Im Januar hatte ich dann endlich genug Geld zusammen, um mich an einen Psychiater zu wenden. Eher zufällig hatte ich bei meiner Suche im Internet einen gefunden, der häufig schwule Männer behandelte und auch schon Erfahrung mit Männern hatte, die Schwierigkeiten in früheren Beziehungen hatten. Auch wenn es mich noch immer Überwindung kostete, sah das für mich nach der besten Alternative aus. Zumindest hatte ich nach den Berichten der Patienten weniger Angst, mich an ihn zu wenden als an jemand anderen.
»Guten Tag, Mister Valentine. Kommen Sie doch herein«, begrüßte mich der erstaunlich junge Mann und ließ mich in einen großen Raum. »Ich bin Mister Grant. Setzen Sie sich, wohin sie möchten.«
Ich grüßte und sah mich um. Er war anders, als ich erwartet hatte. Auch wenn ich nicht genau wusste, was meine Erwartungen waren. Vermutlich ein kleiner dunkler Raum mit einem großen, wuchtigen Schreibtisch und einer Chaiselongue, sowie einem Stuhl und Tischchen daneben. Doch es war das genaue Gegenteil. Der Raum war hell, es gab einige Bücherregale und einen aufgeräumten gläsernen Schreibtisch in einer Ecke. Als Sitzgelegenheiten gab es zwei Stühle an einem Cafétischchen, sowie eine Couchecke. Da es deutlich gemütlicher aussah, entschied ich mich für Letzteres.
Mister Grant setzte sich mir schräg gegenüber auf die andere Ecke und lächelte mir freundlich zu. »Haben Sie gut hergefunden?«
Ich zuckte die Schultern und nickte dabei. »Die Wegbeschreibung auf der Internetseite war ausreichend.«
»Freut mich. Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten?« Ich lehnte ab. Immerhin hatte ich nicht vor, länger als nötig zu bleiben. »Wie kann ich Ihnen denn helfen?«
»Vermutlich gar nicht«, murmelte ich. Auch wenn ich nun hier war, glaubte ich nicht daran, dass es etwas brachte. Außerdem fühlte ich mich unwohl. Ich wollte doch eigentlich nicht dort sein.
»Warum sind Sie denn dann hier, wenn Sie das glauben?« Sein Tonfall klang überrascht, aber freundlich. Er machte einen erstaunlich sympathischen Eindruck, damit hatte ich nicht gerechnet.
Doch davon ließ ich mich nicht um den Finger wickeln. Wäre ja noch schöner! Er sollte ruhig wissen, dass ich am liebsten wieder gehen würde. »Weil meine Freunde wollen, dass ich zu einem Psychiater gehe.«
»Sie sind hier, weil Ihre Freunde Ihnen das geraten haben? Aber Sie meinen, sie gehören nicht hierher?« Ich nickte auf beides. »Warum haben sie Ihnen denn geraten, einen Therapeuten aufzusuchen?«
»Sie meinen, ich hätte mich verändert.« Er brauchte die Frage, ob es stimmte, nicht einmal aussprechen, sie spiegelte sich deutlich in seiner Miene. Also kürzte ich das Ganze auch ab und schob trotzig hinterher: »Keine Ahnung, ja, vermutlich stimmt es.«
»Welche Veränderungen sind das denn?«
Auch wenn er mich eine ganze Weile erwartungsvoll ansah, schwieg ich. Er erwartete doch nicht wirklich, dass es so einfach würde, oder? Verstand er denn nicht, dass ich nicht darüber reden wollte?
