Im Schatten des Daches der Strandbar saßen Darius und Martin auf jeweils einem Hocker und genehmigten sich bereits ihren dritten Cocktail. Obwohl sie an der Ostsee waren, liefen rhythmische Klänge aus den Lautsprechern, die in südlichen Ländern ihren Ursprung hatten. Als Darius aus heiterem Himmel auflachte, blickte Martin auf.
»Was ist so witzig?«
»Kennste schon den hier? Was ist ein Lebrakranker mit weißen Haaren?«
»Keine Ahnung.«
»‘Ne Pusteblume.«
»Der war mies, Darius.«
»Hey! Das ist der Witz des Tages.«
»Sagt wer?« Unbeeindruckt trank Martin seinen Caipirinha.
»Na, die Onlinezeitung. Hier ist noch einer: treffen sich zwei Unterhosen in der Waschmaschine. Sagt die eine: „Wow bist du schön braun. Warst du im Urlaub?“«
»Der war auch schlecht. Außerdem hat der schon so einen Bart«, sagte Martin und vollführte eine Handbewegung von seinem Kinn abwärts.
»Was bist du denn heute für ein Miesepeter? Das ist mein Job, nicht deiner.« Darius legte sein Smartphone auf die Theke und griff nach seinem ‚Sex on the beach‘, den er mithilfe eines Strohhalms trank.
»Nur weil ich über diesen Mist nicht lachen kann, heißt das nicht, dass ich ein Miesepeter bin.« Dass sein Freund sich über diese schlechten Witze amüsierte, konnte Martin nicht verstehen. Da waren die Erzählungen seines Vaters noch lustiger und das sollte schon was heißen.
»Hey Jungs, ich kenne aber einen richtig Guten«, sagte der Barkeeper, der sich zu ihnen herumgedreht hatte, während er weiterhin ein Glas mit einem Tuch abtrocknete.
»Hau raus«, meinte Darius und musterte interessiert den jungen Sunnyboy hinter der Theke.
Dieser legte Tuch und Glas an die Seite und stützte sich mit beiden Händen auf die Theke. »Na gut. Mutter und Vater nehmen ihren sechsjährigen Sohn mit zum Nacktbadestrand. Als der Junge so am Strand umherläuft, bemerkt er, dass viele Frauen größere Brüste haben als seine Mutter. Also geht er zurück und fragt seine Mutter danach. Sie sagt ihrem Sohn: „Je größer die Brüste, desto dümmer ist die Frau.“
Der Junge ist zufrieden mit der Antwort und geht zurück ans Wasser, um zu spielen. Als er wieder zurückkommt, sagt er seiner Mutter, dass viele Männer ein größeres Ding haben als sein Vater. Sie sagt ihrem Sohn: „Je größer die Dinger sind, desto blöder sind die Männer.“
Zufrieden geht der Junge wieder zum Wasser zurück.
Kurz danach kommt der Junge erneut zurück und berichtet seiner Mutter: „Papa spricht mit der dümmsten Frau am Strand und je länger er spricht, desto blöder wird er dabei.“«
Durch sein lautes Lachen zog Darius die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich. »Der war echt gut.«
Martin bemühte sich eines Lächelns und setzte rasch das Cocktailglas an seine Lippen, damit sein Schauspiel nicht aufzufallen drohte.
»Ja, fand ich auch, als ich den zum ersten Mal gehört habe«, bestätigte der Barkeeper und nahm seine Arbeit wieder auf.
Währenddessen rannte ein kleiner Junge laut nach seiner Mama rufend auf die Strandbar zu. Mit seinen leuchtend roten Haaren fiel er sicherlich jedem Strandbesucher auf. So auch Darius, der sich nach dem Kind umsah. »Hey du! Mach hier nicht so ein Theater!«
»Darius«, zischte Martin seinem Freund zu. »Lass das Kind in Ruhe.«
Wie auf Kommando blieb der Junge stehen und blickte zu Darius herüber. »Ich will zu meiner Mama. MAAAAMAAAAAAAA!«
»Schrei hier gefälligst nicht so rum. Du bist hier nicht alleine am Strand.« Zunehmend verfinsterte sich Darius Blick. Schreiende Kinder hatten ihm gerade noch gefehlt. Er wollte doch nur Urlaub machen und sich nicht von so einem Quälgeist stören lassen.
»Wir sind …«, der Rothaarige zählte an seinen Fingern ab, »acht. Und was willst du Blondie jetzt von mir?«
Wie bitte? Hatte der Kleine ihn wirklich so genannt? Na, der traute sich ja was. »Dass du deine Klappe hältst, Feuermelder.«
»Kai-Uwe, was haste wieder ausgefressen, du Arsch? Na, wird's bald? Spuck's aus«, mischte sich eine Frau mit schlecht blondierten Haaren und in einem Flecktarnbikini gekleidet ein. Sie näherte sich dem Geschehen und blieb vor dem Kind stehen, während sie die Asche ihrer Zigarette in den Sand schnippte. Dann sah sie auf zu Darius. »Und du, du Biberverschnitt, tu hier nicht mein Kind beleidigen. Sowas ist voll asozial.«
Darius hob beschwichtigend seine Hände und verhielt sich ruhig, während Martin sich irgendwie kleinzumachen versuchte.
»Ich, ich wollte dir nur was zeigen. Wir haben einen Seestern gefunden und Schantalle einen Krebs«, erwiderte der Junge.
»Ihr sollt nicht mit die Meerestiere spielen tun, das hab ich euch doch schon tausendmal gesagt. Und wo tut sich deine andere Schwester rumtreiben?«
»Da vorne bei so einem Jungen.«
»Was für ein Junge?«
»Keine Ahnung. Aber die tun sich immer küssen«, ließ er seine Mutter wissen und kicherte.
»Tu deine Schwester sofort hierherholen«, brauste die Mutter auf und murmelte: »Wird Zeit, dass das Fräulein ein paar Takte von mir zu hören bekommt.«
»SCHACKELIIIIIINE! DU SOLLST BEI DIE MAMA KOMMEN!«
»Geh hin und tu s’e holen.« Mit gerötetem Gesicht wandte sich die Frau von ihrem Kind ab, entfernte sich und setzte sich daraufhin auf einen Hocker am anderen Ende der Strandbar. Währenddessen lief das Kind beschwingt los und rief abermals den Namen seiner Schwester.
»Alter, was war das denn gerade? Hat die Mutti mich gerade asozial genannt?«
»Und einen Biberverschnitt, ja«, ergänzte Martin und lachte zurückhaltend auf. »Die Ähnlichkeit ist mir noch nie in den Sinn gekommen, aber recht hat sie.«
»Pah! Ich sehe um Welten besser aus als dieser Heini.« Sichtlich genervt und nach dem Cocktail greifend, folgte ein abfälliges Zischen aus Darius Mund.
»Es hat doch niemand gesagt, dass du schlecht aussiehst. Was ist, trinken wir noch einen?«
»Da fragst du noch?« Darius setzte den Strohhalm an seinen Mund und nach wenigen Zügen folgte ein blubberndes Geräusch.
So bestellten sie sich beide jeweils noch eine Piña Colada und genossen diese mit dem Blick aufs Meer.