Konzentriert starrte ich auf das Blatt vor mir, ergänzte mal hier, mal dort ein Wort oder eine Note, radierte herum und machte Notizen auf einem weiteren Zettel. Ich wusste nicht, wie lange ich schon daran saß, aber so langsam tat meine Hand weh. Doch ich musste das fertig bekommen.
Im Hintergrund lief leise Musik. Ich hatte nicht mitbekommen, was er angemacht hatte, doch ich hatte auch keine Nerven, genauer hinzuhören. Er saß mit einem Buch in der Hand auf dem Sessel. In der ganzen Zeit hatte er vielleicht drei Seiten gelesen.
Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen, als er erneut zu mir herübersah. Ja, ich wusste, welcher Tag war und dass ich es ihm versprochen hatte! Aber nur, weil er mich ständig anstarrte, wurde ich auch nicht schneller fertig.
Nur am Rande nahm ich wahr, dass er nach einer Weile aufstand und etwas in der Küche suchte. Augenblicke später segelte etwas vor meiner Nase auf den Tisch.
Verwundert sah ich auf, als ich die Karte eines Lieferdienstes erkannte. »Wollten wir nicht Essen gehen?«
»Schon mal auf die Uhr geschaut?«
Ich schüttelte den Kopf und holte es nach. Leise fluchte ich, bevor ich ihn wieder ansah. »Tut mir leid, ich mach das wieder gut, okay?«
Er murrte etwas, was nicht mehr aussagte, als dass er mich verstanden hatte. Er war sauer. Natürlich. Es war sein gutes Recht. Ich hatte ihm versprochen, dass ich mit ihm Essen ging. Doch mittlerweile war es so spät, dass daraus nichts mehr wurde. Außer wir wollten uns in irgendein Diner hocken. Aber damit würde er sich nicht zufriedengeben. Nicht an unserem zweiten Jahrestag.
»Jetzt mach schon und such dir was aus, damit ich bestellen kann. Ich hab Hunger«, meckerte er, als ich ihn einen Moment später noch immer bedrückt ansah.
Schnell nickte ich und nannte ihm das Erste, was mir einfiel. Ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern, indem ich lange überlegte. Außerdem wollte ich endlich fertig werden.
Als das Essen kam, war ich noch immer nicht fertig. Er aß allein, während meines kalt wurde. Irgendwann stand er auf und ging ins Arbeitszimmer, kam später wieder heraus, wünschte mir eine gute Nacht und verschwand ins Schlafzimmer.
Frustriert warf ich den Stift auf das Blatt und fuhr mir durch die Haare. Ja klar, nur eine kleine Hausaufgabe bis morgen. Am Arsch! Ich saß bereits seit acht Stunden daran, wie mir ein Blick auf die Uhr verriet.
Noch eine Stunde arbeitete ich weiter, dann gab ich auf. Es hatte ja doch keinen Zweck, ich würde nicht fertig werden. Außerdem nagte das schlechte Gewissen an mir. Ich packte die Sachen weg, stellte das Essen in den Kühlschrank und begab mich nach oben.
Vor der Schlafzimmertür blieb ich stehen und lauschte. Kein Laut war zu hören. Ob er schon schlief? Ich wollte zumindest einmal nachgesehen haben.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und spähte in den dunklen Raum. Auch jetzt war nichts zu hören. Ebenso leise schloss ich sie wieder und unterdrückte den Impuls wütend mit der Faust dagegen zu schlagen. Ich hatte es verbockt! Mal wieder.
Während ich mich im Bad fertig machte, beschloss ich, dass ich mich zumindest noch etwas entschuldigen musste. Sonst würde sich seine Wut bis zum Morgen anstauen. Dann wäre es gar nicht mehr zu ertragen.
Nachdem ich meine Sachen in mein Zimmer gebracht hatte, ging ich nur in Unterhose zurück zum Schlafzimmer. Ich atmete tief durch, bevor ich die Tür erneut öffnete und einen Schritt hineinsetzte. Hinter mir schloss ich sie direkt wieder, damit ich nicht sofort fliehen konnte. Langsam schritt ich auf das Bett zu, setzte einen Fuß vor den anderen. Es kostete mich alle Kraft, das kurze Stück zu überwinden. Es fühlte sich an, als würde ich durch knietiefes Wasser waten.
Vor dem Bett blieb ich stehen und sah im Halbdunkel auf die schlafende Gestalt. Mit einem letzten Kraftakt hob ich die Decke an und legte mich neben ihn. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mein Kopf riet mir zur Flucht, doch ich blieb liegen, drängte mich an den warmen Körper.