»Sie haben also nicht vor, mit mir reden? Weshalb sind Sie dann hier? Schweigen können Sie doch zu Hause viel günstiger.«
Ich verkniff mir das Schmunzeln, das sich bei dieser Aussage auf mein Gesicht schleichen wollte. Es mochte ja sein, dass er doch recht sympathisch war, aber das musste ich ihm ja nicht zeigen. Außerdem gefiel mir der Grund nicht, daher murrte ich: »Weil sie mir nicht mehr helfen wollen, wenn ich mir keine professionelle Hilfe suche.«
»Damit wir uns richtig verstehen: Sie möchten durchaus Hilfe? Aber nicht von mir, sondern von Ihren Freunden? Und wenn Sie mit mir geredet haben, dann helfen diese Ihnen wieder?«
Erneut blieb mir nichts, als zu nicken.
Er hob eine Augenbraue und sah mich durchdringend an. »Sie hätten Ihre Freunde doch auch anlügen können.«
Ich riss die Augen auf. Was war das denn für ein Vorschlag?
Er lachte leise. »Wollen Sie mir mit diesem Blick sagen, dass Sie nicht einmal darüber nachgedacht haben?«
»Doch, hab ich«, gab ich beschämt zu. »Aber ich kann sie nicht anlügen.«
»Das spricht sehr für Sie als Freund.« Er lächelte mich wieder an. »Und für Ihre Freunde, dass sie Sie dazu bringen wollen, sich Hilfe zu suchen, wenn sie das Gefühl haben, Ihnen nicht helfen zu können. Gibt es denn einen Grund, warum ihre Freunde Ihnen ansonsten nicht mehr helfen wollen?«
Ich zuckte mit den Schultern und wartete, dass er weiter sprach. Doch er tat es nicht und sah mich nur an. Nach einem Augenblick wandte ich das Gesicht ab und gab zu: »Ich will mit ihnen auch nicht darüber reden.«
»Sie möchten also, dass Ihre Freunde Ihnen helfen, aber gleichzeitig nicht mit Ihnen reden? Wie stellen Sie sich denn vor, dass das funktioniert, wenn Ihre Freunde nicht einmal wissen, wobei sie Ihnen helfen sollen?« Sein Gesicht zeigte deutliche Skepsis.
»Das wissen sie ja«, murmelte ich. Taten sie doch, oder? Toby und Roger wussten doch, dass sie mir helfen sollten, mich Männern wieder zu nähern.
»Dann haben Sie Ihre Freunde also doch angelogen?«
»Nein!«, fuhr ich ihn an.
Doch er schien überhaupt nicht überrascht über mein plötzliches Aufbrausen, sondern beobachtete mich nur weiter aufmerksam.
Sofort bereute ich den Ausbruch. »Ich hab ihnen nur nicht alles gesagt.«
»Warum nicht? Ich denke, es sind Ihre Freunde. Und offensichtlich vertrauen Sie diesen, sonst würden Sie sich ja keine Hilfe von ihnen erhoffen. Was hält Sie davon ab?«
Ich zuckte wieder mit den Schultern.
Er lachte erneut leise. »Sie wissen nicht, warum Sie es Ihren Freunden nicht gesagt haben, oder wollen sie mir nicht sagen, warum?«
»Ich will es nicht sagen«, murrte ich leise vor mich hin.
»Schade. Ich seh schon, Sie wollen mir wirklich nichts erzählen. Aber das ist okay, Sie müssen mir nichts erzählen, was Sie nicht wollen. Sie müssten auch gar nichts sagen. Nur halte ich das noch immer für einen ziemlich teuren Spaß.«
Ich zuckte erneut mit den Schultern. Das konnte ihm doch egal sein. Wichtig war nur, dass ich nach dieser Stunde mit Toby verabredet war und ich wieder mit zu ihm fahren würde.
»Na gut, wie Sie meinen. Wir können uns jetzt auch noch eine halbe Stunde anschweigen. Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass es nicht das ist, was sich Ihre Freunde hiervon erhofft haben.«
Frustriert seufzte ich. Ja, vermutlich hatte er auch noch recht.
