(Fortsetzung zu Traumtänzer https://belletristica.com/de/books/19214-sixty-minutes-die-challenge/chapter/85151-traumtanzer )
»Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Wahrscheinlich wäre ich jetzt obdachlos oder gleich heimatlos und würde irgendwo auf der Straße sitzen oder ziellos umherlaufen ... Danke.«
Damian saß in einer Wolldecke gehüllt auf dem Zweisitzer in Leons Wohnzimmer und weinte stumm.
»Schatz, du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken«, hallte Leons Stimme aus der Küche, »Das hätte jeder getan. Schlimm genug, dass sie so reagiert haben. Aber ich habe dich gewarnt.« Leon trat mit einer dampfenden Teetasse in das Wohnzimmer und stellte sie direkt vor Damian auf den Holztisch ab.
»Danke.« Der Blonde nahm die Tasse und pustete mehrere Male in sie hinein, trank einen Schluck und lehnte sich wieder zurück. »Ja, ich weiß. Aber ich habe wirklich das Gefühl gehabt, dass sie uns akzeptieren. Aber was soll ich jetzt machen? Ich kann doch nicht einfach hier wohnen und von deiner Kohle leben. Auch wenn sie mich nicht mehr wollen, schicken sie bestimmt das Jugendamt und verbieten dir den Umgang mit mir. Ich bin so blöd ...«, ohrfeigte er sich selbst und richtete den Blick auf den Boden. Was fanden seine Eltern daran nur so schlimm, dass er mit Leon zusammen war? Okay, er war sechs Jahre älter, aber mit siebzehn und dreiundzwanzig ist das noch im Rahmen des vertretbaren.
»Bist du nicht!« widersprach Leon und setzte sich zu seinem Freund auf das Sofa, »Schau mal, die haben eine ganz andere Vorstellung vom Leben. Für die sind wir Sünder und müssten jetzt in der Hölle schmoren. Aber weißt du was?«, fragte er und beugte sich soweit vor, dass er in Damians Blickfeld geriet, »Dann sind wir in deren Augen eben das, was sie denken. Und weißt du noch was?«
Damian schüttelte leicht mit dem Kopf und zog die Nase hoch. Nur zaghaft wandte er die Augen ein stückweit höher und sah Leon an.
»Es ist mir sowas von egal!», spuckte der Schwarzhaarige von sich, »Außerdem ist die Hölle muckelig warm. Also, jetzt mach’ dir nicht so einen Kopf. Vielleicht beruhigen sie sich auch wieder und ...«
Damians Smartphone unterbrach das Gespräch und vibrierte auf der Holzplatte. Im Display leuchtete in großen Buchstaben das Wort "Mama" auf und Damien zuckte erschrocken zusammen.
»Geh ran. Wer weiß was sie zu sagen haben«, forderte Leon und nahm das Telefon vom Tisch, dass er Damien unter die Nase hielt.
Nur zögerlich griff der Blonde nach dem schwarzen Gerät und haderte mit sich selbst, ob er rangehen sollte oder nicht. Entschied sich, aufgrund seiner Minderjährigkeit, aber dafür.
Das Telefonat war nach kurzer Zeit auch schon beendet und Damian legte das Handy zurück auf die Couchtisch. Tief Luft holend ließ er sich wieder in das Polster sinken. Das kam unerwartet.
»Und? Was haben sie gesagt?« Aufmerksam musterte Leon jede Bewegung und Mimik seines Freundes. Hoffentlich machten die Eltern jetzt kein Theater, denn, das wäre das Letzte, was sie jetzt brauchten.
»Das war Mama. Sie will, dass ich nach Hause komme und will mit mir reden. Sie hat sich entschuldigt und meinte, dass das so plötzlich kam und ich sie und Papa damit völlig überrumpelt habe. Es täte ihnen leid.« Das war eine schnelle Wendung. Aber besser jetzt als nie.
Leon atmete erleichtert aus. »Echt jetzt? Das hätte ich jetzt nicht von denen erwartet. Wow!«, staunte er und zog seinen Freund in eine Umarmung.
»Ich auch nicht. Ich weiß jetzt nicht, was du mitbekommen hast, aber ich darf heute hier bleiben. Und morgen reden wir dann in Ruhe«, murmelte Damian an Leons Hals.
»Und ich bin dabei. Keine Widerrede! Und jetzt komm’, ich bin mindestens genauso platt wie du.« Mit diesen Worten erhob sich Leon und streckte seinem Freund eine Hand entgegen, die der Blonde ergriff und sich hochziehen ließ. Kurze Zeit später lagen sie im Bett und jeder hing seinen Gedanken noch einen Moment nach, bis sie einschliefen.