Verschlafen regte er sich und murmelte: »Isaac?«
»Ja«, hauchte ich, hoffend, dass er nicht ganz wach wurde. »Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat.«
Er murrte und legte dann den Arm um mich, zog mich noch ein Stück näher zu sich. Zuerst hoffte ich, dass er einfach weiterschlafen würde. Doch als erst seine Hand über meinen Bauch strich und sich dann seine Lippen auf meinen Nacken legten, war klar, dass er das nicht würde. Stattdessen wurde er immer wacher.
Während er sich immer fester an mich drückte und zufrieden gegen meine Schläfe seufzte, konnte ich nur daran denken, dass ich die Hausaufgaben irgendwie auf dem Weg zum Unterricht fertig bekommen musste. Immer wieder ging ich durch, welche Änderungen ich noch vornehmen musste. Ich schaffte es einfach nicht, abzuschalten und zu genießen. Doch er schien es nicht zu bemerken. Entweder es war ihm egal oder er wusste, dass er im Moment sowieso alles von mir bekommen würde, was er wollte.
Als er in mich eindrang, zwang ich die Gedanken an die Hausaufgaben beiseite. Ich wollte das Lied nicht ewig mit dieser Nacht assoziieren. Stattdessen richtete ich meinen Blick auf die roten Ziffern des Weckers. Es war mittlerweile tief in der Nacht. In Gedanken zählte ich die Sekunden und Minuten mit. Er schien es nicht eilig zu haben. Vermutlich wusste er, dass ich nicht abhauen würde. Warum auch? Es hätte ihn nur noch wütender gemacht.
Ich war schon froh, dass er nicht ausrastete, als er nach meinem Schwanz griff und bemerkte, dass ich weder steif war, noch es bei seinen Berührungen wurde. Er ließ nach einem Moment einfach wieder los und widmete sich seiner eigenen Befriedigung. Entweder war er noch zu müde, um es wirklich zu bemerken, oder er würde es mir in den nächsten Tagen vorhalten. Ich hoffte auf Ersteres.
Nachdem er fertig war, blieb er einfach in mir, murmelte ein »Gute Nacht« und kuschelte sich zum Schlafen an mich.
Ich erwiderte die Wünsche und starrte weiter auf den Wecker. Ich konnte in diesem Raum nicht schlafen, ohne von wahnsinnigen Albträumen geplagt zu werden, und das wusste er. Dennoch würde er mich jetzt nicht gehen lassen.
Leise seufzte ich und ging im Kopf erneut die Hausaufgaben durch.
Nach einer Weile rutschte er aus mir heraus. Dennoch konnte ich nicht aufstehen. Er würde davon aufwachen. Ich musste bleiben, bis mein Wecker im Nebenzimmer klingelte.
Als ich im Traum die Augen aufriss, da sie drohten, mir zuzufallen, riss ich sie auch in der Wirklichkeit auf. Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren, dann erkannte ich Tobys und Rogers Wohnzimmer. Durch die große Fensterfront schien die Morgensonne herein, die mich wohl davor bewahrt hatte, in einen richtigen Albtraum abzurutschen.
Ich gähnte und drehte mich auf die andere Seite.
Die beiden hatten recht, tatsächlich war die Couch wirklich bequem. Am liebsten hätte ich mich weiter in das Bettzeug vergraben, das angenehm vertraut nach ihnen roch. Doch schon als ich die Augen schloss, merkte ich, dass mich der Traum noch nicht endgültig losgelassen hatte. Er würde wiederkommen. Also schälte ich mich aus der Decke und setzte mich auf. Ins Bad konnte ich zwar nicht, aber sie hatten zumindest ein Gäste-WC. Das musste reichen.
Da ich sie gebeten hatte, mich zu wecken, wenn sie wach waren, schliefen sie wohl noch. Dann konnte ich es auch wagen, kurz in Unterhose über den Flur zu huschen, und musste mich nicht extra anziehen. Immerhin hatte ich ja vor, mich danach noch eine Weile hinzulegen.
Leise, um sie nicht zu wecken, öffnete ich die Wohnzimmertür und schlich in den Flur. Je näher ich der Toilette kam, desto deutlicher wurden die Geräusche, die aus dem Schlafzimmer kamen. Kurz überlegte ich, umzudrehen und wieder zurückzugehen, doch leider meldete sich auch meine Blase. Verdammt! Natürlich musste ich an der Schlafzimmertür vorbei, wie sollte es auch anders sein. Da half nur ignorieren und so schnell wie möglich vorbei.