Er wartete noch eine Weile, dann sprach er weiter: »Also, warum nutzen wir die Zeit nicht sinnvoller und sehen, ob ich Ihnen nicht vielleicht doch helfen kann? Was hätten Sie denn dabei zu verlieren? Außer vielleicht Ihre Freunde, wenn Sie ihnen erzählen, dass Sie zwar hier waren, aber sich geweigert haben, mit mir zu reden? Hören Sie, ich will Sie nicht zwingen, mir etwas zu erzählen, aber ich hab das Gefühl, Sie würden gern, aber etwas hält Sie davon ab. Ich würde nur gern wissen, was es ist.«
»Wenn ich ihnen davon erzähle, halten sie mich für schwach«, murmelte ich vor mich hin und starrte dabei auf meine Schuhspitzen. Ja, er hatte ja recht, natürlich wollte ich es jemandem erzählen und es loswerden, aber ich konnte nicht. »Oder mir nicht glauben.«
»Huch, ich hätte Sie nicht für einen Typen gehalten, den es großartig interessiert, was andere von ihm denken. Oder ist es tatsächlich Ihre größere Sorge, dass man Ihnen nicht glaubt?«
»Mein bester Freund hat mir nicht geglaubt«, erwiderte ich leise. Dann schob ich hastig und lauter hinterher: »Also mittlerweile glaubt er mir! Es ist nur ... am Anfang da dachte er ... er hat geglaubt, dass ich mir das ausgedacht hab.«
»Nun, ohne zu wissen, worum es geht oder Ihren Freund zu kennen, kann ich nur raten. Aber könnte es nicht sein, dass Ihr Freund einfach nur überfordert war?«
Ich stockte. Konnte das wirklich ... Nein, das konnte nicht sein, immerhin: »Mein Vater glaubt mir auch nicht!«
»Das tut mir wirklich leid.« Tatsächlich sah er so aus, als würde er das ernst meinen. »Sie haben dementsprechend schon einigen Personen davon erzählt?«
Ich schüttelte den Kopf. Nein, meinem Vater hatte es Mat erzählt, weil er mich eigentlich zu ihm bringen wollte. »Ein Freund hat es ihm erzählt.«
Mister Grant nickte nur und schien dann zu überlegen. »Ich hoffe, Ihr Freund hat Sie vorher um Erlaubnis gebeten?«
Ich nickte. Ja, irgendwo hatte er das. Und selbst wenn nicht, würde ich das dem Psychiater nicht sagen.
Wieder wartete er eine Weile, bevor er erneut das Wort ergriff: »Darf ich noch einmal auf die Freunde zurückkommen, die Sie zu mir geschickt haben? Oder sind das dieselben?«
»Nein, es sind andere.« Auf den Rest der Frage zuckte ich mit den Schultern. Wenn mir die Frage nicht gefiel, dann würde ich sie einfach nicht beantworten.
Der Psychiater schmunzelte leicht. »Ich denke mal, Ihre Freunde werden Sie fragen, ob Sie hier waren. Was werden Sie Ihnen erzählen?«
»Das ich hier war?« Verwirrt sah ich ihn an. Was wollte er denn jetzt hören?
»Und wenn sie fragen, wann Sie den nächsten Termin haben? Ich glaube nicht, dass sie sich mit diesem einen Termin zufriedengeben, oder?«
Eine ganze Weile starrte ich ihn an. So weit hatte ich nicht gedacht.
Er lächelte leicht. »Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen jetzt einfach einen Termin gebe und Sie überlegen sich bis dahin, ob Sie noch einmal wiederkommen wollen. Allerdings möchte ich, dass Sie nur wiederkommen, wenn Sie auch wirklich wollen. Sie haben nichts davon, wenn Sie nur herkommen, weil Ihre Freunde das möchten.«
Langsam nickte ich. Hieß das, ich brauchte seiner Meinung nach nicht wiederkommen? Irgendwie verwirrte mich diese Aussage. Dennoch war ich froh darum. Ich hatte es von Anfang an nicht gewollt, umso besser, wenn er auch meinte, es würde nichts bringen.
