***Die Geschichte enthält explizite Gewalt***
Noch wehrst du dich, zerrst an deinen Fesseln, in der Hoffnung, sie würden nachgeben. Probiere es ruhig weiter und lass mich an deinem Schauspiel teilhaben. Das ist es doch, was du tust, nicht wahr? Anderen etwas vormachen und sie ohne Ausnahme hintergehen, als wäre es nur ein Spiel für dich.
Aber damit ist jetzt Schluss!
Viel zu lange habe ich dabei zugesehen und auf den passenden Moment gewartet. Es war lächerlich einfach, dich um den Finger zu wickeln.
Und nun sitzt du vor mir und siehst mir verachtend ins Gesicht. Wenn du wüsstest, wie sehr mich das animiert, mein Spiel zu beginnen. Dieses Mal wirst nicht du der Sieger sein, darauf kannst du Gift nehmen.
Mit einer fließenden Bewegung streifte der Mann sich die schwarze Maske vom Kopf und präsentierte damit sein Gesicht. Sein Mund verzog sich zu einem hämischen Grinsen, als er den entsetzten Blick in Melanies Gesicht bemerkte. Beinahe sanft legte er seine Hand an ihre Wange, betrachtete sie einen Moment lang. Er genoss den Anblick ihrer wachsenden Angst, die Panik in ihrem Blick. Aber etwas schien ihn zu stören. Er holte aus und schlug ihr mit geballter Faust brutal ins Gesicht. Sie schrie auf, doch der Knebel leistete gute Arbeit. Zufrieden sah er auf die schnell anwachsende Rötung ihrer Wange und legte seine Finger auf die Stelle. Dann beugte er sich vor und suchte ihren Blick. »Wie hat es sich angefühlt, der Schmerz? Hast du ihn genossen? Ist es nicht das, was du brauchst? Immerhin hast du sie deinen unzähligen Männern zugefügt, nicht wahr?«
Unbemerkt griff er hinter ihrem Rücken nach einem der Messer, die akkurat auf einem Tablett nebeneinander angeordnet lagen. Die Klinge ließ er im Schein der Kellerbeleuchtung kurz aufblitzen und überzeugte sich davon, keine Verunreinigungen vorzufinden. Verdreckte Arbeitsutensilien verdarben ihm den Spaß. Gemächlich führte er die Schneide zur empfindlichen Haut, Melanies Hals. Ihre Reaktion darauf blieb ihm nicht verborgen. Das rasante Pochen ihrer Hauptschlagader gab den Rhythmus an, ihr Wimmern die Melodie.
»Kannst du es fühlen?« Spielend glitt er mit der Klinge ihren Hals entlang. »Hast du immer dasselbe Messer benutzt, oder hattest du gleich mehrere?«
Melanie wurde still. Allein ihr hektisches Atmen durchschnitt die Stille. Er wusste, sie würde wissen, wovon er sprach. Leugnen war zwecklos.
»Antworte mir gefälligst!«, schrie er ihr ungehalten ins Gesicht. Sein nächster Schlag sorgte für erstickte Schreie. Außenstehende würden jetzt Mitleid mit ihr haben, da war er sich sicher. Aber wüssten sie von Melanies Doppelleben und dessen Folgen, würden sie die Situation in einem anderen Blickwinkel betrachten.