Doch das war gar nicht so einfach. Tobys wohliges Stöhnen war viel zu vertraut, um es zu ignorieren. Ich schluckte, als ich an der Tür vorbeikam und sah, dass sie ein Stück offen stand. Vermutlich hatten sie sie nicht zugemacht, da ja die Wohnzimmertür geschlossen war. Oder es war einfach Gewohnheit. Sonst waren sie ja allein in der Wohnung.
Ich wusste, dass es sich nicht gehörte, dass ich hätte weitergehen sollen. Doch die Geräusche zogen mich magisch an. Ich konnte nicht wegsehen. Zum Glück lagen sie mit dem Rücken zu mir und sahen mich daher nicht.
Roger lag hinter Toby, hatte den Arm um ihn geschlungen und flüsterte schmunzelnd gegen seinen Nacken: »Sei ein wenig leiser, sonst wecken wir noch den Kleinen.«
Toby lachte leise auf. »Ich glaub, der schläft noch eine Weile. Er war ziemlich fertig.«
»Sei trotzdem ein wenig leiser.« Roger beugte sich tiefer über den Nacken und im nächsten Moment stöhnte Toby zufrieden auf. Auch wenn er dabei kein bisschen leiser war als zuvor, nahm er danach seine Stimme etwas zurück.
Schnell wandte ich mich ab und ging ins Bad. Leise schloss ich die Tür hinter mir. Ich ließ mich auf den Klodeckel sinken und fluchte. Was ich dort gesehen hatte, war nicht für fremde Augen bestimmt. Es hatte rein gar nichts mit dem zu tun, was ich sonst bei ihnen gesehen hatte. Klar, auch da waren sie schon mal zärtlich zueinander gewesen, aber das war kein Vergleich zu der Intimität, die sie in diesem Moment ausgestrahlt hatten. Wie sie da beide unter der Decke gelegen hatten, fast als würden sie nur kuscheln, das war nur für sie bestimmt. Scheiße!
Ich erhob mich, da mich meine Blase wieder daran erinnerte, warum ich unbedingt aufs Klo gehen wollte.
Nachdem ich fertig war, stand ich vor dem nächsten Problem: Das Schlafzimmer war direkt nebenan. Wenn ich spülte, hörten sie es zwangsweise. Dennoch tat ich es. Vermutlich würde ich ihnen später sowieso sagen müssen, dass ich sie gesehen hatte. Mein schlechtes Gewissen wollte mich schon jetzt umbringen.
Ich wartete noch einen Moment, dann verließ ich die Gästetoilette wieder. Scheinbar hatte ich gerade lang genug gewartet, denn während ich die Toilettentür öffnete, schloss sich die Schlafzimmertür.
Eilig ging ich zurück ins Wohnzimmer, kramte meine Ohrstöpsel aus der Hosentasche und steckte sie ans Handy an. Das war es dann wohl mit Schlafen. Über den Schreck hatte ich völlig vergessen, dass ich noch den Albtraum vertreiben musste. Wenn ich jetzt schlief, kam er vermutlich wieder. Oder ich träumte von dem, was ich gerade gesehen hatte, was auch nicht besser war. Also musste ich die Gedanken fernhalten und das ging am besten mit lauter Musik. Mit den Kopfhörern im Ohr kuschelte ich mich zurück in die Bettdecke.
Ich schreckte hoch, als mich eine Hand an der Schulter berührte. Ich drehte mich herum und sah direkt in Tobys lächelndes Gesicht. Scheinbar war ich doch noch einmal eingedöst, denn ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich neben mich auf die Couch gesetzt hatte.
Nachdem ich einen der Ohrstöpsel herausgenommen hatte, grüßte er: »Morgen, Kleiner. Sorry, ich wusste nicht, ob du noch schläfst. Du hast nicht aufs Klopfen reagiert.«
»Schon gut«, murmelte ich leise und kaute auf meiner Unterlippe herum.
»Wenn du magst, kannst du gleich ins Bad, wenn Roger fertig ist. Die Zahnbürste vom letzten Mal liegt noch im Schrank, ein Handtuch ...«
Weiter kam er nicht, denn ich unterbrach ihn leise: »Toby, ich hab euch vorhin gesehen. Tut mir leid, ich wollte nicht schauen, aber ich musste aufs Klo und die Tür war offen.«
Einen Moment sah er mit großen Augen zu mir herunter, dann zuckte er mit den Schultern. »Und?«
Ich zog den Kopf etwas ein. »Ich weiß, ich hätte trotzdem nicht schauen dürfen, aber ... keine Ahnung, es war ... ich weiß nicht ...«
Toby strich mir eine Strähne aus der Stirn. Genauso sanft, wie er lächelte, erwiderte er: »Ist doch halb so wild. Du hast bei uns sicher schon Schlimmeres gesehen.«
»Ja, aber da wusstet ihr, dass ich zuschaue. Und das vorhin ... ich hätte einfach nicht schauen dürfen.« Schön, wenn er das so locker sah. Oder mir das zumindest glauben machen wollte, denn ich bezweifelte, dass es so einfach war. Aber selbst wenn, es gehörte sich nun mal nicht! Eigentlich hätte er sauer sein müssen.
