Eine fröhliche Melodie pfeifend, saß Martin in dem Esszimmer an dem großen Holztisch und legte einige Blumen, die er zuvor bei dem ortsansässigen Laden erworben hatte, zurecht. Der Frühling sollte auch in das Haus einziehen und der Schwarzhaarige half dem Ganzen auf die Sprünge. Neben gelb leuchtenden Narzissen und roten Tulpen, lag noch Schleierkraut und feiner Farn ausgebreitet auf einer Unterlage daneben. Der intensiv süßliche Duft der Osterglocken, war ihm schon vor einer Viertelstunde in die Nase gestiegen und irgendwie fühlte er sich erheitert. Während er weiterhin die Stiele anschnitt und das Grün mit ihnen kombinierte, hörte er Schritte aus dem Flur. In Gedanken zählte Martin bereits von drei abwärts und lauerte auf das Donnerwetter seines Freundes, das sicherlich nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Zwei.
Eins.
»Was ist das?«
Wenn es darum ging, war Darius wirklich pünktlich, dachte Martin amüsiert.
»Wonach sieht es denn aus?«
»Salat? Blumen und noch mal Salat?« Was wusste Darius auch schon von Botanik. Alles nur unnötiges Grünzeug, genau wie Spinat.
»Salat?« Den Kopf zu seinem Freund drehend, blickte Martin ihn mit belustigter Miene an. Den schlagartig aufkommenden Drang zu lachen, versuchte er vehement zu unterdrücken. Immerhin wollte er Darius nicht für seine Unwissenheit auslachen.
»Ja, was sonst? Gestrüpp, Kraut, Busch und Gänseblümchen … such’ dir was aus.« Sich auf den Stuhl setzend, lehnte sich Darius mit beiden Armen über den Tisch und betrachtete Martins Handbewegungen. »Warum schneidest du die kaputt? Jetzt kannste sie doch wegschmeißen. Ist das ’ne Osterglocke?«
»Schatz», begann Martin bereits grinsend, »davon ist nichts verzehrbar. Also ist es auch kein Salat …«
»Warum liegt es dann auf dem Esstisch, wenn es nicht essbar ist?«, fiel der Blonde seinem Freund ins Wort und verzog das Gesicht zu einer Miene, als glaubte er Martin kein einziges Wort.
»Weil ich sie anschneide, um sie gleich in die Vasen zu stellen.« Die Lippen zu einem Schmunzeln verziehend, fuhr Martin mit seiner Arbeit weiter fort und griff zu der nächsten Pflanze, die, wie die anderen auch, durch einen Schnitt mit dem Messer ein kleines Stück ihres Stieles verloren.
»Warum?« Der Blonde lehnte sich im Stuhl zurück und griff nach dem Schleierkraut, das er sich genaustens ansah.
»Wie, warum? Es ist Frühling und ich möchte davon etwas im Haus haben. Darum.«
»Sag’ das doch gleich.«
»Oh Mann …«, stöhnte Martin.
—
»Darius!« Nach seinem Freund suchend, schaute er zuerst in der Küche nach, dann auf der Terrasse, da die Tür nur angelehnt war.
Es war unfassbar. Martin war nur zwei Stunden weg gewesen und der Kerl brachte ihm einen halben Baum in sein Wohnzimmer. Überall lagen verteilt lose Blätter und Erde herum. Mit eiligen Schritten zur Terrassentür gehend, stieß er diese auf und fand den Anderen mit einer kleinen Säge in der Hand an seinem geliebten Kirschbaum, der jetzt bildlich gesprochen einen Kopf kürzer war.
»Darius!«
Der Angesprochene zuckte zusammen und rutschte mit der Säge ab, direkt in seine linke Hand.
»Mann! Musst du mich so erschrecken? Jetzt hab’ ich mich geschnitten wegen dir …« Mit leidendem Blick und an seinem Daumen lutschend, wandte sich Darius seinem Freund zu, der ihn mit angesäuertem Gesichtsausdruck taxierte. Die Hände in die Hüfte stemmend, kam er auf ihn zu.
»Was. Hast. Du. Mit. Meinem. Kirschbaum. Gemacht?« Martins eben noch vor Zorn verzogenes Gesicht, änderte sich in ein besorgt aussehendes, als Martin die Hand an den Baum anlegte und dessen Schmerz zu spüren glaubte.
»Mein schöner Kirschbaum …«, jammerte der Schwarzhaarige leidlich.
»Ja, einen Teil habe ich ins Wohnzimmer gestellt, haste den gesehen? Ich dachte wir stellen den in eine Ecke in einen dieser Töpfe aus dem Keller …«
Martin drehte sich um und augenblicklich verdüsterte sich seine Mimik.
»ICH STECKE DICH GLEICH IN EINEN DIESER TÖPFE!!!« Nach Luft ringend, hob er seine Hände und legte sie sich an den Kopf.
»Was denn? Du wolltest Frühling im Haus haben … haste jetzt. Und jetzt ist es auch wieder falsch … «, murrte Darius und betrachtete wehleidig seine eigene Schnittwunde.
»ABER DOCH KEINEN BAUM. BLUMEN, JUNGE, BLUMEN …« Martin sprang sinngemäß im Sechseck und redete sich in Rage.
»Kirschen blühen bald, also ist es ’ne Blume am Baum. Und die wollte ich dir ins Haus stellen, weil du sie so liebst. Und ich liebe Dich und wollte dir eine Freude machen.«
»Die ist dir wunderbar gelungen«, knurrte der Schwarzhaarige ironisch und wandte sich zum Gehen ab.
»Sieh zu, dass du den Dreck weg machst. Ich fahre noch einmal in die Stadt und bin in einer Stunde zurück. Danach will ich nichts mehr davon sehen. Verstanden?«
Irgendwie tat es Martin leid, seinen Freund derart anzukoffern, aber was der gemacht hatte, war einfach nicht zu fassen.
Und während der Schwarzhaarige im Haus verschwand, lief Darius eine einzelne Träne an seiner Wange herunter. »Ich habe es nur gut gemeint, Schatz«, flüsterte er vor sich hersagend und nahm sich vor, das eben fabrizierte wieder rückgängig zu machen.