»Bist du sicher, dass du bleiben möchtest?« Toby legte die Arme von hinten um mich und zog mich an seinen Körper.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß noch nicht. Ich find ihn komisch. Aber ich würde es gern versuchen. Vielleicht kann ich einfach zusehen?«
»Klar, von mir aus gern.« Er küsste sich sanft über meinen Hals und die Schultern. »Andererseits würde ich dich wirklich gern in meinen Armen halten.«
Mit einem leisen Seufzen ließ ich meinen Kopf gegen seine Schulter fallen. Gut, dass sich Spence erstmal ins Bad verabschiedet hatte, um sich frisch zu machen. So hatten Toby und ich ein paar Minuten für uns. Am liebsten hätte ich sie ja anders genutzt, nicht für dieses nervige ›bist du sicher‹-Gespräch, sondern um schon einmal anzufangen, aber natürlich musste Toby sich zuerst versichern.
»Vielleicht kannst du mich ja schon vorher genug entspannen?«, fragte ich hoffnungsvoll, drehte meinen Kopf zu ihm und forderte einen Kuss.
Er kam mir dahingehend entgegen, küsste mich hart und fordernd. Elektrische Blitze fuhren mit jeder Berührung seiner Zunge durch meinen Körper. Das gemurmelte »Gerne« hätte es nicht einmal gebraucht.
Ich grinste in den Kuss, als Toby mein Hemd aus der Hose riss. Er wirkte geradezu ungeduldig. Das bewiesen auch die leicht zittrigen Hände, mit denen er es aufknöpfte. Ich half ihm, indem ich die Knöpfe von oben herab öffnete. Vor meiner Brust trafen sich unsere Hände und nachdem der letzte Knopf geöffnet war, griff Toby wieder nach meiner Taille. Seine Lippen lösten sich von meinen und gingen auf Wanderschaft.
Entspannt ließ ich ihn gewähren, hoffte einfach, dass sich der andere Kerl noch eine Weile Zeit ließ. Als Toby mir jedoch leicht in die Schulter biss, hielt ich ihn auf. »Nicht da, bitte. Ich hab am Mittwoch einen Auftritt.«
»Okay.« Sofort hörte er auf, an der Haut zu saugen.
Es war gut, zu wissen, dass seine neue Obsession nicht so weit ging, mir trotzdem einen Knutschfleck zu verpassen. Ich hätte ihn zwar überschminken können, aber meistens wusch sich das durch den Schweiß wieder ab.
»Wo darf ich denn sonst?«, raunte er mir stattdessen ins Ohr.
»Irgendwo, wo man es nicht sieht, wenn ich kein Shirt anhabe.«
Da ich davon überzeugt gewesen war, dass ihm nichts einfallen würde, war ich umso überraschter, als er mich sanft aufs Bett schubste. Seine Hand drückte mich zwischen den Schultern herunter, während die andere den Bund meiner Hose packte und sie etwas herunterzog. »Wie du meinst.«
Als er sich dicht über meiner Arschbacke festsaugte, entfloh mir ein leises Keuchen. Verdammt, das fühlte sich geil an! Da konnte ich ihm gar nicht böse sein, dass ich eine Hose mit höherem Bund würde tragen müssen.
Von dort aus küsste er sich meinen Rücken entlang nach oben, bis unsere Köpfe auf gleicher Höhe waren. Ich drehte mich zu ihm und traf seinen Blick. Mit einem Lächeln sah er mir ins Gesicht.
»Toby, du hättest mir sagen sollen, dass ihr zusammen seid.«
Erschrocken über die plötzliche Unterbrechung richtete ich mich mit einem Ruck auf und wäre fast mit Toby zusammengestoßen. Dieser setzte sich neben mich und legte eine Hand auf meinen Rücken. »Sind wir nicht. Selbst wenn, ginge es dich nichts an.«
Spence grinste gehässig. »Was denn, ist es dir peinlich, mit einem Twink zusammenzusein?«
»Ich bin kein Twink!«, protestierte ich, sodass Tobys Antwort unterging. Automatisch rutschte ich an den Rand des Bettes und stellte die Beine auf den Boden.
»Oh, ein Kampfzwerg.« Amüsiert sah der Kerl zu mir herunter.
Nun stand ich vollständig auf. Ich ließ mir ja viel gefallen, aber das sicher nicht! Mir war jede Lust vergangen. Selbst wenn er nur witzig sein wollte, darauf hatte ich keinen Bock. Mit festem Blick stellte ich mich direkt vor ihn. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich jemals von so einem Wichser wie dir ficken lassen würde. Eine große Klappe ist nicht alles.«
Seine Gesichtszüge entglitten und er sah mich verwundert an. Was denn, durfte der Twink etwa nicht Tacheles reden? Bevor ich jemandem wie ihm meinen Arsch hinhielt, würde ich lieber mein Leben lang keinen anderen mehr an mich heranlassen als Toby und Roger.
