»Das war die beschissenste Idee, die du jemals hattest.« Missgestimmt warf Darius das auf die schnelle zusammengelegte Zelt in den Kofferraum, das vor Nässe nur so triefte.
»Hör auf zu motzen«, protestierte Martin, während er sich nasse Haarsträhnen aus der Stirn strich. »Gestern Mittag hast du noch freudig zugestimmt und fandest meine Idee … wie waren deine Worte noch gleich? Ach ja: Hammergeil.«
»Da wusste ich auch noch nicht, dass wir den Arsch nass kriegen.« Laut fiel der Kofferraumdeckel ins Schloss.
»Laut Wetterapp sollte es auch trocken bleiben. Hier«, Martin hielt seinem Freund das Smartphone entgegen, »da steht lediglich eine zehnprozentige Regenwahrscheinlichkeit.« Siegessicher beobachtete er, wie sein Freund das Display musterte und dabei die Lippen aufeinanderpresste.
»Und wenn schon, du siehst doch, wie wir aussehen? Ich hab das Gefühl, meine Boxershort saugt sich gerade überall fest. Und wenn ich meine überall, dann meine ich auch überall!«
»Ja, schön, mein Gott! Woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass wir in ein Gewitter geraten?«
»Du weißt doch sonst immer alles. Und jetzt komm, ich will nach Hause und aus den nassen Sachen raus. Hast du noch irgendwo trockene Handtücher?« Ein Kopfschütteln war alles, was er als Antwort bekam. »Auch toll, dann sind die Sitze wenigstens auch gleich nass. Steig ein, bevor das gleich wieder losgeht.« Sein Blick richtete sich gen Himmel, der mit schweren Wolken verhangen war, und Darius nahm ein weiteres Donnergrollen wahr, dessen Niederschlag nicht mehr lange auf sich warten ließe.
»Sie sind nur aus Stoff und trocknen auch wieder. Haben wir alles?« Martins Blick ging zurück zur Wiese, auf der vor noch nicht einmal zehn Minuten noch ihr Zelt gestanden hatte.
»Was weiß ich?! Hast du diese dämliche Gaslampe von deinem Opa eingepackt? Nicht, dass du mir nachher die Ohren vollheulst, weil sie weg ist.« Die Tür öffnend, blickte Darius über das Dach hinweg zu seinem Freund und zu der Grünfläche.
»Ja, die habe ich. Und nenne sie nicht dämlich. Bisher hat sie mir immer gute Dienste erwiesen, im Gegensatz zu deiner tollen LED-Taschenlampe, die …«
»Die immer gut funktioniert hat, aber wenn jemand die Akkus aus dieser nimmt, kann sie auch nicht gehen.«
»Du weißt aber schon noch, dass du die Akkus gestern aufladen wolltest? Na, hast du wohl vergessen, was?« Martin öffnete die Beifahrertür und stieg breit grinsend ein. »Und wenn wir gleich zu Hause sind, dann gehen wir erstmal schön duschen und machen es uns auf der Couch bequem. Soll ich uns dann die Ravioli warm machen? Sonst stehen die wieder nur in der Abstellkammer herum.«
Als auch Darius sich in den Wagen setzte, blickte er stur geradeaus. »Mir egal. Ich will jetzt nach Haus.« Mit diesen Worten betätigte er die Zündung und im nächsten Moment heulte der Motor auf, als er das Gaspedal beherzt durchtrat. »Wieso fährt die blöde Kiste nicht?«
»Ich vermute, wir haben uns festgefahren.«
»Ganz toll!« Die Hand aufs Lenkrad schlagend, blickte Darius mit verengten Augen in die Ferne. »So eine Scheiße! Ruf den Pannendienst an, der soll uns hier gefälligst rausholen. Ich habe nicht vor, noch eine Nacht hier bleiben zu müssen.« Nachdem er weder ein Telefonat noch sonst eine Regung neben sich wahrgenommen hatte, blickte er zu Martin herüber. »Was ist?«
»Kein Netz« teilte Martin mit und seufzte. »Soll ich die Sitze umklappen und die Luftmat…«
»Hörst du mir nicht zu? Ich habe kein Bock in nassen Klamotten im Auto zu hocken und in dieser bekackten Gegend zu verschimmeln.«
»Hey! Du hast diesen Ort ausgesucht, nicht ich. Und jetzt fahr mal wieder runter …«
»Was habe ich bitteschön nach deiner Meinungen gerade versucht? Glaubst du, ich habe mit meinen Füßen hier unten gerade Fußball gespielt oder hoppe, hoppe Reiter?« Herausfordernd blickte Darius den anderen an.
»Vergiss es«, stöhnte Martin und ließ sich in seinem Sitz zurückfallen, den Kopf hinter seinen Händen versteckend. »Lass uns die Decken hinten rausholen und dann schlafen wir eben eine Nacht im Auto. So schlimm ist das jetzt auch wieder nicht. Und trockene Sachen haben wir auch, die wir anziehen können. Also?«
»Versuch lieber jemanden zu erreichen, bevor ich gleich ausraste.«
»Ich habe noch immer kein Netz. Versuch es doch selbst und hör auf, mich hier so anzupampen. Du bist unmöglich, weißt du das?!« Die Arme über der Brust verschränkend, blickte Martin aus dem Beifahrerfenster, als im selben Moment ein sintflutartiger Regen einsetzte und die Stille im Auto damit unterbrach.
»Ganz toll.« Wie ein bekloppter schlug Darius seine Fäuste gegen die Hupe, als wäre sie ein Boxsack, dann schrie er auf. »HILFEE!«
»Schatz, wenn die Fenster zu sind, hört dich keiner.« Sein darauffolgendes Lachen konnte Martin nicht unterdrücken. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Freund nicht nachdachte und, wie in diesem Augenblick, mehrere Schrauben locker hatte.
»Du klingst wie so ’ne Hyäne, die gerade abgeschlachtet wird, weißt du das?«
»Und du verhältst dich wie ein Opfer in einem Psychofilm«, konterte Martin.
»Du grunzt wie ein Schwein.«
»Und du boxt wie eine Lusche.«
Darius musste mit ansehen, wie sein Freund lachend irgendwelche Kampfbewegungen vollführte und der in seinem Lachen nahezu zu ersticken drohte. »Hör auf so dämlich zu lachen und mach was.«
Martins schaltete das Radio ein und erntete von dem anderen ein Stöhnen. »Bleib mal locker, ich habe eine Idee, die dir gefallen könnte.« Er kletterte zwischen beiden Sitzen hindurch auf die Rückbank, wo er an der Rückbank eine Klappe öffnete und mit seiner Hand in der Öffnung etwas zu suchen schien. Es folgte ein leises »Gott sei Dank«, als er mit einer Flasche in der Hand auf seinen Sitzplatz zurückkehrte und diese stolz seinem Freund präsentierte. »Und?«
»Und was? Wieso haben wir die nicht schon gestern getrunken?«
»Die habe ich für den Notfall eingepackt. Und der ist jetzt.« Martin öffnete die Flasche und reichte sie seinem Freund. »Wir machen es uns jetzt gemütlich.«
»Wuhuu! Und wie weit geht das?« Vielsagend hob und senkte Darius seine Augenbrauen und ein süffisantes Lächeln legte sich auf seine Lippen.
»Na, so weit, wie wir wollen.«
Und während es draußen unverändert in Strömen regnete, blitzte und donnerte, erlebten die beiden einen feuchtfröhlichen Abend, den beide wohl nie mehr vergessen würden.