In den nächsten Wochen war ich immer wieder kurz davor, Toby oder Roger eine Nachricht zu schreiben und mich mit ihnen zu treffen. Mittlerweile hatte ich auch ihre Nummern wieder ins Handy eingespeichert, die sie mir wie erwartet noch am selben Abend geschickt hatten. Einerseits wollte ich sie wiedersehen, sie wieder meine Freunde nennen dürfen, andererseits hatte ich Angst, was dann passierte. Zu gut hatte ich in Erinnerung, wie unsere früheren Treffen abgelaufen waren. Ich konnte nicht da weitermachen, wo wir aufgehört hatten.
Immer wieder hatte ich das Handy zur Hand genommen und versucht, eine Nachricht zu verfasst. Doch jedes Mal, wenn ich ihre Nummer aufrief, um etwas zu schreiben, hatte ich dasselbe Bild im Kopf. Es war nur ein kurzer Text, der vor meinen Augen auf dem Display aufleuchtete, die letzte Nachricht, die ich von ihnen per SMS erhalten hatte. Eine kleine, neckische Erinnerung an ein Versprechen unter Freunden, die nichts zu bedeuten hatte, außer: Ich denke an dich und wünsche dir einen schönen Tag. Dennoch hatte sie so viel kaputt gemacht.
Gerade saß ich wieder mit dem Handy in der Hand auf dem Bett und versuchte die Worte wegzublinzeln, von denen ich wusste, dass sie nur in meinem Kopf existierten. In Wirklichkeit war die Nachricht bis auf den Empfänger leer. Trotzdem blieben die Worte, die sich in meine Erinnerungen gebrannt hatten: ›Alles Gute zum 18. von Roger und mir. Ich freu mich auf unser Date ;)‹
Ich kniff die Augen fest zusammen, versuchte, die Worte und Erinnerungen zu verdrängen. Das war vorbei! Mir würde nichts mehr passieren, wenn ich ihnen schrieb. Ich hatte keinen Grund, Angst davor zu haben.
Als ich die Augen wieder öffnete, war die Nachricht weg, das Display erloschen. Seufzend entsperrte ich es wieder. So würde ich es nie schaffen, ihnen zu schreiben. Zumal ich noch nicht einmal genau wusste, was ich schreiben sollte.
Ich schrak zusammen, als das Handy plötzlich in meiner Hand vibrierte und klingelte und ließ es fast fallen. Einen Moment starrte ich verwirrt auf die Anzeige. Erst als ich realisierte, dass es nicht einfach so damit aufhören würde, nahm ich den Anruf seufzend an. Das hatte mir gerade noch gefehlt. »Hallo, Dad.«
»Guten Abend, Isaac. Stör ich?«
»Nein. Was gibt es denn?« Mein Vater hätte sich niemals von sich aus gemeldet, wenn er nicht irgendetwas von mir wollte. Also konnte ich auch gleich die höflichen Floskeln bleiben lassen und zum Punkt kommen. Das würde Zeit und Nerven sparen.
»Könntest du mir einen Gefallen tun und morgen auf Dave aufpassen? Rose und ich haben spontan einen wichtigen Termin.«
Ich hatte es ja geahnt. Er würde niemals anrufen, um einfach mal zu fragen, wie es mir ging oder wie es in meinem Leben lief. Er hatte nicht einmal beim Umzug geholfen, obwohl wir die zusätzlichen Hände und das Auto wirklich gut hätten gebrauchen können. Aber ich hatte es auch ohne ihn geschafft. Genau wie vieles andere, seitdem ich bei ihm ausgezogen war. Ich war nicht auf ihn angewiesen.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Hätte es nicht Dave gegeben, hätte ich vermutlich den Kontakt schon lange komplett abgebrochen. Doch wenn es um meinen kleinen Bruder ging, konnte ich ihm nichts abschlagen. »Geht klar. Wann soll ich ihn abholen?«
»Wenn es geht vor neun. Vielen Dank. So schnell hätten wir keinen Babysitter mehr bekommen. Wir sehen uns dann morgen«, verabschiedete er sich direkt wieder und legte auf, bevor er meine Antwort hören konnte. Warum hätte er sich auch länger mit seinem Sohn beschäftigen sollen als unbedingt nötig?
»Bye«, murmelte ich dennoch dezent genervt.
