Mit verschwommener Sicht sah ich auf die Fotos in meiner Hand.
Damals waren wir so glücklich gewesen und nichts hätte uns trennen können. Bis zu dem Tag, als du gegangen warst. Vor zehn Jahren warst du einfach von der Arbeit nicht mehr nach Hause gekommen und ich hatte dich mehrfach versucht zu erreichen . Stundenlang hatte ich auf dich gewartet, auf deiner Arbeit angerufen und nach dir gefragt. Sie hatten gemeint, du wärst schon vor ein paar Stunden gefahren. Deinen Kollegen hatte ich auch nicht erreichen können, obwohl ihr immer zusammen gefahren seid.
Ich wischte eine Träne weg und nahm mir das nächste Bild vor. Da waren wir in den Flitterwochen in Paris. Ich wollte eigentlich nie dorthin, aber du hattest mich damals damit überrascht und gesagt, dass du es unbedingt mit mir zusammen erleben wolltest. Du hattest mir damals gezeigt, wie schön Paris sein konnte. Ich wusste noch, dass ich panische Angst hatte, mit dir auf den Eifelturm zu gehen. Krampfhaft hatte ich mich festgehalten und du hattest mich in den Arm genommen und gesagt, dass du mich immer lieben und auffangen würdest. Egal wie hoch es gewesen wäre.
Im nächsten Bild waren wir noch jünger und gerade mal drei Jahre zusammen gewesen. Wir hatten uns so oft gestritten und hinterher darüber gelacht. Und dennoch hattest du mir immer gesagt, wie sehr du mich lieben würdest. Dieses verflixte dritte Jahr war seinem Namen gerecht geworden.
Als ich das nächste Bild ansah, konnte ich mich nicht mehr halten. Wir waren die glücklichsten Menschen im ganzen Universum gewesen. Unser Lächeln war so breit und wir sahen einfach nur glücklich aus. Deine Mutter hatte noch diese peinliche Rede geschwungen und teilte uns zum Schluss dann mit, dass sie sich viele Enkelkinder wünschte.
Unsere Gäste hatten alle gelacht aber auch applaudiert. Später sagtest du mir, du würdest mit mir ganz viele Kinder haben wollen. Eine richtige Regenbogenfamilie, waren deine Worte. Leider kam es nicht mehr dazu.
Das nächste Bild starrte ich intensiver an. Nur wir beide, auf unserem Grundstück mit einem Spaten in der Hand. Da hatten wir mit dem Hausbau begonnen und fürchterlich ausgesehen. Wir standen nebeneinander mit dieser von Schlamm besudelten Arbeitskleidung; der Spaten zwischen uns, und du hattest dein bestes Lächeln aufgesetzt. Im letzten Moment hattest du mir Schlamm durchs Gesicht gezogen, bevor der Selbstauslöser abgelaufen war. Ich war so sauer gewesen, aber du hattest mich nur ausgelacht. Als ich dir dann auch was davon in dein Gesicht schmierte, hatten wir uns noch eine ganze Zeit lang beworfen, bis wir laut lachend auf dem Boden lagen. Ich liebte dein Lachen. Ich wischte mir erneut die Tränen weg und sah das letzte Bild an. Es war von deinem Unfall aus der Zeitung. Wusstest du, dass ich es an diesem Abend schon geahnt hatte? Damals hatte ich plötzlich dieses Gefühl in mir. Es machte mich wahnsinnig und ich war so verzweifelt. Dann, als ich den Anruf bekam, brach meine ganze Welt zusammen. Unsere Welt.
Mit frischen Blumen und einer Kerze ging ich dich besuchen. Ich stand nun vor deinem Grab und starrte auf deinen Stein, stellte die Blumen in die Vase und zündete die Kerze an. Ich wusste doch, wie sehr du die Dunkelheit nicht mochtest. Einen Moment verweilte ich noch und legte das letzte Foto aufs Grab. Es zeigte unseren zehnjährigen Sohn bei deiner Mutter im Garten.
Ich sollte dich lieb von ihr grüßen.
Das verblichene Foto vom letzten Jahr nahm ich wieder an mich. Nächstes Jahr würdest du wieder eins bekommen. Und irgendwann, dann würde auch ich wieder bei dir sein und nichts wird uns dann mehr trennen können.
ENDE