»Hey, mach dir deswegen keinen Kopf. Ich kann nicht behaupten, dass ich begeistert bin, und Roger wird es auch nicht sein, aber es ist doch nichts Schlimmes. Du musstest aufs Klo und wir haben vergessen, die Tür zuzumachen, das ist doch kein Weltuntergang.« Er setzte sich auf die Kante der Couch und strich zärtlich über meine Schulter. Dann zog plötzlich Besorgnis in sein Gesicht. »Oder hat dich das gerade sehr geschockt?«
»Nein. Ich hab einfach nur ein schlechtes Gewissen.« Ich vergrub mein Gesicht im Kopfkissen.
Toby rutschte näher zu mir, legte den Arm um mich und sah mich dann eindringlich an. »Darf ich?«
Ich nickte und ließ mich dann in seine Arme ziehen. Genießen konnte ich es nicht, aber es war in Ordnung. Dabei rutschte meine Decke etwas von mir, doch er zog sie wieder fest über mich. »Es gibt wirklich Schlimmeres. Wenn du auf Klo musstest, geh ich nicht davon aus, dass du uns ewig beobachtet hast. Du hast halt mal hingesehen, hätte jeder gemacht. Und dass wir auch Sex haben, wenn niemand da ist, ist ja nun auch kein Geheimnis.«
»Nicht?«, hörte ich Rogers amüsierte Stimme. Als ich aufsah, kam er gerade auf uns zu und setzte sich dazu. »Was ist denn los?«
»Isaac hat uns vorhin aus Versehen kurz gesehen«, erklärte Toby und streichelte dabei über die Decke. Es war witzig, ich konnte mir einbilden, seine warme Hand auf meinem Oberkörper zu spüren, obwohl ich lediglich die Hitze durch sein T-Shirt in meinem Rücken spürte.
Roger zog die Augenbrauen hoch, dann feixte er: »Oh, verdammt, wir müssen ihn töten, bevor er allen erzählt, dass wir Kuschelsex hatten!«
Zuerst schwankte ich zwischen verlegenem Wegsehen und Lachen, dann entschied ich mich für Letzteres. Manchmal war er einfach zu albern.
Doch er beließ es nicht dabei, sondern zog die Decke weg und griff mir an die Seiten. »Ich bin für totkitzeln!«
Ich quiekte schon bei der Androhung auf und versuchte sofort wieder unter die Decke zu kommen, doch Toby hinderte mich daran, indem er sie noch ein Stück wegzog und seinen Arm davor hielt. Kaum, dass Rogers Finger mich berührten, begann ich mich zu winden. Das war unfair!
Schon nach einem kurzen Moment japste ich nach Luft. »Aufhören! Zwei gegen einen ist unfair!«
»Hm ... na gut«, antwortete Roger und ließ mich tatsächlich los. Dann legte er die Decke wieder über mich. »Hast du Hunger?«
Ich nickte und murrte etwas enttäuscht, als Toby fragte, ob er helfen sollte. Eigentlich war es ganz schön an seiner Brust. Zumindest machte ich mir gerade überhaupt keine Gedanken darum.
Roger schien das auch mitzubekommen, denn er schüttelte den Kopf. »Nein, passt schon, du machst wieder nur jede Menge Dreck.«
»Hey!«, beschwerte Toby sich und warf eines der Sofakissen nach seinem Freund. Der wich jedoch lachend aus und begab sich in den Küchenbereich. Dann wandte Toby sich wieder an mich: »Tja, dann musst du mich wohl noch eine Weile ertragen.«
Etwas mürrisch, um nicht zu verraten, dass es mir ganz gut gefiel, murmelte ich ein »Okay«, während Toby an meiner Schulter nach dem zweiten Ohrstöpsel suchte. Als er ihn gefunden hatte, hielt er ihn sich kurz einmal ans Ohr und lauschte, bevor er ihn sich ins Ohr steckte.
Ich grinste. War ja klar, dass man ihn mit Agonoize ködern konnte.