Ich sah kurz zu Toby, der ebenfalls aufgestanden war und ernst dreinsah. »Ich bin unten.«
Er nickte, wandte sich dann wieder dem anderen zu. Irgendetwas sagte er, was nicht wirklich freundlich klang, doch ich hörte gar nicht mehr hin. Dass er mich ausgerechnet Twink genannt hatte, hatte zu viel in mir ausgelöst und ich wollte nur noch zu Roger, damit ich mich beruhigen konnte. Ich hätte eben doch auf mein erstes Gefühl vertrauen sollen, dass mich der Kerl zu sehr an Marek erinnerte. Er hatte mich auch so genannt.
Und selbst wenn es vielleicht nach Außen so wirkte, stimmte es nun einmal nicht. Ich konnte auch anders.
Zum Glück dauerte es nicht lange, bis Roger die Tür öffnete, denn ich war so schnell nach unten gestürmt, dass ich mein Hemd vergessen hatte.
Er lächelte mich an und ließ mich erstmal herein, ohne etwas zu sagen. Erst nachdem die Tür hinter mir wieder geschlossen war, beugte er sich zu mir herunter und küsste mich sanft, während er mit einer Hand über meinen nackten Bauch streichelte. »Das ist ja eine nette Überraschung.«
Ich grinste, packte seine Hand und zog ihn daran zu mir. Gierig legte ich meine Lippen auf seine. Die kurze Berührung und die Lust in seinen Augen hatten mein Verlangen wieder geweckt. Ich würde beweisen, dass ich ganz sicher kein Twink war!
Einen Moment schien Roger überrumpelt, dann erwiderte er den Kuss genauso gierig und ließ die freie Hand über meinen Körper wandern.
Ich schmunzelte, löste mich von ihm und zog ihn zum Schlafzimmer.
Als ich ihn jedoch mit mir aufs Bett ziehen wollte, blieb er stehen. »Was ist los? Warum bist du nicht oben?«
»Ich mag den Typ nicht.« Ich sah zu Roger auf und zog ihn dann am Hosenbund näher. Wenn er wollte, dass ich aufhörte, sollte er mich daran hindern, ihm die Hose auszuziehen.
Doch stattdessen sah er weiter nur interessiert zu mir herunter. »Und da dachtest du, du kommst runter und tust was?«
Ich ließ die Hose auf halber Höhe seiner Oberschenkel hängen und strich mit der Hand ganz leicht über die Beule in seiner Unterhose. »Leiste dir Gesellschaft und reagiere mich etwas ab.«
»Soso.« Rogers Hand legte sich in meine Haare und verkrallte sie etwas, als ich erneut meine Hand über seine Unterhose fahren ließ.
Roger ließ sich ohne Widerrede von mir leiten. Nachdem ich ihn von seiner Kleidung befreit hatte, brauchte es nur einen kleinen Wink, damit er sich mit leicht angewinkelten Beinen aufs Bett legte. Dazwischen machte ich es mir bequem.
Ich kam zu keiner Zeit auf die Idee, ihn ficken zu wollen. Es reichte mir vollkommen, dass ich seine Reaktionen lenken konnte. Wenn ich seine Eichel in den Mund nahm, stieß er unwillkürlich zu, wenn ich mit der Zunge über diesen kleinen Punkt an seinen Piercings fuhr, entwich ihm ein leises Wimmern, und mit der Geschwindigkeit, mit der ich ihn verwöhnte, konnte ich lenken, wie stark er sich in meine Haare krallte. Das war alles, was ich wollte: Beweisen, dass ich selbst jemanden wie Roger lenken konnte. Ich war kein beschissener Twink!
Roger brauchte deutlich länger als sonst, bis er wieder zu Atem gekommen war. Da ich für die kleine Sauerei verantwortlich war, hatte ich mir nicht nehmen lassen, ihn sauber zu machen, und mich dann an seine Brust gekuschelt. Zärtlich streichelte er mit einer Hand über meinen Arm, mit der anderen durch meine Haare und zupfte immer wieder verträumt an einzelnen Strähnen. Ich beobachtete in der Zeit eine Spinne, die neben dem Fenster an der Wand entlang krabbelte.
Irgendwann richtete Roger sich auf und sah zu mir herunter. »Wolltest du dich nicht abreagieren?«
»Hab ich doch.« Ich lächelte ihn an. Da er etwas verwirrt wirkte und mit dem Blick meinen Körper herunter zu meiner noch immer ausgebeulten Jeans wanderte, schob ich hinter: »Ich hab mich vorhin ziemlich aufgeregt.«
»Worüber?« Roger kraulte mich am Kopf und ich schloss die Augen.