Nachdem mir Mister Grant den Termin gegeben hatte, begleitete er mich zur Tür. Davor blieb er stehen und sah mich noch einmal fest an. »Überlegen Sie sich genau, ob Sie nicht doch noch einmal wiederkommen. Sie sollten dann aber auch damit rechnen, dass Ihre Freunde Ihnen dennoch ihre Hilfe verweigern. Und das ist ihr gutes Recht, genauso wie es Ihres ist, nicht mehr wiederzukommen. Sie können nicht verlangen, dass sich Ihre Freunde um sie kümmern, wenn sie sich dem nicht ohne professionelle Hilfe gewachsen sehen.«
Erneut nickte ich. Ich konnte ihm nicht wirklich widersprechen. Vermutlich würde ich eine Weile brauchen, um mir darüber Gedanken zu machen. Doch erst einmal war ich froh, dass ich gehen konnte. Das ständige Ausweichen machte müde. Außerdem freute ich mich auf Toby und Roger.
Ich gab ihm zum Abschied noch einmal die Hand und verabschiedete mich neutral.
Er lächelte erneut, schüttelte sie und wünschte dann: »Auf Wiedersehen.«
»Hey, da seit ihr beiden ja endlich«, begrüßte uns Roger, als Toby und ich das Haus betraten.
Toby ging zu ihm und gab ihm einen Kuss. »Eine Bahn ist ausgefallen.«
»Oh. Na, nicht schlimm, jetzt seid ihr ja hier. Setzt euch, ich hab schon alles fertig.« Mir schenkte er noch ein kurzes Lächeln, bevor er sich ins Wohnzimmer begab.
Tatsächlich roch die ganze Wohnung nach den Nudeln, die Roger gekocht hatte. Ich setzte mich zu den beiden an den Tisch und wir aßen in Ruhe. Bisher hatte noch keiner von beiden mich ausgefragt, wie es beim Psychodoc gewesen war und das machte mich nervös. Erwarteten sie, dass ich von mir aus erzählte? Oder wollten sie warten, bis wir die Ruhe dafür hatten? Solange ich mit Toby allein gewesen war, hatte ich es noch darauf geschoben, dass er nicht wollte, dass ich es zweimal erzählen musste, aber eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Roger direkt damit anfangen würde, sobald ich zur Tür herein war, um mich notfalls gleich wieder rausschmeißen zu können.
Nach dem Essen blieb ich ein wenig unentschlossen sitzen, während Toby Teller und Besteck einsammelte und Roger die Töpfe in die Küche brachte. Vermutlich würden sie diese gleich noch gemeinsam abwaschen, da stand ich nur im Weg. Ich beobachtete sie, während sie routiniert in der Küche werkelten. Es wirkte fast wie eine einstudierte Choreographie. Ihre Handgriffe waren perfekt aufeinander abgestimmt, sodass die Arbeit innerhalb kürzester Zeit erledigt war.
Das waren die Momente, in denen ich mich als störend empfand. Ob sie es insgeheim genauso sahen? Hatten sie Angst, ich würde ihr Leben durcheinanderbringen, wenn ich mich zu sehr hineindrängte? Würde ich das tun, wenn ich mir keine professionelle Hilfe suchte?
Frustriert seufzte ich. Woher sollte ich die Antwort auf so viele Fragen kennen?
»Kleiner, kommst du mit rüber?«, fragte Roger, der sich gerade auf den Weg ins Wohnzimmer machte. Sein Freund hatte es sich bereits auf der Couch gemütlich gemacht und schaltete durch die Sender. Scheinbar war ich so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass sie fertig waren.