Sie hätten nicht nur so schnell keinen Babysitter gefunden, sondern auch nicht so günstig. Denn natürlich setzten sie voraus, dass ich mich unentgeltlich um meinen kleinen Bruder kümmerte. Ich tat das zwar gern, aber der Kleine war auch nicht gerade günstig. Ich konnte ihn ja schlecht den ganzen Tag in meiner kleinen Bude bespaßen, da würden wir beide völlig durchdrehen. Also musste ich mit ihm irgendwas unternehmen. Und das war bei einem Zehnjährigen grundsätzlich mit nicht geringen Kosten verbunden.
Mir wäre aber auch nie im Leben eingefallen, sie um Geld dafür zu bitten. Diese Genugtuung gönnte ich dem Drachen nicht. Immerhin stand ich auf eigenen Beinen, seitdem ich siebzehn war, obwohl weder sie noch Dad mir das zugetraut hatten. Ich würde nach dem Preis, den ich für meine Eigenständigkeit gezahlt hatte, jetzt nicht anfangen, um Unterstützung zu betteln.
Ich legte das Handy weg und suchte nach meinem Portemonnaie. Da sich der Monat dem Ende neigte, herrschte entsprechend Ebbe. Nachdem ich das Geld zur Seite getan hatte, das ich für die nächsten Tage brauchte, um nicht zu verhungern, blieben noch fünf Dollar über. Und meine Kreditkarte war noch vom letzten Monat hoffnungslos überzogen. Ich hatte fast alle Möbel neu anschaffen müssen, da die Einrichtung in der WG dem Wohnheim gehörte und Dad und Rose die Möbel aus meinem alten Kinderzimmer nicht herausgerückten. Die vielen Partys im letzten Monat hatten meine finanzielle Situation auch nicht verbessert.
Dann blieb also nur noch einer der kostenlosen Pools in der Stadt. Wenn ich vorher ein paar Snacks besorgte, dann würde ich hoffentlich bis zum Ende des Monats mit dem restlichen Geld auskommen. Musste ich eben den Gürtel enger schnallen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich die Besorgungen noch problemlos erledigen konnte.
Auf dem Weg zur Bahn informierte ich Lance, was ich am nächsten Tag vorhatte, und lud ihn ein mitzukommen. Dave würde sich darüber freuen und ich musste mich nicht den ganzen Tag allein mit dem Kind herumschlagen. Irgendwann wurde das auch langweilig.
Natürlich sagte Lance zu und wollte selbst noch ein wenig Verpflegung mitbringen. Er konnte sich wohl denken, dass ich wie immer knapp bei Kasse war.
Wie ich mir schon gedacht hatte, waren Dad und der Drache nicht begeistert, dass ich Dave auf der Maschine mitnehmen wollte, aber das war mir mittlerweile herzlich egal. Ich hatte keine Lust, an einem heißen Sommertag mit der T zu fahren. Ich stand zwar auf verschwitzte Körper, die sich an einander rieben, aber sicher nicht auf diese Weise.
Schnell ließ ich Dave seine Schwimmsachen zusammensuchen, während ich mir die Belehrung seiner Eltern anhörte, dass ich auf ihn aufzupassen hatte, dass er nicht ins Wasser durfte, wenn er gegessen hatte, dass er eingecremt werden musste und so weiter und so fort. Ich kannte die Litanei bereits und nickte sie nur ab.
Als wir uns verabschiedeten, wünschte Dad uns immerhin noch viel Spaß. Wenigstens manchmal erinnerte er sich daran, ein wenig nett zu sein.
Fast gleichzeitig mit Lance kamen wir am Pool an und sicherten uns ein Plätzchen. Da Lance mit dem Auto gekommen war, hatte er, neben etwas Verpflegung und seinen Badesachen, auch eine Decke, sowie seine Gitarre dabei.
Dave nahm nur kurz begeistert wahr, dass mein bester Freund auch anwesend war, dann sprintete er zu den Umkleidekabinen. Ich folgte ihm, während Lance auf unsere Sachen achtete.
Als wir alle umgezogen waren, musste zuerst Lance als Spielpartner im Pool herhalten. Mir war es ganz recht, dann konnte ich ein wenig die Umgebung beobachten. Denn kaum war ich aus der Umkleide getreten, hatte ich tastende Blicke auf mir bemerkt, war aber mit Dave zu beschäftigt gewesen, um genauer auszumachen, wer da ein Auge auf mich geworfen hatte.