»Weißt du, ich konnte es kaum glauben, als ich hinter dein Geheimnis kam. Eine unschuldig wirkende Frau macht sich an Männer ran, benutzt sie, zu ihrem eigenen Vergnügen, und nimmt sie aus. Und damit sie ihr scheinbar lustiges Spiel fröhlich weiterführen kann, rammt sie ihnen zum krönenden Abschluss ein Messer in die Brust.« Er brachte sich zurück in eine aufrechte Position und blickte ihr kopfschüttelnd ins Make-up-verschmierte Gesicht. »Ich habe dich dabei gesehen. Es war leichtsinnig von dir, dein Opfer in der Gasse abzustechen. Hast du nie daran gedacht, es könnte Zeugen geben? Wahrscheinlich nicht, sonst hättest du dir einen anderen Ort ausgesucht, nicht wahr? Dumm nur, dass ich gerade auch dort war und dich gesehen habe. Ich muss schon sagen, du hast die Reporter und Journalisten in letzter Zeit ganz schön auf Trab gehalten. Vermutlich kennst du jeden einzelnen Bericht über dich, oder? Was spürtest du dabei? Freude? Oder einen weiteren Adrenalinkick? Bestimmt ist dir jedes Mal einer abgegangen, als du neben deinem neuen Opfer gemütlich auf der Couch lagst, so wie gestern Abend mit mir. Ich habe dich genau beobachtet, als ein weiterer Bericht in den Nachrichten lief. Dein Lächeln und der Glanz in deinen Augen sprachen Bände. Doch nun wird das Kapitel beendet, das Buch geschlossen. Ich wünsch dir eine fantastische Reise in die Hölle, du Monster!«
Er hob seine Hand mit dem Messer, bereit es ihr in die Brust zu rammen. Dabei sah er ihr ein letztes Mal abschätzig ins Gesicht. Ihr Blick ruhte auf der Klinge, doch dann starrte sie ihm in die Augen und zwinkerte. Im nächsten Moment spürte er einen höllischen Schmerz. Er senkte seinen Kopf und fand die Spitze einer Klinge vor, die weit aus seinem Bauch herausragte. Sein eigenes Messer fiel zu Boden, er selbst sackte mit weit aufgerissenen Augen zusammen, bis sie sich schlossen und sein Röcheln versiegte.
»Sorry, Mel, ich konnte nicht eher. Ich musste noch diesen Bankheini loswerden. Furchtbar der Typ«, sagte die rothaarige Frau, die sich schnellen Schrittes Melanie näherte. Sie machte sich sogleich an Melanies Fesseln zu schaffen und durchschnitt diese. »Der hat dich aber ganz schön übel zugerichtet. Wer war der Typ? Ein Psycho etwa?«
Melanie schnappte nach Luft, als ihr der Knebel entfernt wurde. »Dein Ernst? Beinahe hätte der Penner mich abgestochen«, beschwerte sie sich und tastete sogleich nach ihrem Gesicht. Zischend zog sie die Luft ein. »Scheiße, tut das weh. Wie schlimm ist es?«
»Mach dir kein Kopp, das bekommen wir mit Make-up weg. Kannst du laufen?«
»Ja, das geht.« Mel erhob sich vom Stuhl und betrachtete den toten Mann zu ihren Füßen. »So ein Psycho! Und jetzt saut der mir auch noch meine besten Gucci's ein mit seinem scheiß Blut.« Sie trat gegen den Körper. »Elli, gib mir bitte mal meine Handtasche. Die liegt da vorne auf dem Tisch. Und dann lass uns hier verschwinden.« Sie bückte sich zum Leichnam hinunter und fischte dessen Portmonee aus der Gesäßtasche. »Danke, Martin. War ganz nett mit dir, aber ich muss nun leider gehen. Du weißt doch, wie sehr ich Aufmerksamkeit brauche … und die kannst du mir in deinem Zustand wohl schlecht geben. Mach’s gut.«
»Du fandest ihn nett, obwohl der dich fast abgestochen hat?«
»Irgendwie schon, ja. Ich fand sein Geschenk echt toll. Für eine Frau, wie mich, genau das Richtige. Schau«, sagte Melanie und präsentierte ihre rechte Hand. »Einkaräter.«
»Klasse. Der ist echt hübsch«, lobte Elli den Ring anerkennend. »Ich weiß nicht, was ich falsch mache, aber gestern bekam ich schon wieder Pralinen geschenkt. Da soll noch einmal jemand sagen, Arbeiten hält schlank. So ein Schwachsinn …«
»Stell dich nicht so an. Sei netter zu ihnen, dann bekommst du auch was Besseres. Hast du meine Tasche?«
»Ja. Können wir los? Um sieben treffe ich mich mit dem Süßen vom Verlag und ich muss mich noch frisch machen.«
»Echt? Der Blonde mit der großen Nase?«
»Findest du? Besser die, als der Überbiss vom Bankheini. Gruselig …«
Melanie lachte auf und zischte im nächsten Moment vor Schmerz. »Stell dich nicht immer so an. Ist doch nur für ein paar Tage, danach bist du ihn wieder los.« Mit diesen Worten trat sie durch die Tür, Elli folgend.