Lag es an der herrschenden Wärme, die dich zum Schwitzen brachte, oder lag es an dem smarten jungen Mann, der dir gegenüberstehend verheißungsvoll zugezwinkert hatte? Vielleicht solltest du den Cocktail besser an die Seite stellen und dir ein Wasser genehmigen, bevor du noch hyperventilieren würdest. Dachtest du wirklich, dass dieser Abend an der Strandbar anders ausgehen würde, als die vergangenen? Du hattest bereits auf deinem Weg durch den Sand vermutet, dass er wieder hier sein würde, auch, dass er seine Augen nicht von dir abwenden konnte, sobald er dich gesichtet haben würde, war es nicht so? Und war es nicht auch so, dass du genau das wolltest, obwohl du dir geschworen hattest, keinen Mann im Urlaub kennenzulernen?
Plötzlich sprach dich der Barkeeper an und reichte dir eine weitere Piña Colada, auch wenn du deine eben erst geleert hattest. Er ließ dich wissen, dass diese von einem gewissen Marcel sei und deutete mit einem Kopfnicken in eine Richtung. Du brauchtest erst gar nicht hinzusehen, um zu wissen, wer das war. Und doch sahst du auf und eure blicke trafen aufeinander, während du dich darum bemühtest, ruhig zu bleiben. Dein Herz war da schier anderer Meinung und du spürtest, wie sich dein Puls schlagartig verdoppelte oder gar verdreifachte. Dann setzte sich der Mann in Bewegung und schien direkt auf dich zuzukommen und du schnapptest dir augenblicklich den Cocktail von der Theke. Hastig trankst du aus dem Glas und hättest dich beinahe verschluckt, als du aufblickend feststellen musstest, dass er schneller bei dir angekommen war, bevor du dein Getränk wieder hattest absetzen können.
»Hi, ich bin Marcel.« Seine Stimme bescherte dir eine Gänsehaut und augenblicklich stelltest du deinen Cocktail an die Seite, um die dargebotene Hand zu ergreifen. Wärme empfing dich und für einen kurzen Moment schien deine Stimme zu versagen.
»Jan. Danke für den Cocktail.« Räuspernd versuchtest du den Klos in deinem Hals herunterzuschlucken – vergebens.
»Sehr gerne. Darf ich mich zu dir setzen, Jan?«
»Ja, natürlich«, kam dir deine Antwort schneller über die Lippen als erwartet. Ein Schwall Hitze stieg in dir auf und nach dem Cocktail greifend floss kurz darauf auch schon die süße Flüssigkeit deine Kehle herab. Währenddessen setzte sich der junge Mann auf den Barhocker neben dir. Seine Anwesenheit machte dich nervös, aber du glaubtest zu erkennen, dass Marcel es nicht anders erging. Schweigsam saß er dar und schien über etwas nachzudenken. Fahrig fuhr er sich durch seine schwarzen Haare und brachte sie damit durcheinander. Das ließ dich Schmunzeln.
»Okay, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, aber ich bin verdammt nervös.« Mehrfach ließ er seine Hände über den blauen Stoff seiner knielangen Hose fahren. »Es ist nicht meine Art jemanden anzusprechen, aber ich musste es einfach tun. Also, ich heiße Marcel.«
Das Lachen, das du nicht zurückhalten konntest, ließ deine Anspannung verebben und dein Gegenüber verdutzt dreinblicken. »Entschuldige bitte, ich lache dich nicht aus, aber du hast dich mir bereits vorgestellt. Und wenn es dir hilft: Mir geht es genauso.«
Eine Röte legte sich auf Marcels Wangen und er öffnete den Mund, nur, um ihn daraufhin ohne ein Wort zu sagen wieder zu schließen.
»Magst du mir etwas über dich erzählen?«
Marcel nickte und begann daraufhin von sich etwas preiszugeben. Seine sanft und tief klingende Stimme zog dich unmittelbar in einen Bann. Sowohl die rhythmischen Klänge der spanischen Musik als auch das herrschende Stimmengewirr rückten in den Hintergrund, bis du nichts mehr davon zu hören glaubtest. Erst als dich etwas an deinem Arm berührte, sahst du auf, direkt in Marcels strahlend blaue Augen.
»Entschuldige, ich muss dich zu Tode gequatscht haben. Wenn ich nervös bin, dann rede ich immer wie ein Wasserfall.«
Dein Kopf schüttelte sich wie von selbst und du holtest dich ins Hier und Jetzt zurück. »Nein, das hast du nicht.« Obwohl du kaum etwas von seinen Worten mitbekommen hattest, hättest du noch Stundenlang dem Klang seiner Stimme lauschen können. Oder für immer? »Aber hat dir schon mal Jemand gesagt, dass du eine sehr angenehme Stimme hast?«
»Findest du?« Verlegen strich er sich eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn.
»Ja, und erzählst du mir auch, woher du kommst?«
»Hatte ich das nicht gerade erwähnt?«
Das hatte er ganz bestimmt, aber du hattest ja nicht zugehört und stattdessen geträumt.
»Ich glaube nicht, aber lass uns noch einen Cocktail bestellen und dann setzen wir uns da vorne an den Strand. Da sind wir ungestört und du kannst mir noch mehr über dich erzählen.« Ob er dir deine aufgetischte Notlüge abkaufte, stand auf einem anderen Blatt. Wichtig war, dass dein lebendig gewordener Sommernachtstraum, in Form eines gutaussehenden jungen Mannes, der zusätzlich an dir Interesse zeigte, noch weitaus länger an deiner Seite blieb, am liebsten ein Leben lang.
Nachdem Marcel für sich und dich noch eine Piña Colada bestellt hatte, standest du auf und bliebst vor ihm stehen. Nach dem Glas greifend beugtest du dich vor und hauchtest ihm ins Ohr: »Dich zu treffen, war der schönste Zufall in meinem Leben.« Deine Worte brachten Marcel zum Lächeln und er brauchte für dich auch nichts darauf erwidern, denn in seinen Augen stand die Antwort eindeutig geschrieben.