Ich entdeckte einen Kerl am anderen Ende des Pools, der mich mit seinem Blick fixierte und scannte. Sobald ich in seine Richtung sah, schlich sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen.
Gut, dann wusste ich, wohin ich den restlichen Tag nicht mehr schauen würde und wem ich aus dem Weg gehen musste. Ich war nicht interessiert und wollte ihm keine Hoffnungen machen, indem ich ihm nähere Beachtung schenkte.
Beim Umsehen entdeckte ich dafür aber ein paar ansprechende junge Damen in unmittelbarer Nähe.
Schade, dass wir den Kleinen dabei hatten, denn schon beim kurzen Herübersehen hatte ich den Blick von Zweien einfangen können. Doch leider war es fast unmöglich, in Begleitung von Dave einen One-Night-Stand zu organisieren, ohne ihn Dinge hören zu lassen, die nicht für seine Ohren bestimmt waren. Vor allem würde er das überall herumerzählen. Er war noch immer ein richtiges Plappermaul.
Auch Lance schien fündig geworden zu sein, denn er spielte nicht mehr alleine mit Dave, sondern hatte weibliche Gesellschaft. Für meinen besten Freund war die Nervensäge definitiv ein Segen, weshalb er gerne zu solchen Gelegenheiten mitkam. Im Gegensatz zu mir hoffte er nämlich noch immer auf die Richtige und das Kind war ein wahrer Frauenmagnet, der auch noch zwanglose Gespräche möglich machte.
Nach gut einer halben Stunde trieb Lance meinen kleinen Bruder, dessen Lippen bereits blau anliefen, aus dem Schwimmbecken. Ich suchte Becher, sowie Snacks und Getränke aus meinem Rucksack und breitete sie auf der Decke aus. Fast augenblicklich stürzte sich der Kleine darauf.
Nachdem wir alle etwas gegessen hatten, kamen zwei Jungs auf uns zu, die etwa in Daves Alter waren. »Hey, wir suchen noch jemanden zum Fußballspielen. Machst du mit?«
Dave sah mich fragend an und sprang auf, sobald ich genickt hatte. Schnell rief ich hinterher: »Aber bleibt in Sichtweite!«
Lance lachte auf. Als ich ihn fragend ansah, erklärte er: »Du wirst immer noch zur Glucke, wenn es um Dave geht. Er ist doch nicht mehr vier!«
Beleidigt schnaufte ich. »Nein, aber auch erst zehn.«
»Du erinnerst dich, was wir so alles angestellt haben, als du zehn warst?«, fragte er mit einem breiten Grinsen.
Ich grinste zurück. Natürlich erinnerte ich mich. Wir waren jeden Tag nach der Schule durch das Viertel gestreift. Spielplätze waren langweilig, wenn man auch einfach Hinterhöfe zum Spielen nutzen konnte. »Das war etwas anderes. Immerhin ...«
»Immerhin sind wir in Robbury aufgewachsen«, vollendete er meinen Satz anders, als ich es vorgehabt hatte und erinnerte mich damit daran, dass wir zum Teil einfach unglaublich Glück gehabt hatten, dass uns nichts passiert war.
Genervt verdrehte ich die Augen. Er wusste genau, dass ich diesen Kosenamen für das Viertel nicht leiden konnte.
Beruhigend sprach er weiter auf mich ein: »Hier passiert schon nichts. Entspann dich mal.«
»Ist ja gut«, gab ich nach. Er hatte ja recht, hier würde sicher deutlich weniger passieren.
Ich lehnte mich zurück auf die Decke und bediente mich an den Keksen. Lance tat es mir gleich.
