»Hey, könnt ihr mich mal an mein Handy lassen?« Ich schlug erst Roger, dann Toby mein Notizbuch leicht auf den Kopf, damit sie sich bewegten. Immerhin lagen beide mit dem Kopf auf jeweils einem meiner Oberschenkel, während sie sich ein Spiel ansahen und sich ab und zu den Nacken kraulen ließen, wenn ich gerade nicht schrieb, sondern nachdachte.
Doch statt mich aufstehen zu lassen, rollte sich Toby nur etwas nach vorne, bis er an das Handy auf dem Tisch herankam, und reichte es mir.
Kopfschüttelnd nahm ich es ihm ab und ging ran. »Hallo?«
»Ah, hi Samsa.« Es dauerte einen Moment, bis ich die Stimme als Lerons erkannte. »Du sag mal, wann und wo treffen wir uns heute?«
»Was? Heute?«, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Wir waren verabredet?
»Ehm ... ja, Mijo hat gesagt, du wolltest uns heute den Club zeigen, über den wir beim letzten Mal geredet haben. Oder hat er da etwas falsch verstanden?«
»Das war heute?« Oh fuck! Er hatte recht, da war ja was ... Ich hatte das völlig vergessen. Mich brachte die Woche bei Toby und Roger komplett aus dem Rhythmus. »Verdammt, sorry, ich hab das total vergessen. Können wir das vielleicht verschieben?«
Toby richtete sich etwas auf und sah mir ins Gesicht. Mit seinen Lippen formte er langsam ein »Lance?« Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er skeptisch die Augenbrauen verzog.
»Ja klar, wir verschieben das auf unbestimmte Zeit ...« Er glaubte mir nicht. Verübeln konnte ich ihm das nicht.
Ich seufzte. Verdammt, ich hatte noch nicht einmal Lance Bescheid gesagt. Ich konnte mich nicht allein mit ihnen treffen, dafür kannte ich sie nicht gut genug. Enttäuschen wollte ich sie aber auch nicht. Mijo hatte sich wahnsinnig gefreut, als ich ihn angeschrieben und gefragt hatte, wann sie denn Zeit hätten.
Ich wollte mir durch die Haare fahren, merkte dann aber, dass ich noch das Buch in der Hand hielt. »Kann ich dich in ein paar Minuten zurückrufen? Ich kann nicht versprechen, dass es heute noch klappt, aber ich werd’s versuchen.«
Die Antwort bestand aus einem Grummeln, das nicht überzeugt klang, dann folgte ein fast schon sarkastisches »Bis gleich«.
»Du hast jetzt aber nicht wegen mir einen wichtigen Termin verpasst, oder?«, fragte Roger besorgt.
»Nein, so wichtig ist er nicht. Ich hatte nur jemandem versprochen, ihm mal das Angel’s zu zeigen. Ich hab völlig verplant, dass das für heute geplant war.«
»Oh. Schade, das heißt, du musst jetzt weg?«
Toll, jetzt machte ich nicht nur Mijo und Leron traurig, sondern auch noch Roger. Ich seufzte. »Ja, ich sollte wohl. Die beiden sind echt nett, aber ich kenn sie noch nicht wirklich gut. Ich weiß nicht ganz, ob es eine gute Idee wäre, mich allein mit ihnen zu treffen. Ich hab nämlich auch vergessen, Lance Bescheid zu sagen, er wollte eigentlich mit. Und ich bezweifel, dass er so kurzfristig Zeit hat. Er ist sicher schon mit Lydia verabredet.«
»Wer?«, mischte sich nun auch Toby ein.
»Seine neue Freundin«, erklärte ich es so kurz wie möglich. »Ich will die beiden nicht stören. Immerhin sieht es echt gut aus, dass es diesmal länger hält.«
»Hmm ... Ich verstehe. Magst du ihn trotzdem fragen? Und wenn er nicht kann, dann geht eben Toby mit«, schlug Roger vor.
»Und wer bleibt dann bei dir?« Ich wollte nicht, dass Roger wegen mir allein bleiben musste.
»Ich komm schon allein zurecht. Ihr habt euch die Woche genug um mich gekümmert, jetzt geht mal ein wenig Spaß haben.« Roger lächelte uns an und schüttelte den Kopf. »Und wenn du dir wirklich solche Gedanken um mich machst, dann komm doch einfach nachher wieder her.«
Fragend sah ich zu Toby, der ebenfalls lächelte und nickte. Na gut, wenn sie meinten.