Ich ging zu ihnen hinüber und stand ein wenig unentschlossen daneben. Wohin sollte ich mich setzen? Ich konnte mich möglichst weit weg von ihnen auf den Sessel setzen oder auf das freie Ende neben Toby, der es sich mit einem Bein auf der Couch in der Ecke bequem gemacht hatte. Oder ich setzte mich gleich zwischen sie.
Unwohl schluckte ich. Irgendwo klang der Gedanke schön, mich einfach zwischen sie zu setzen und damit beiden gleich nah zu sein, doch dann wäre ich auch beiden sehr nah. Wollten sie das überhaupt? Wollte ich das?
»Was stehst du da wie angewurzelt?« Roger sah auffordernd zu mir auf. »Setz dich endlich. Oder magst du schon heim?«
Ich schüttelte den Kopf und entschied mich dann vorsichtshalber für den Sessel.
Toby und Roger richteten sich an ihren Plätzen so aus, dass sie mich gut sehen konnten, dann ergriff Toby das Wort: »Magst du uns erzählen, wie es beim Psychiater war? Du bist so still heute. Ist irgendwas vorgefallen?«
Ich zog die Beine auf den Sessel und schlang die Arme darum, während ich das Kinn auf den Knien ablegte. Irgendwie fühlte ich mich heute nicht so wirklich wohl. Dennoch wollte ich ihnen antworten. »Nein, ich bin nur müde. Keine Ahnung, es war ... anders als gedacht. Mister Grant war aber ziemlich nett.«
»Das ist doch schön.« Toby lächelte mich an, während Roger mich noch ein wenig skeptisch beobachtete. »Meinst du denn, er kann dir helfen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich glaub nicht, dass ich nochmal hingehe.«
»Isaac!«, fuhr Roger mich an.
Doch ich schüttelte energisch den Kopf und sah ihm fest in die Augen, was ihn zum Verstummen brachte. »Mister Grant hat gesagt, ich soll nicht wiederkommen, wenn ich nicht mit ihm reden möchte.«
»Isaac, wir hatten eine Abmachung!«, ermahnte Roger mich, während Toby mich eher nachdenklich betrachtete.
»Ich weiß«, flüsterte ich und ließ meinen Blick sinken. »Und wenn ihr mir deswegen nicht helfen wollt, ist das okay.«
»Kleiner, warum fällt es dir so schwer, darüber zu reden? Ich bin mir sicher, Mister Grant hat schon etliche solcher Geschichten gehört, vermutlich noch viel schlimmere. Er wird dich sicher nicht auslachen oder was auch immer du sonst befürchtest«, redete Toby sanft auf mich ein und stand auf. Ich folgte ihm mit dem Blick, bis er sich neben mich auf die Lehne gesetzte und zögernd eine Hand auf meinen Rücken legte. Als ich nicht zurückwich, strich er tröstend darüber. »Du musst mit jemandem darüber reden. Du kannst das nicht ewig in dich reinfressen, dadurch wird es auch nicht besser.«
»Kann ich nicht mit euch darüber reden?«, fragte ich und sah hoffnungsvoll zu Toby auf.
»Natürlich hören wir dir gern zu, wenn es dir schlecht geht, aber wir können dir nicht wirklich helfen«, antwortete er und strich leicht über meinen Nacken.
»Kann er doch auch nicht. Er kennt mich ja gar nicht.«
»Aber er weiß, was man machen kann, damit es dir besser geht«, erwiderte Roger und sah mich fest an. »Außerdem redest du ja auch mit uns nicht darüber.«
»Doch ... irgendwann«, redete ich mich heraus. Ich wollte ja mit ihnen reden. Wirklich! Aber noch traute ich mich nicht und wusste auch noch nicht wie.
»Irgendwann könnte zu spät sein!« Roger sah mir fest in die Augen, bis ich wegsah.
Toby fuhr mir sanft über den Nacken und in die Haare. »Überleg dir das bitte nochmal. Und wir denken auch nochmal darüber nach, okay?«
Ich nickte und lehnte mich dann gegen ihn.