»Hast du dich eigentlich schon beim Duo gemeldet?«, fragte er nach einer Weile, in der wir einfach nur geschwiegen und unseren Gedanken nachgehangen hatten.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hab doch gesagt, dass ich das für keine gute Idee halte.«
»Und warum nicht?« Sein Tonfall machte deutlich, dass ihm meine Antwort ganz und gar nicht gefiel. »Du könntest mal wieder ein paar wirkliche Freunde gebrauchen. So weit ich weiß, ist außer mir keiner mehr übrig.«
»Ich weiß!« Böse sah ich ihn an. Auf die Erinnerung hätte ich gut verzichten können. Doch bevor ich mich aufregte, widmete ich mich lieber dem Auslöser des Gesprächs. »Aber ich kann nicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben.«
»Sorry, aber manchmal muss man dir einfach die Wahrheit sagen.« Lance zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Es hörte sich für mich aber nicht so an, als würden sie unbedingt darauf bestehen, genau da weiterzumachen. Kannst du ihnen nicht einfach vertrauen, dass sie wirklich nur mit dir befreundet sein wollen?«
Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Du kennst die bei...«
»Schon gut, ich weiß, dass das utopisch ist«, gab er mit einem Seufzen nach. Dann verhärtete sich sein Blick. »Aber verdammt, willst du dich ewig verstecken? Behaupte nicht, du hättest nicht bemerkt, dass dir der Lockenkopf da hinten, die ganze Zeit auf den Arsch starrt. Das bekomm ja selbst ich als Hete mit. Früher hättest du dir wenigstens seine Handynummer besorgt, statt verbissen zu versuchen, nicht zu ihm zu schauen. Es verlangt ja keiner, dass du sie gleich bei ihnen zu Hause triffst, aber wenigstens mal in ’nem Club oder sonst wo, wo noch andere Menschen sind. Wenn du willst, komm ich auch mit. Verdammt, ich will doch einfach nur meinen besten Freund wiederhaben! Oder ist das wirklich das Leben, das du führen willst? Immer behaupten, dass dich Kerle nicht interessieren und dann betrunken in irgendwelchen Betten rumvögeln?«
»Nein, aber ich kann das einfach noch nicht. Verstehst du das denn nicht?« Wie stellte sich Lance das denn vor? Dass ich einfach so tun konnte, als wäre nichts passiert? Dass ich einfach wieder dazu übergehen konnte, mit jedem zu flirten, der mir gerade passte, nachdem mir so lange jeder falsche Blick zu einem anderen Mann Ärger eingehandelt hatte?
»Nein«, war die klare Antwort. »Ich verstehe nicht, warum du es nicht einmal versuchst. Es geht doch nur darum, dich mit einem von ihnen zu treffen und zu reden. Kein Körperkontakt und erst recht kein Sex. Einfach nur reden und Zeit im selben Raum verbringen.«
»Ich überleg es mir, okay? Ich kann wirklich nichts versprechen«, versuchte ich abzuwiegeln und das Thema fallen zu lassen.
»Du wirst es nicht tun«, stellte er nüchtern fest, ließ das Thema aber dennoch fallen.
Wir blieben ruhig nebeneinandersitzen, bis Lance irgendwann schweigend aufstand und noch einmal schwimmen ging. Ich sah mich kurz nach Dave um und fand ihn noch immer beim Fußballspielen.
Während ich meinen Bruder beobachtete, legte sich auf einmal ein Schatten über mein Gesicht. Mein Blick wanderte nach oben und ich sah den Lockenkopf, der sich neben mich gestellt hatte.
Wow, so von Nahem sah er echt gut aus.
Selbstsicher lächelte er mich an. »Hey.«
»Hallo. Sorry, kein Interesse«, machte ich es dennoch kurz und schmerzlos. Ich fand es nicht fair, Leute ewig hinzuhalten, wenn man nicht interessiert war.
»Oh, so direkt, das gefällt mir«, meinte er nur unbeirrt und ließ sich neben mir nieder.
Genervt verdrehte ich die Augen. Manchmal war meine Ausstrahlung echt ein Fluch. Es war ja schön und gut, wenn die meisten Leute einen attraktiv fanden, aber in solchen Momenten nervte es total. Gut, dann musste ich eben direkter werden: »Alter, ich meine es ernst. Ich hab kein Interesse.«
Sein Grinsen vergrößerte sich. »So schüchtern? Na komm schon, gib mir ’ne Chance. Du weißt ja gar nicht, was dir entgeht.«
Na, Selbstvertrauen hatte der Kerl ja. Vielleicht ein wenig zu viel, aber nicht auf abstoßende Art.
Unweigerlich musste ich grinsen. Wie oft hatte ich diesen Spruch Mat gegenüber gebracht, wenn er mal wieder beteuerte, kein Interesse an mir zu haben?