Letztendlich schaffte Lance es tatsächlich nicht, weil er mit Lydia fürs Kino verabredet war. So kam es, dass ich nervös zappelnd neben Toby in der T saß. Genervt legte er mir die Hand auf den Oberschenkel. »Beruhig dich mal, das ist ja nicht auszuhalten. Oder habt ihr ein Date?«
»Was? Nein! Wie kommst du darauf?«
»Weil du so rumzappelst.« Aufmunternd lächelte er mich an. »Sie werden dich schon nicht auffressen. Immerhin schienen sie sich zu freuen, dass es doch klappt.«
Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. »Ja, ich weiß. Trotzdem hab ich Angst, dass sie scheiße reagieren. Das ist halt alles nicht so gut gelaufen.«
Zärtlich strich mir Toby durch die Haare. »Ich glaub nicht, dass das passiert. Und wenn sie dir doch krumm kommen, dann gehen wir halt wieder.«
»Danke.« Ich lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss.
»Oh, na wenn das der Lohn dafür ist, dann tu ich das doch ausgesprochen gern.« Er stahl sich einen weiteren Kuss. Dann wurde er wieder ernster. »Wenn du magst, freut sich Roger nachher sicher auch darüber.«
»Klingt nach einer guten Idee. ... Meinst du eigentlich, ich bin immer noch zu abweisend zu ihm?« Zumindest fragte ich mich, warum Toby das so ernst erwähnte.
»Nein, glaub ich nicht. Ich meinte eher, dass du dich nicht zu irgendwas verpflichtet fühlen sollst. Ich finde es wirklich toll, dass du dich so um ihn sorgst und die ganze Woche geblieben bist, damit er nicht allein zu Hause ist. Aber ich will nicht, dass du glaubst, du müsstest das mir zuliebe tun. Wenn du lieber nach Hause magst, ist dir niemand böse.«
»Keine Sorge, ich bin wirklich gern bei euch und mache mir doch auch Sorgen. Außerdem können Roger und ich uns so auch mal wieder näherkommen.«
Toby nickte und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. »Sag aber bitte, wenn es dir zu viel wird und du nach Hause möchtest.«
»Ja, tu ich«, gab ich mit einem Augenrollen nach und kassierte dafür einen Knuff gegen den Oberarm.
»Da vorne sind sie!« Sobald ich Mijo und Leron in der Bahnhofshalle sah, schnappte ich mir Tobys Hand und zog ihn hinter mir her auf sie zu. Mit der anderen winkte ich den beiden zu, bis sie uns erblickten. Als sie uns erreichten, begrüßten wir uns mit einem kurzen Handschlag. »Sorry, dass es solange gedauert hat, ich war grad noch unterwegs und musste noch mal nach Hause, mich umziehen. Das ist übrigens Toby.«
Mijo nickte ihm zu, während Leron die Hand ausstreckte. »Hi. Wir haben hoffentlich nicht bei etwas Wichtigem gestört?«
Erst als Toby seine Hand aus meiner löste, wurde mir bewusst, dass der Blick der beiden anderen darauf gelegen hatte und Leron leicht süffisant grinste. Schnell erwiderte ich: »Nein, wir wollten uns nur das Celticsspiel ansehen.«
»Du bist Basketballfan?« Leron sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Sofort schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich hab davon überhaupt keine Ahnung. Für mich rennen und hüpfen die einfach nur wahllos durch die Gegend.«
Toby lachte lauthals auf. »Mein Freund und ich zwingen ihn ab und zu, mit uns das ein oder andere Spiel anzusehen.«
Auch Leron lachte, während sein Kumpel es nun endlich schaffte, aufzuschauen. Leise fragte er: »Wohin wollen wir eigentlich?«
»In den besten Club, den es in der Stadt gibt, seitdem das Gate geschlossen hat«, behauptete Toby und ging voran.
Die ersten paar Meter gingen Mijo und Leron noch hinter uns, dann holten sie auf. Leron lächelte mich an. »Was ist denn dein Lieblingssport?«
»Äh ... Bettsport?«, versuchte ich mich an einem Witz. »Ist immerhin der einzige Sport, der mir wirklich liegt.«
Toby stieß ein amüsiertes Schnauben aus, dabei wusste er doch am besten, dass es der Wahrheit entsprach. Sport lag mir einfach nicht.
