einem großen Tisch saßen, vollbeladen mit Drogen und Geld. Sie lachten und zählten die Scheine, die ersten hatten jedoch mitbekommen, dass etwas nicht stimmte und sich umgedreht. Zwischen ihm und den Dealern befand sich eine Küche, was er aber erwartet hatte. Die Spur, welcher er nachgegangen war, hatte ihn immer wieder zu diesem Restaurant in Chinatown geführt.
Dies war der Moment, auf den er die letzten Wochen Tag und Nacht hingearbeitete hatte. Er ließ seine Seele im Rausch des Liedes fallen und übergab die Kontrolle an seinen Körper. Er wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Endete die Musik, bevor er mit seiner Arbeit fertig war, würde er unweigerlich sterben.
Doch nun übernahmen seine Reflexe und Instinkte. Bevor seine Feinde überhaupt reagieren konnten, fielen die ersten beiden seinen Kugeln zum Opfer. Blut und Hirnmasse verteilten sich über den gesamten Tisch, die Leichen fielen schlaff zu Boden oder mit dem Kopf auf die Tischplatte.
Da erst reagierten die restlichen Dealer. Panisch warfen sie Tische und Stühle um, versteckten sich dahinter oder suchten hinter den Säulen des großen Raumes Deckung.
Doch der Mann ließ sich nicht aufhalten, schoss ungehindert weiter und schaltete einen Dealer nach dem anderen aus. Er hörte weder die Schüsse noch die Schreie, nur die instrumentale Untermalung des Liedes in seinen Ohren. Kein Gesang. Lieder mit Gesang lenkten ihn zu sehr ab, störten seine Balance zwischen Trance und Realität. Solch ein Titel hätte ihn das Leben gekostet. Doch in diesem mitreißenden Sog aus Trommeln, Violinen und anderen Instrumenten fühlte er sich frei.
Er sah nur am Rande, wie die Köche fluchtartig den Raum verließen. Einige fielen im Kreuzfeuer zwischen den Dealern und jenem Mann, der ihnen allen den unausweichlichen Tod bringen würde.
Dann stürmten zwei Gegner von beiden Seiten auf ihn zu. Bevor sie ihn erreicht hatten, hatte er dem Dealer auf der linken Seite ins Bein geschossen. Noch während dieser fiel, packte er ihn und drückte sein Gesicht auf die heiße Herdplatte. Der andere Angreifer blieb, das Messer zum Schlag erhoben, verunsichert stehen. Diesen Moment nutzte der Detective, griff sich eine der heißen Pfannen und schlug dem Dealer mit einem gezielten Schlag den Schädel ein, bevor die nächsten Kugeln um ihn herum einprasselten.
Schnell suchte er sich Deckung, lud seine Waffen nach und schoss sich weiter durch die Küche. Er spürte ein dumpfes Pochen in seiner linken Schulter und seinem rechten Bein. Die glücklichen Bastarde hatten ihn getroffen, doch sein Körper ließ sich davon nicht aufhalten. Seine Seele wogte noch immer auf den Wellen des Liedes, welches ungefähr in der Mitte angekommen war.
Einer der Dealer sprang über die Kochzeilen auf ihn zu. Sein Messer schwang hinab und bohrte sich in den Arm des Detectives, doch dieser packte seinen Gegner, drehte ihm den Arm auf den Rücken und hielt ihn als Schutzschild vor sich. Er spürte das Rucken und Zucken des Dealers, als die Kugeln in den menschlichen Schild einschlugen und er sich immer weiter auf die Gegner zubewegte. Während er lief, erwiderte er das Feuer und sah aus dem Augenwinkel, dass weitere Dealer aus einem Nebenraum in die Küche gestürmt kamen.
Ohne Zögern hob er die Waffe und schoss auf den Gasbehälter neben der Tür.
Einem Inferno gleich explodierte der Behälter. Den Knall bekam er nur am Rande mit, Flammen fegten über die Dealer hinweg und verbrannten sie. Er selbst suchte ein letztes Mal hinter seinem menschlichen Schild Schutz, spürte die heiße Druckwelle über sich und den durchsiebten Mann hinweggehen und ließ anschließend die verbrannte Leiche achtlos fallen. Vor sich sah er brennende Männer rennen, sich auf die Fliesen werfen, im Versuch, die Flammen zu löschen. Doch schon bald darauf lagen sie still am Boden und über die Tische gebeugt, die Haut vollkommen verbrannt, mit Blasen übersät und aufgeplatzt. Die Gesichter zeigten Furcht, Schrecken und Schmerz, sofern man das noch erkennen konnte.
Zielgerichtet lief er durch die Küche und fand gerade noch Deckung, als weitere Kugeln durch die Tür drangen, welche in den Nebenraum führte. Das Lied näherte sich langsam dem Finale, er musste sich beeilen.
Er sprang aus seiner Deckung und schoss in schneller Folge durch die Tür hindurch, beinahe selbst von dem Rausch mitgerissen, den seine Seele in diesem Moment verspürte. Als er die Tür auftrat, rollten zwei durchlöcherte Leichen über den Boden. Am anderen Ende des Raumes, welcher sich als Büro entpuppte, saß ein dicklicher Chinese mit Hornbrille und hob flehend die Hände. Seine Lippen bewegten sich, sein Körper zitterte wie Espenlaub. Er griff sogar nach einem Haufen Geld und bot es dem unbekannten Angreifer an.
Der Anführer der Drogendealer wollte sein Leben freikaufen, doch das ließ den Mann mit der Musik vollkommen kalt. Gleichgültig ging er auf den Mann zu, setzte ihm die Waffe an die Schläfe, drückte ihm den Kopf auf den Tisch und jagte ihm die letzte Kugel durch sein Hirn. Das Blut verteilte sich über die Geldscheine und den Schreibtisch, traf sogar auf den Schirm der kleinen Lampe und färbte das Licht im Raum teilweise rot.
In dem Moment, als das Lied endete, kehrte seine Seele schlagartig wieder zurück. Heißer Schmerz durchfuhr seinen Körper an den Stellen, an denen er schwere Schuss- und Schnittwunden davongetragen hatte. Erst da bemerkte er, dass das Messer des einen Dealers noch immer in seinem Arm steckte.
Er biss die Zähne zusammen und versuchte den Schmerz auszublenden. Nichts, was er nicht vorher schon einmal erlebt hatte. Würde er das Messer jetzt herausziehen, würde er die Blutung nur verschlimmern.
Er griff in seine Tasche und schaute auf seinen MP3-Player. Drei Minuten und siebzehn Sekunden, länger hatte seine Rache nicht gedauert. Seine Seele blieb ruhig. Er hatte es erneut geschafft, sie vor Schaden zu bewahren.
Doch tief im Inneren spürte er, dass diese eine Wunde, die seine Seele erreicht hatte, niemals mehr verheilen würde.