»Dieser komische Typ hat mich einen Twink genannt.«
»Na und? Du bist nun mal klein und dünn und siehst etwas jünger aus. Da ist doch nichts dabei.«
Ich spürte, wie die Wut wieder in mir hochstieg. Ich öffnete die Augen und sah ihn böse an. »Und bin gut zu ficken! Ich hab schon verstanden.«
Er seufzte und ließ sich nach hinten gegen die Wand fallen. »Das hat doch niemand behauptet! Ich dachte, wir hätten das schon vor Jahren geklärt, dass das nichts miteinander zu tun hat.«
»Für euch vielleicht. Dennoch darf ich mir ständig solche gehässigen Kommentare anhören.« Roger wollte etwas erwidern, doch ich grätschte dazwischen. »Nur weil ihr das anders seht, gilt es nicht für alle. Jedes Mal, wenn mich jemand Twink nennt, wird gleichzeitig impliziert, dass ich nur zum Ficken gut bin.«
Roger griff nach meinem Nacken und zog mich an sich. »Hör mal, das sind nur ein paar Arschlöcher. Wenn sie glauben, nur weil du gut aussiehst, bist du nichts wert, dann ist es ihr Problem. Lass dich doch davon nicht runterziehen. Es gibt genug Männer, die dich auch toll finden, wenn du den aktiven Part übernimmst.«
Ich seufzte und legte den Kopf auf seiner Brust ab. Er hatte gut reden. Bei ihm würde niemand auf die Idee kommen, dass er gerne und ausschließlich gefickt wurde. Bei ihm stimmte das Bild einfach, genauso wie bei Toby. Wie sollten sie mich denn verstehen?
»Wenn dir das nächste Mal jemand krumm kommt, dann sagst du ihm einfach, dass du auf beides stehst. Entweder nimmt er es an oder wenn nicht, dann gehst du weg. Okay? Du musst dich darüber doch nicht aufregen.«
Ich warf Roger einen Blick zu, der ihm verständlich machte, dass er mich eh nicht verstand, und stand auf, um ins Bad zu gehen.
»Wo willst du hin?«, fragte er verwundert.
»Meinen Zahnputzbecher holen, damit ich die Spinne neben dem Bett einfangen kann.«
Einen Moment war nichts zu hören, dann vernahm ich ein erschrockenes Kreischen. Genau deshalb hatte ich nichts gesagt, bis die Spinne so nah war, dass Roger sie unweigerlich irgendwann wahrnehmen würde.
Mit dem Becher und einer leeren Kondompackung bewaffnet ging ich ins Schlafzimmer zurück, wo sich Roger mit einem Kopfkissen vor der noch immer gut zwei Meter entfernten Spinne versteckte. Ich schickte ein kurzes Kopfschütteln in seine Richtung, dann fing ich das Tier ein. »Machst du mir bitte die Terrassentür auf?«
Er nickte und lief mit großem Abstand vor mir her ins Wohnzimmer.
Manchmal fand ich ihn in der Hinsicht echt albern. Ja, die Spinne war verdammt haarig, nicht gerade klein und ziemlich eklig, aber deshalb musste er noch lange nicht so ein Theater machen. Immerhin war es keine Schwarze Witwe, die hätte ich nämlich auch nicht so rausgebracht. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich in Boston noch nie eine gesehen, auch wenn es angeblich welche gab.
Im Garten warf ich das Tier einfach über die Hecke zu den Shaws. Sollten die sich mit dem Vieh vergnügen, sie wollten doch sowieso immer wissen, was in Tobys und Rogers Haus geschah.
Da ich Rogers Angst mittlerweile gut genug kannte, warf ich die Pappe direkt draußen in die Tonne, während ich den Zahnputzbecher in die Spülmaschine stellte. Das sollte für ihn ausreichen, dass er nicht die ganze Zeit Angst hatte, das Tier würde zurückkommen.
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er mich vom Wohnzimmer aus beobachtete, um sicherzugehen, dass die Spinne weit genug weg war, doch er war nicht zu sehen. Vermutlich war er zurück ins Schlafzimmer gegangen, um nachzusehen, ob es dort noch mehr gab.
Leicht grinsend kehrte ich dorthin zurück und wäre fast gegen die geschlossene Tür gerannt. Seit wann war sie zu? Und warum? Verwirrt klopfte ich dagegen. »Roger? Alles in Ordnung?«
»Ja. Warte bitte einen Moment«, kam die Antwort unerwarteterweise von Toby.
Unruhig stand ich einige Sekunden vor der geschlossenen Tür, dann ging ich zurück ins Wohnzimmer. Der Drang, zu lauschen, war groß. Wenn ich mich von der Tür entfernte, konnte ich ihm besser widerstehen. Was war geschehen?
»And I can’t hide from the shadow that I once kissed
She’s on my side
She’s so sweet, is lovely mist
And there is no more understanding
There won’t be anything in reach
It must be right
’Cause she’s the shadow I once kissed«
Lacrimas Profundere – The Shadow I Once Kissed