Auch Leron schmunzelte und warf seinem Kumpel einen kurzen Blick zu. Doch dieser verzog mal wieder keine Miene. Erst als er einen Stoß mit dem Ellenbogen gegen die Rippen erhielt, lächelte er mich kurz an.
Ich verdrehte unauffällig die Augen. Er brauchte sicher nicht über meinen Witz lachen, wenn er nicht wollte. Warum war er überhaupt mitgekommen, wenn er mich doch offensichtlich nicht leiden konnte?
Meinen Abend wollte ich mir davon jedoch nicht versauen lassen. Ich sah zu Toby hoch und sobald er es bemerkte, lächelte er mich an.
»Schaut ihr irgendeinen Sport?«, fragte Toby an die beiden gewandt.
»Ja, ab und zu Baseball. Wir wohnen immerhin in Fenway.« Leron grinste uns breit an und wir lachten kurz auf. Klar, in Fenway zu wohnen, ohne ein Fan der Red Sox zu sein, kam einem Staatsverrat gleich. Zumindest aus Sicht der Hardcorefans.
»Oh, dann teilt ihr ja Samsas Schicksal und seit zum Sportschauen verdammt.« Toby wuschelte mir lachend durch die Haare.
»Ihr wohnt zusammen?«, fragte ich, um keine Stille aufkommen zu lassen. Außerdem konnte ich so das Gespräch leiten und musste nicht befürchten, dass sie weitere Fragen über mich stellten.
»Ja, es hat sich angeboten. Wir kennen uns eh so lange, da kennen wir die Macken des anderen besser als jeder andere. Außerdem ist es viel günstiger«, erklärte natürlich Leron. Aus seinem Freund war noch immer nichts herauszubekommen. Grinsend schob er hinterher: »Aber falls du wissen wolltest, ob wir ein Paar sind: Nein, sind wir nicht.«
Mijo warf seinem Kumpel einen so bösen Blick zu, dass es mich wunderte, dass dieser nicht auf der Stelle tot umkippte. Daher erwiderte ich schnell: »Äh, okay, das meinte ich zwar nicht, aber gut zu wissen.«
»Ich wollte es nur klarstellen, bevor es zu Missverständnissen kommt. Du wärst nicht der Erste, der das denkt.«
Da ich nicht wirklich etwas darauf zu erwidern wusste, gingen wir schweigend die letzten Meter bis zum Angel’s und stellten uns in die Schlange.
Auch wenn sich mein Verdacht, Mijo könnte mich nicht leiden, im Laufe des Abends immer mehr erhärtete, konnte mir das den Abend nicht versauen. Leron war gut drauf und wusste viel Interessantes zu erzählen. Wäre man böse, hätte man auch sagen können, er redete einfach für beide zusammen. Doch das störte gar nicht.
Als Toby schon zum dritten Mal an diesem Abend für mich einen Wodka von der Bar mitbrachte, beschwerte ich mich halb scherzhaft: »Danke, aber ich kann mir auch selbst was zu trinken holen. Ich bin schon groß, weißt du.«
Er zog die Augenbraue hoch und lächelte. »Dann haben wir unterschiedliche Definitionen von groß. Außerdem geb ich dir doch immer einen aus. Bisher hast du dich nie beschwert.«
Ich ignorierte Lerons hämisches Grinsen und erwiderte: »Das ist aber schon der Dritte.«
»Hmm ... stimmt.« Toby grinste mich einfach nur an. »Der Zweite ist für deine Hilfe diese Woche und der hier dafür, dass du gleich mit mir tanzen gehst.«
»Na gut. Aber du weißt schon, dass ich auch mit dir tanzen würde, wenn du mir nichts ausgibst?« Kopfschüttelnd nippte ich an meinem Drink.
Er beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Na ja, ich dachte, wenn ich dich ein wenig besteche, bekomme ich vielleicht einen ganz besonderen Tanz mit dir. Etwa so wie bei unserem Ersten.«
Unweigerlich musste ich schmunzeln. Ich stand auf und reichte ihm die Hand. Er nahm sie an und folgte mir zur Tanzfläche, wo er sich hinter mich stellte und mir seine Hände auf die Hüften legte. Während er mich führte, drehte ich leicht den Kopf zu ihm. »Über den Unterschied zwischen bestechen und betrunken machen, sollten wir vielleicht nochmal reden.«
»Sag bloß, dir gefällt diese Art der Bestechung nicht? Schade, ich hatte nämlich vor, dich vielleicht später mit noch einem Drink für einen Kuss zu bestechen. Das muss dann wohl ausfallen.«
Ich drehte mich in seinen Armen herum. Herausfordernd sah ich ihn an. »Wenn du mir richtig einheizt, musst du mich dafür nicht einmal bestechen.«
»Oh, keine Sorge, das werd ich wohl noch hinbekommen«, nahm er die Herausforderung an und drehte mich mit Schwung wieder herum.
