»Viel hat sich ja nicht verändert«, stellte ich fest, als wir den Club betraten, und deutete auf die bunten Girlanden und Fähnchen.
»Ein wenig schon. Es wurde etwas renoviert. Aber ja, im Grunde hat sich hier wirklich nicht viel verändert.« Toby folgte mir, als ich endlich weiterging und die Treppen nach unten nahm.
»Wollt ihr schon mal einen Platz suchen und ich hole Getränke?«, fragte Roger, der ganz hinten lief.
»Ja gern. Für mich ein Bier und Isaac nimmt vermutlich einen Wodka-O?«
Ich nickte zur Bestätigung.
Roger machte ein Zeichen, dass er verstanden hatte, und verschwand dann in der zum Glück noch recht überschaubaren Menge.
Toby lächelte mir zu. »Such du dir einen Platz aus, an dem du dich wohl fühlst.«
»Da hinten.« Nach kurzem Umsehen hatte ich mir eine Sitzecke ausgesucht, die zwar recht nah am Eingang war, aber dennoch einen guten Überblick über den Großteil des Clubs versprach.
Gemeinsam gingen wir hinüber und zum Glück überließ mir Toby den Platz, der am nächsten zum Ausgang war und gleichzeitig die Wand im Rücken hatte. Unsicher sah er mich an. »Alles gut?«
Ich grinste und schüttelte belustigt den Kopf. »Ja, noch ist alles gut. Du willst jetzt aber nicht alle paar Minuten fragen, oder?«
Er imitierte meine Geste. »Ich werd mich bemühen.«
»Keine Sorge, ich sag Bescheid, wenn es mir zu viel wird«, beruhigte ich ihn und strich kurz über seinen Arm. »Danke dennoch, dass ihr es nochmal versucht.«
»Kein Problem. Roger wollte heute sowieso mal wieder herkommen und ich hatte auch noch nichts vor. Und ich find’s gut, dass du es nochmal versuchen willst. Ich bin sicher, du schaffst das.«
Eher unsicher nickte ich. Trotz allem hatte ich es unbedingt noch einmal versuchen wollen. Wenn ich nicht gerade mal wieder einen meiner Anfälle hatte oder, wie vor drei Wochen, mal wieder Mist baute, fühlte ich mich bei Toby und Roger immerhin sehr sicher. Da sprach für mich nichts dagegen, mit ihnen noch einmal in einen Club zu gehen, auch wenn es diesmal ein Schwulenclub war.
Ich hoffte, dass das kein Problem wurde, doch das erste Mal, als ich vor fast sieben Jahren mit Lance, Toby und Roger hier gewesen war, hatte der Club einen ziemlich guten Eindruck auf mich gemacht. Im Notfall würde mich Toby eben wieder beschützen müssen.
»Wenn irgendetwas ist, dann musst du mir das sagen, okay?«
Ich lächelte ihn zärtlich an. »Ja, mach ich. Aber ich glaub nicht, dass es nötig wird. Ich hab auch schon im Cash und in anderen Clubs in den letzten Monaten ein wenig geflirtet und das lief ziemlich gut.«
»Das klingt gut.« Es war Toby anzusehen, dass er sich ehrlich für mich freute. »Ich muss dir diesmal also keine aufdringlichen Kerle vom Hals halten?«
Gespielt überlegend wiegte ich den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht, wenn du mich später noch mit heim nehmen willst, solltest du das vielleicht tun.«
Toby lachte. »Das muss ich mir noch stark überlegen, wenn du jetzt schon so frech wirst.«
»Das ist doch noch gar nichts.«
»Dir geht es heute wirklich gut, oder?«
Ich nickte. Erstaunlicherweise war es wirklich so. Aber ich hatte mich auch wahnsinnig auf diesen Abend gefreut. Es war eine Herausforderung, der ich mich gewachsen fühlte, auch wenn mich vielleicht mal kurzzeitig Zweifel überkamen.
»Darf ich dich dann später mit nach oben nehmen?«, raunte Toby mir ins Ohr.
