Darius saß auf dem Sofa und hörte Schritte. Als er aufsah und Martin ins Wohnzimmer kommen sah, lachte er auf. »Wie siehst du denn aus?«
»Warum? Das ist für heute Abend. Nicht gut?«, fragte Martin und präsentierte sich mit einer eleganten Drehung.
»Siehst aus, wie so ein Lolli für Kinder. Gab’s das Oberteil auch in deiner Größe oder hast du zugenommen?«
»Das muss so sitzen.« Martin zupfte an seinem bunt gestreiften Hemd herum. »Das ist siebziger Jahre und noch von Papa. Ich finde es gut.«
»So sieht's auch aus.« Lachend lehnte sich Darius zurück. »Ich würde aber eine andere Hose anziehen.«
Martin sah an sich herunter und strich über den kobaltblauen Stoff. »Das war früher so. Was ist daran nicht gut?«
»Na ja, die ist so«, David musterte erneut das Outfit seines Freundes und bekam große Augen, »sind das Plateau-Schuhe?«
Das Hosenbein hochziehend zeigte Martin seine regenbogenfarbigen Schuhe. »Ja. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber für ein paar Stunden sollte es gehen. Aber was ziehst du denn an?«
»Krass. Ich hab noch das Hawaiihemd vom letzten Jahr und ’ne gelbe Hose. Darf ich die mal anziehen?« Darius stand auf und lief zu Martin, zu dem er ungewohnt aufschauen musste. »Geil, genau das Richtige für mich.«
»Ja, aber brich dir nicht die Haxen.« Martin setzte sich auf das Sofa und begann damit sich die Schuhe auszuziehen. Darius riss ihm den ersten direkt aus der Hand und schlüpfte hinein.
»Mach ma’ voran«, hörte Martin seinen Freund maulen und reichte diesem den anderen.
Zufrieden stand Darius auf. »Steh mal auf.«
Sich erhebend stellte Martin sich neben seinen Freund. »Und jetzt?«
»Ha! Genau mein Ding. Sowas muss ich auch haben. Das ist so wie in dem Film ‚Saturday night fever'.« Darius begann mit den Hüften wackeln. »Ah, ah, ah, ah, stay alive, stay alive, ah, ah, ah, ah, stay alive, stay alive«, gab er mehr schief als richtig gesungen von sich und hob seinen Arm wiederkehrend im Rhythmus zu seinen Hüften in die Luft.
Martin brach augenblicklich in schallendes Gelächter aus. Diesen Ohrwurm ausgerechnet von seinem Freund zu hören, war mehr als amüsant. Als würde im Vergleich dazu eine bekiffte Mireille Mathieu
irgendwelche Ballermann-Hits trällern, praktisch unmöglich.
»Schön gesungen, Schatz, aber gib sie mir bitte jetzt wieder. In einer Stunde müssen wir drüben sein und ich muss mir noch die Haare machen. Und du solltest dich langsam mal umziehen gehen.«
»Kann ich die nicht anbehalten? Ich geb’ ’nen viel besseren Travolta ab als du.«
»Nein, das sind meine. Und jetzt beeile dich.« Fordernd zeigte Martin auf die Schuhe.
»Menno.«
Nachdem Martin seine Körpergröße wieder um Sage und Schreibe zehn Zentimeter erhöht hatte, stiefelte Darius trotzig aus dem Wohnzimmer und kurz darauf waren dumpfen Schritte auf der Holztreppe zu hören.
-
»So willst du gehen?« Martin stand unten im Flur und betrachtete seinen Freund, der soeben die Treppe herunterkam. Wie angekündigt trug dieser eine gelbe Schlaghose, ein weit aufgeknöpftes, buntes Hawaiihemd, darüber eine Blütenkette und zum krönenden Abschluss hatte er sich eine schwarze Afro-Perücke aufgesetzt. Über den Rand seiner goldfarbenen Sonnenbrille schaute er zu Martin.
»Aber sowas von«, sagte Darius überzeugend und schob das Brillengestell zurecht.
»Gut, dann können wir ja los. Vincent und Raphael warten schon.«
»Jap, das wird mega. Vince schrieb gerade noch, dass er sich den Plattenspieler von seinem Vater geliehen hat und Platten aus der Zeit hat. Ach, und wusstest du, dass die Krebbers auch kommen?«
»Anja und Konrad? Ja, natürlich wusste ich das. Die Idee war doch von den beiden gekommen. Raphael ist davon sofort begeistert gewesen und hat alles angeleiert. Wir wollten auch gleich über einen neuen Termin fürs Bowling reden.«
Darius zog die Brille aus seinem Gesicht. »Welches Bowling?«
»Du bekommst auch nichts mit, oder? Das Sommer-Bowling. Da spielt wieder eine Band und – das wird dich jetzt freuen – es gibt eine Getränkeflat.«
»Oh Mann … und was spielen sie dieses Mal? Die Flippers-Evergreens?«
»Keine Ahnung, aber das wird bestimmt schön«, frohlockte Martin. »Bist du fertig? Dann komm’.«
Murrend drückte sich Darius an Martin vorbei zur Tür. »Ich geh’ da nur mit, wenn Vince dabei ist. Klar?«
»Natürlich, Schatz«, sagte Martin lachend. »So haben Raphael und ich unsere Ruhe.«
Beide verließen ihr Haus und überquerten die Straße, die wie ausgestorben wirken würde, wenn da nicht die laute Musik gewesen wäre, die aus den Fenstern des roten Backsteinhauses schallte. Als sie dieses erreichten, wurden sie herzlich von Vincent empfangen, der im Takt zu ‚Daddy cool' im Türrahmen stand. »Na, ihr … kommt rein, die anderen sind schon alle da.«
So verbrachten sie einen tollen Abend zwischen Leuten, die schriller nicht hätten sein können.