Freudig biss ich mir auf die Unterlippe. Ich war mir ebenfalls sicher, dass er das schaffte, und freute mich darauf. Bereitwillig überließ ich ihm die Führung und bewegte mich so, wie er mich dirigierte.
Mit jedem Takt drängte Toby sich enger an mich und ließ seine Hände wandern, bis sie schließlich den Weg unter mein Oberteil und auf meine Haut fanden. Ich drückte ihm den Arsch entgegen und genoss den warmen Atem, der mein Ohr streifte, wenn er sich etwas hinunterbeugte. Verdammt, er sollte endlich ganz hinunterkommen, damit ich ihn küssen konnte!
Doch er hielt mich hin, ließ die Hände fordernder über meine Haut wandern, während er seine Lippen immer wieder auf meinen Hals setzte, jedoch jedes Mal schnell genug wieder verschwand, damit ich sie nicht mit meinen erwischte. Irgendwann gab ich es auf und schloss einfach die Augen und überließ es ihm, zu bestimmen, wann es so weit war.
Auch wenn ich mit etwas in die Art gerechnet hatte, riss ich dennoch die Augen auf, als ich plötzlich herumgedreht wurde und fast im selben Augenblick eine Wand im Rücken spürte, gegen die ich gepresst wurde. Noch bevor ich sie wirklich geöffnet hatte, schloss ich sie wieder, weil sich Tobys Lippen drängend auf meine legten.
Ergeben seufzte ich in den Kuss, als er seine Zunge gierig zwischen meine Lippen zwängte. Verdammt, ich wusste ja, dass er gut küssen konnte, aber so intensiv küsste er selten. Obwohl ich noch immer die Musik wahrnahm, blendete ich vollkommen aus, dass wir uns in einem Club befanden. Es war egal, wer uns zusah. Wichtig waren nur wir beide.
Als sich Toby wieder ein Stück von mir entfernte, lächelten wir uns an und küssten uns noch einmal deutlich weniger fordernd. Uns war beiden klar, dass wir bei weiteren solchen Küssen die Kontrolle verlieren würden.
Noch ein paar Mal ließen wir träge unsere Lippen übereinander schmusen, dann stieß sich Toby von der Wand ab. Lächelnd hielt er mir die Hand entgegen. »Dein Drink wartet noch an deinem Platz.«
Ich ergriff sie und folgte ihm. Dieser Kuss hatte mich betrunkener gemacht, als es jeder Wodka gekonnt hätte. Der verursachte selten so ein angenehm warmes Gefühl und wenn, dann hielt es nicht lange an.
Doch auch diesmal endete es abrupt, als Toby plötzlich die Richtung änderte. Statt auf Mijo und Leron, ging er auf jemanden zu, den er in der Menge entdeckt hatte.
Als ich die Person erkannte, rutschte mir das Herz in die Hose. Am liebsten hätte ich meine Hand losgerissen und wäre geflüchtet, doch dafür war es zu spät. Wir standen keinen Meter mehr von ihr entfernt und sie hatte mich ebenfalls erkannt.
Während Toby sie freudig umarmte und kurz ein paar freundliche Begrüßungen äußerte, stand ich daneben und kämpfte gegen den Impuls, die Chance zu nutzen und zu fliehen. Stattdessen sammelte ich allen Mut, den ich aufbringen konnte.
Als die Begrüßung der beiden durch war, wandte sich Toby in meine Richtung, schien uns einander vorstellen zu wollen, doch ich kam ihm zuvor. Leise, aber doch laut genug, dass man es über die Musik hörte, murmelte ich: »Hallo Laura.«
Es kostete mich alle Kraft, sie anzusehen und mich nicht in Tobys Arme zu flüchten, der mich – wie ich aus den Augenwinkeln sah – verblüfft betrachtete.
Sie nickte mir zu. »Guten Abend, Samsa.«
»Ihr kennt euch?«
»Dachte ich zumindest, ja«, antwortete sie kühl.