»Das muss ich mir noch stark überlegen«, neckte ich ihn. Zumindest im Moment sprach für mich nichts dagegen. Ich wusste, dass nichts geschehen musste, und hatte auch keine Angst mehr vor der Wohnung. »Dafür musst du dann später mit mir tanzen.«
»Aber gern doch.«
»Tanzt du mit mir auch?«, fragte Roger, der wieder an den Tisch kam und sich uns gegenüber setzte.
»Natürlich, hab ich dir doch versprochen.« Toby lächelte seinen Freund an und streichelte kurz seine Hand, als er ihm das Bier abnahm.
Ich nahm mir ebenfalls mein Getränk und sah Roger kurz an, doch er achtete gar nicht weiter auf mich. Schade, ich hätte mich gefreut, wenn er mich auch gefragt hätte. Doch seit dem Vorfall vor drei Wochen ging er mir wieder aus dem Weg. Offenbar war er doch wütender auf mich, als er zugab. Dabei hatte ich mich seitdem wirklich zusammengerissen, obwohl ich mehr als einmal das Bedürfnis gehabt hatte, mit Toby zu schlafen. Da ich es jedoch noch nicht auf die Art konnte, die für Roger auf jeden Fall in Ordnung gewesen wäre, hatte ich wohl oder übel verzichtet.
»Wie war eigentlich dein Tag?« Da Toby noch ein Privattraining gehabt hatte, war er direkt von der Arbeit hierhergekommen, daher war es nur verständlich, dass sich sein Freund auf den neusten Stand bringen wollte.
Eher nebenbei hörte ich ihnen zu, wie sie sich über ihren Tag unterhielten. Viel interessanter waren die Männer, die mittlerweile zahlreicher in den Club strömten. Ich hatte nicht wirklich vor, mich einem von ihnen zu nähern, dennoch konnte es nicht schaden, ein wenig zu schauen.
Dann sah ich plötzlich ein Gesicht ein paar Tische weiter, das mir bekannt vorkam. Das konnte nicht sein! Niemals wäre er in so einen Club gegangen! Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich musste mich täuschen, das war einfach nicht möglich. Dennoch sah er ihm so verdammt ähnlich.
Ich kniff die Augen zusammen, um den Mann im Halbdunkel besser erkennen zu können.
»Uh, sieht so aus, als hätte der Kleine schon etwas entdeckt. Lass mal sehen.« Roger grinste und drehte sich um. Er sah sich etwas in der Richtung um, in die ich geschaut hatte, dann stockte er. »Aber nicht den da drüben, oder?« Er nickte in die Richtung des Tisches, den ich beobachtet hatte.
Ich zuckte mit den Schultern und nickte.
Toby sah ebenfalls hin und schüttelte den Kopf. »Das vergiss mal ganz schnell wieder. Der kleine Lockenkopf lässt den nicht aus den Augen.«
Leicht amüsiert lächelte ich. Interessant, dass sie nicht einmal auf die Idee kamen, dass es vielleicht gerade der Lockenkopf war, der mein Interesse geweckt hatte. Andererseits war der andere Mann aber auch ein Bild von einem Mann. Vermutlich noch etwas älter als Toby und Roger, aber sein Gesicht hatte Charakter. Den hätte ich in so einem Club auch nicht aus den Augen gelassen. Wahrscheinlich lauerten ihm an jeder Ecke Kerle auf und warteten nur darauf, auch nur kurz seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Kein Wunder also, dass wohl auch Toby und Roger es schon einmal versucht hatten. Auch wenn er nicht so muskulös war wie sie, er war sicher nicht nur im Gesicht ganz ansehnlich.
Ich hatte jedoch keine Lust, sie über ihren Irrtum aufzuklären. Stattdessen zuckte ich mit den Schultern. »Man wird ja wohl noch schauen dürfen.«
Roger lachte. »Na dann lass dich nur nicht erwischen. Der Zwerg kann ziemlich giftig werden.«
»Keine Sorge, mit dem komm ich schon klar«, versicherte ich ihnen und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mensch, da hatte er aber echt Glück. Ich fragte mich ernsthaft, wo er den aufgegabelt hatte.