Fortsetzung zu Jans Geschichte.
1. Sommernachtstraum
2. Luftschloss
3. Hoffnungsschimmer
4. Probelauf
5. Kastanien
Regungslos blicktest du in Marcels Augen, während es in dir zu arbeiten begann.
Welches Spiel spielst du?
Tausende Fragen kamen hinzu und schwirrten wie ein heilloses Durcheinander durch deinen Kopf, aber kein einziges Wort kam über deine Lippen. Stattdessen lief dir ein eiskalter Schauer über den Rücken und du spürtest, wie dich die Situation maßlos überforderte. Deine Hände begannen unaufhörlich zu zittern, so sehr, bis dir das Netz mit den Kastanien herunterfiel. Ungeachtet davon suchtest du in seinem Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen für einen ganz miesen Scherz, jedoch schien dein Gegenüber ein guter Schauspieler zu sein und ließ sich nichts anmerken. Dir fiel erst jetzt die Narbe an seiner Augenbraue auf, als er fragend diese hob und dein Gesicht ausgiebig musterte.
»Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?« Seine Worte klangen dumpf und leise, als stünde eine Wand aus Watte direkt vor dir. Er legte seine Hand auf deine Schulter und im nächsten Moment vernahmst du seinen unverkennbaren Geruch, den du aus hunderten oder gar tausenden Menschen blind erkennen würdest.
»Jetzt sag doch mal was, bitte.« Marcel rüttelte dich zaghaft. »Hast du irgendwelche Drogen genommen oder so?«
Die erste Träne lief dir die Wange herunter und dann brach alles aus dir heraus. Dein Zittern verstärkte sich und du glaubtest, jeden Moment den Halt zu verlieren. Schluchzend fragtest du: „Wo warst du? Wo warst du, als ich am Flughafen auf dich gewartet habe? Wo warst du, verdammt nochmal?«
»Wovon redest du?« Marcel wich irritiert zurück. Seinen Rückzug nutztest du augenblicklich aus und sprangst auf. In dir tobten ungezähmte Wellen der Gefühle, gegen die du nichts ausrichten konntest. Enttäuschung. Wut.
»Davon, dass du dein Versprechen gebrochen hast. Ich habe dir geschrieben, dich angerufen und ewig auf dich gewartet«, schriest du ihm entgegen, dabei stolpertest du mehrere Schritte nach hinten. »Fandest du das witzig mich zu verarschen? Und plötzlich tauchst du hier auf und tust so, als wäre nichts gewesen?« Die letzten Worte gingen in deinem Schluchzen unter, während du dir fortwährend die Tränen aus dem Gesicht wischtest.
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Wer bist du überhaupt?«
Gismo winselte und lief zu seinem Herrchen.
»Jan, heiße ich! So schnell hast du mich also vergessen, ja?«
Du machtest mehrere Schritte nach hinten, als der Vierbeiner bellend auf dich zukam. Schlagartig verkrampften sich deine Finger und das Gefühl, jemand würde dir den Hals abschnüren, ließ dich nach Sauerstoff ringen. Dann spürtest du einen Widerstand im Rücken. Keine Flucht war dir möglich.
»Ich kenne dich nicht!«, rief er und rappelte sich auf. »Gismo! Hierhin!«
Er kam schnellen Schrittes in deine Richtung und packte den Hund am Halsband. »Aus und sitz!«, gab er dem Tier zu verstehen, aber das bekamst du kaum noch mit. Das laute Dröhnen in deinen Ohren begann zu pulsieren und schwarze Punkte tanzten vor deinen Augen, die sich zu den bunten Blättern um dich herum mischten. Zunehmend wurden deine Knie weich, bis sie schließlich nachgaben und du den Halt verlorst. Noch während du wie eine aus Stein gemeißelte Statue vornüber fielst, machtest du dich auf das unausweichliche bereit, jedoch schlangen sich zwei starke Arme um dich, die dich fest an einen anderen Körper pressten und vor einen schmerzvollen Sturz bewahrten. Dann wurde alles um dich herum schwarz.