Autsch, das tat weh. Aber es war ihr gutes Recht. Entschuldigend sah ich sie an. »Es tut mir leid.«
Sie hob eine Augenbraue und betrachtete mich eingehend. »Was tut dir leid?«
Ich atmete tief durch und fragte so ruhig wie möglich: »Können wir draußen reden?«
»Wir haben uns noch was zu sagen?«
»Ganz offensichtlich ja, sonst hätte ich nicht gefragt.« Ruhiger schob ich hinterher: »Ich schulde dir zumindest noch eine richtige Entschuldigung. Gibst du mir die Chance?«
Die zweite Augenbraue wanderte zur Ersten. Sie nahm sich noch einmal Zeit, mich eingehend zu betrachten, dann endlich nickte sie.
Erleichtert atmete ich auf. Sie hätte mir die Gelegenheit nicht geben müssen, das war mir vollkommen klar. Es war ihr gutes Recht, auch nach zwei Jahren noch wütend auf mich zu sein. Ich hoffte gar nicht darauf, dass sie mir vergab, ich wollte mich nur richtig bei ihr entschuldigen. Mir war mittlerweile mehr als klar, dass ich mich ihr gegenüber völlig falsch verhalten hatte.
Vor dem Club suchten wir uns eine ruhige Ecke, in der wir ungestört reden konnten. Ich ließ ihr gar nicht erst die Chance, mich noch einmal ihre Wut spüren zu lassen, sondern ergriff das Wort, sobald sie mich ansah: »Laura, es tut mir leid. Ich hab mich damals völlig daneben benommen. Glaub mir, ich wollte dich nie verletzen. Ich hatte dich wirklich gern. Aber mittlerweile ist mir klar, dass ich dich genau damit verletzt habe. Es tut mir wirklich leid. Ich hätte dir ehrlich sagen sollen, dass ich keine Beziehung mit dir führen kann.«
Sie hatte sich geduldig angehört, was ich zu sagen hatte und auch danach stand sie mir gegenüber und sah mich einfach nur an. Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben und ihr die Zeit zu lassen, die sie brauchte, bis sie reagieren konnte. Nach einer ganzen Weile fragte sie: »Und was erwartest du jetzt von mir?«
»Nichts«, antwortete ich ehrlich, was sie erneut überrascht aufsehen ließ. »Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst oder mich verstehst. Ich kann nicht einmal erwarten, dass du mir das glaubst. Dennoch danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, dir das zu sagen.« Da ich nicht das Gefühl hatte, dass es noch etwas zu sagen gab, drehte ich mich um.
Doch ich wurde direkt aufgehalten. »Samsa, warte.«
Ich drehte mich wieder zu ihr und traf direkt ihren Blick. Zweifelnd sah sie mich an. »Warum? Warum hast du mir das vorgespielt? Warum hast du mich glauben lassen, dass du mich auch liebst?«
Traurig lächelte ich sie an. »Ich hab dir nichts vorgespielt. Ich konnte dir nur nicht das geben, was du dir davon erhofft hast.«
»Ich hab mir das also nicht nur eingebildet? Dass du Gefühle für mich hattest?«
Kurz zögerte ich, dann schüttelte ich den Kopf. »Nein. Aber auch das, was ich dir bei unserem Streit gesagt hab, stimmt: Ich würde dir wehtun. Hab ich doch auch.«
Sie zog die Stirn kraus und nickte dann. Eine Weile standen wir uns gegenüber und sahen uns nur schweigend an. Als ich erneut gehen wollte, hielt sie mich wieder auf: »Was ist das mit Toby und dir? Ich hab euch knutschen sehen. Wirst du ihm auch wehtun?«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein. Toby weiß, dass ich ihm nie allein gehören würde. Außerdem hat er den Mann seines Lebens doch schon gefunden.«
Nachdenklich nickte sie. »Wirst du ihm erzählen, was zwischen uns passiert ist?«
»Ja. Vielleicht nicht mehr heute, aber sicher morgen.«
Sie nickte erneut. »Das ist gut. Danke, dass du so ehrlich warst.«
Ich ging zu ihr und legte ihr kurz die Hand auf den Oberarm. »Es tut mir leid, dass ich das nicht schon früher konnte. Ich hoffe, du findest jemanden, der dich wirklich glücklich macht.«
Sie lächelte und legte ihre Hand auf meine, drückte sie kurz. »Das wünsche ich dir auch.«
Nachdem sie mich losgelassen hatte, gingen wir gemeinsam wieder nach drinnen, wo sich unsere Wege ohne ein weiteres Wort trennten.