Doch scheinbar wurde mein Grinsen missverstanden. Er griff nach der Sonnencreme, die neben mir lag. »Na geht doch. Das Lächeln steht dir besser, als dieser grimmige Blick. Du hast da übrigens eine Stelle an der Schulter vergessen, die wird schon ganz rot. Moment, ich helf dir eben.«
Als er die Hand nach mir ausstreckte, gefror mein Grinsen augenblicklich und ich fauchte ihn angriffslustig an: »Fass mich an und ich brech dir jeden Finger einzeln!«
Er hielt in der Bewegung inne, sah mich mit geweiteten Augen an. Dann sprang er auf und tat einen Schritt von mir weg. »Fuck! Was bist du denn für’n homophober Spinner?!« Er ließ die Flasche fallen, die mich daraufhin am Arm traf, und eilte hastig zu seinem Platz zurück, brachte so viel Abstand zwischen uns wie nur möglich.
Frustriert schlug ich die Hände über dem Gesicht zusammen. Scheiße, ich hasste es! Warum konnte ich ihm nicht wie jeder normale Mensch klarmachen, dass ich nicht angefasst werden wollte, sondern musste ihn gleich so angehen? Ich hätte ihm auch einfach sagen können, dass ich das lieber selbst machte, und mich freundlicherweise ein wenig mit ihm unterhalten. Eigentlich hatte er ja ganz nett gewirkt und seine selbstsichere Art war auch nicht gerade unattraktiv gewesen. Doch die Vorstellung von seinen Händen auf meiner Haut, die sich unweigerlich in meinen Kopf geschlichen hatte, hatte dafür gesorgt, dass ich direkt auf Abstand ging, ihn schnellstmöglich vertrieb. Er hätte mich mit seinen großen, starken Händen problemlos festhalten können! Kein Mann durfte mich anfassen. Selbst bei Lance war es manchmal ein Balanceakt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es bei Toby und Roger ausgehalten hatte, ohne direkt auszuflippen. Irgendwie hatten sie es geschafft, dass es sich sogar ganz gut angefühlt hatte. Es war merkwürdig vertraut gewesen.
»Hey, alles klar?«, riss Lance mich aus meinen Gedanken und griff nach seinem Handtuch. Er setzte sich neben mich und sah besorgt herüber. Vermutlich hatte er zumindest zum Teil mitbekommen, was passiert war, und war daher zurückgekommen..
»Mhm«, grummelte ich und nahm die Hände vom Gesicht.
Nein, Lance hatte recht, das ging so nicht weiter! Ich konnte nicht ständig Leute so angehen und er sollte sich nicht dauernd Sorgen um mich machen müssen. Ich musste etwas dagegen tun, das Maß war voll! Ich wollte mich nicht ewig von den Erinnerungen gefangen halten lassen.
»Gib mir mal bitte mein Handy rüber«, bat ich und streckte die Hand aus.
Lance schaute zwar skeptisch, reichte es mir aber, ohne nachzufragen.
Ich nahm das Handy an, suchte die Nummer heraus und tippte, so schnell es ging, eine Nachricht, ohne auf das Display zu schauen. Ich konnte nur hoffen, dass sie halbwegs verständlich geworden war. Ohne sie zu lesen, schickte ich sie ab, damit ich es mir nicht noch einmal anders überlegen konnte. Erst nachdem ich das Gerät zur Seite gelegt hatte, wagte ich, wieder zu atmen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.
Das breite Grinsen in Lance’ Gesicht sagte mir, dass er die Nachricht über meine Schulter hinweg gelesen hatte. Aufmunternd sah er mich an und fragte: »Soll ich mitkommen?«
»Wenn du kannst, ja, bitte!«, bat ich verzweifelt. Verdammt, ich bereute jetzt schon, die Nachricht geschrieben zu haben, und hätte sie am liebsten zurückgeholt. Doch das ging nicht, ich hatte eine Entscheidung getroffen.
Lance lachte leise, während er nickte. Sein Lächeln sagte deutlich, dass er mit der Entscheidung einverstanden und zufrieden war.
Schön, wenn wenigstens er sich da sicher war. Mir machte der Gedanke daran Angst. Ich musste mich ablenken. »Ich geh eben schwimmen. Passt du auf?«
Wieder bestätigte er, während ich nach Dave rief, damit er mit ins Wasser kam. Einige seiner neuen Bekanntschaften folgten und ich tobte mit ihnen, bis mich einer der Väter ablöste.