Nachdem das kleine Familientreffen beendet war, saßen die beiden Jungs, Darius und Martin, wieder im heimischen Wohnzimmer und lümmelten auf der Couch, während sie einen Film schauten. Eigentlich sah nur Darius zum Fernseher, da Martin etwas ganz anderes beschäftigte.
Zuvor hatten sich Darius’ und Martins Familie bei Darius’ Schwester Elena getroffen und verbrachten dort einen schönen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen. Jeder brachte etwas mit. So machten sie es schon seit einigen Jahren, um alle unter einen Hut zu bekommen. Der Grund war, dass sie die Namen für das diesjährige Wichteln ausgelost hatten. Alle Namen wurden auf einen kleinen Zettel geschrieben, gefaltet und in einen Topf geworfen. Jeder zog abwechselnd einen davon und musste sofort nachsehen, ob nicht der eigene Name erwischt wurde. Wäre das geschehen, dann mussten alle Zettel erneut gemischt werden, bis wirklich jeder ein anderen Namen hatte.
Die Neugierde in Martin ließ einfach nicht locker und er wollte es unbedingt wissen – wie jedes Jahr. »Und, wen hast du gezogen?«, fragte er den Blonden, »Erika? Elena? Meine Mutter? Mein Papa? Meinen Bruder? Mich?« Nach jedem Namen machte er eine kurze Pause und achtete auf irgendeine Regung seines Freundes. Allerdings war der Blonde ein richtiges Pokerface und hatte sich ein Dauergrinsen in das seinige Gesicht gepflastert – ohne eine weitere Miene zu verziehen. Martin hielt es nicht mehr aus. Er nahm sich einen Spekulatius aus der goldenen Blechdose, die auf dem Tisch stand und knabberte den Keks hastig vor sich hin. Dies war dem nervösen Nägelkauen vergleichbar nahe. »Jetzt sag’ schon!«, forderte der Schwarzhaarige und taxierte Darius erneut. Es folgte der zweite Plätzchen.
»Schatz, du wirst nichts von mir hören. Gar nichts. Nada. Niete. Du kennst das Spiel doch! Secret Santa wird nicht verraten. Du versuchst es aber auch immer wieder, was? Übrigens, du krümelst das ganze Sofa voll.« Darius musterte abwechselnd Martin und die etlichen Kekskrümel auf dem Sofa und der Wolldecke mit belustigter Miene, und konnte Martins Wissensdurst nahezu in der Luft greifen.
»Och menno. Dann gib’ mir wenigstens ’nen Tipp! Elena hat’s mir auch verraten.« Er, Martin, fegte mit der Hand die Krümel auf den Boden und griff zum nächsten Plätzchen und musterte Darius erneut, während er das Gebäck aß.
»Okay, pass’ auf! Er ist groß, fett und trägt ’n roten Fummel, hat ’ne lüsterne Alte an seiner Seite, die auf lange süße Dinger steht und ...«
»Okay, es reicht. Du bist unmöglich! Ich habe es begriffen.« Martin war mit den Tipps ganz und gar nicht zufrieden, die ihm sein Freund gegeben hatte. Was wäre auch schon dabei gewesen, es zu wissen, dachte er und griff sich einen weiteren Spekulatius. Darauf folgten zwei Dominosteine, die er beide gleichzeitig in den Mund steckte.
Der Blonde lehnte sich zufrieden zurück, grinste siegessicher und musste jetzt bei dem Anblick seines Freundes laut auflachen, als dieser mit vollen Hamsterbacken kaum den Mund schließen konnte. »Schmeckt’s?«, lachte er, »wen hast du denn gezogen?« Eigentlich war es ihm egal, aber er spielte dieses Spiel nur zu gerne mit. Zu sehr amüsierte ihn Martins Essensverhalten.
Kurz stoppte der Schwarzhaarige in seiner Tätigkeit, nickte und knabberte weiter. »Ich sage es dir nicht. Du sagst es mir ja auch nicht.« Trotzig griff er zum nächsten Gebäck und nagte erneut an diesem. Beleidigt schaute er wieder zum Fernseher und griff nach der Blechdose, die er jetzt auf seinen Schoß stellte.
»Auch gut«, sagte Darius und zuckte mit den Schultern, »du krümelst immer noch alles voll.« Amüsiert sah er seinem Freund dabei zu, wie dieser erneut die Krümel von sich schüttelte. »Wenn du weiterhin so frisst, kannste den Santa bald selbst spielen.« Darius genoss es, dass der Schwarzhaarige die Neugierde nicht verstecken konnte. Es waren immer die selben Anzeichen. Entweder griff sein Freund zu Süßigkeiten oder kaute an seinen Nägeln. Weshalb Martin dieses Spiel immer so spannend fand, war Darius bis heute ein Rätsel geblieben. Denn, wer wen gezogen hatte, spielte doch eigentlich keine Rolle und sollte auch nicht verraten werden. Dass der Blonde seinem Freund aber einen versteckten Hinweis gegeben hatte, hatte sein Freund gar nicht bemerkt.