Einen Moment streichelte er noch über meinen Nacken, dann schob er mich leicht von sich. »Ich kann dir wirklich nichts versprechen, Kleiner. Magst du trotzdem mit rüber aufs Sofa kommen?«
Erschöpft nickte ich und schleppe mich das Stück zur Couch. Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ ich mich in Tobys Arme sinken, nachdem er sich hingesetzt hatte. Das sanfte Streicheln war schön gewesen und ich wollte nicht, dass es aufhörte.
Mit dem Rücken an Toby gelehnt, saß ich auf der Couch. Ich achtete gar nicht auf die Sportsendung, die im Fernsehen lief, sondern schloss einfach die Augen und genoss die Wärme.
Doch schon nach einem kurzen Augenblick öffnete ich sie wieder, weil Roger meine Beine auf die Couch zog. Verwirrt beobachtete ich ihn dabei und wollte sie wegziehen, als er nach meinen Füßen griff. Doch er hielt sie fest. »Hiergeblieben!«
Nur der eher scherzhafte Ton sorgte dafür, dass ich stillhielt. Wenn auch mit einem unguten Gefühl im Bauch. Was wollte er von mir?
Sanft umschloss Roger einen der Füße mit beiden Händen und massierte meine Zehen. Ich schluckte und sah ihm kurz fragend in die Augen. Er lächelte und machte dann weiter, nachdem er den Blick wieder auf den Fernseher gerichtet hatte. Jetzt sah ich auch, dass es sich offenbar um ein Basketballspiel handelte, das dort lief.
Langsam schloss ich wieder die Augen, auch wenn ich mich nicht mehr ganz so wohl fühlte wie zuvor. Aber wenn Toby mir über den Bauch streicheln durfte, warum sollte Roger mir dann nicht die Füße massieren dürfen? Ich hatte ihm doch sonst genauso sehr vertraut wie seinem Freund.
Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, es waren immerhin nur meine Füße und eigentlich war es doch ganz angenehm. Während ich mich auf die Berührungen der beiden konzentrierte, nahm ich immer weniger die Geräusche aus dem Fernseher wahr und döste ein.
Irgendwann weckte mich Tobys sanfte Stimme: »Hey, Kleiner, aufwachen.«
Ich murrte ein wenig und kuschelte mich fester an ihn.
Er lachte leise und fragte dann: »Willst du hier schlafen? Du scheinst ziemlich müde zu sein.«
Augenblicklich war ich hellwach. Ich sollte was? Nein, nein, das ging nicht! Ich konnte doch nicht bei ihnen schlafen. Das ging nicht ... So weit war ich doch noch nicht ...
»Oder wirst du schon zu alt, um auf der Couch zu schlafen?«, fragte Roger amüsiert.
»Was? Nein ... Ja, gern«, antwortete ich leicht verlegen. Wo hatte ich auch hingedacht? Natürlich sollte ich nur auf der Couch schlafen. Jeder andere Gedanke war doch absurd! Immerhin durften nicht einmal mehr ihre Affären in ihrem Bett schlafen, wie hatte ich auch nur daran denken können? Dennoch war ich etwas traurig.
»Na dann steh mal kurz auf, damit wir alles fertigmachen können«, forderte er und gemeinsam zogen wir die Couch aus und bezogen sie.
Nachdem ich noch einmal im Bad gewesen war, zog ich Rogers Shirt über, das sie mir zum Schlafen zur Verfügung gestellten, und kuschelte mich halbwegs zufrieden ins vertraut riechende Bettzeug. So konnte ich mir zumindest einbilden, dass mir Toby noch immer über den Bauch streichelte und in meinen Nacken atmete. Ich konnte mir sogar vorstellen, dass seine Lippen meinen Nacken berührten und mir einen sanften Kuss darauf gaben, bevor ich mit einem Lächeln einschlief.