Das sanfte Wackeln der Matratze, als sich der Körper hinter mir erhob, weckte mich. Ich lauschte, wie Roger sich etwas überzog und dann ohne ein Wort das Schlafzimmer verließ. Vermutlich dachte er, wir würden noch schlafen oder wollte uns ein wenig Zeit allein lassen. Im Endeffekt lief es auf dasselbe hinaus.
Genüsslich küsste ich den Nacken vor mir und genoss den Schauer, der sich daraufhin über Tobys Rücken zog. Mit einem leichten Schmunzeln drehte er sich zu mir herum und fing meine Lippen mit seinen ein. »Guten Morgen, Kleiner.«
»Guten Morgen.« Witzig, selbst nach so vielen Jahren hatte ich noch immer keine Idee, welche Spitznamen ich ihm und Roger geben sollte. Wieder einmal nahm ich mir vor, mir etwas einfallen zu lassen. Vielleicht sollte ich Zombie fragen, wenn ich ihm mal wieder begegnete?
»Du siehst nachdenklich aus. Ist alles in Ordnung?« Liebevoll lächelte Toby mich an und strich mir über die Wange.
»Ja.« Ich erwiderte das Lächeln und schmiegte mich fester an ihn. »Ich hab mir nur überlegt, dass ich euch auch mal endlich Spitznamen geben sollte.«
»Aha, und was schwebt dir vor?«
»Ich weiß nicht. Wie wäre es mit Blondie und Brownie? Oder Muskelprotz und Bohnenstange?«
»Was Netteres fällt dir nicht ein?« Verspielt plusterte Toby die Wangen auf.
»Hältst du ›Kleiner‹ etwa für schmeichelhaft?« Ich zog eine übertrieben böse Miene.
Nun musste Toby doch lachen. »Es ist immerhin genau das, was du bist!«
»Hey!« Übermütig warf ich mich auf ihn und wir wälzten uns tobend in den Laken.
Ich hatte nicht wirklich bemerkt, wann aus der kleinen, freundschaftlichen Rauferei ein Gefummel geworden war. Doch spätestens als ich schwer atmend auf dem Rücken lag und Toby über mir, während er meine Hände über meinem Kopf auf dem Bett festhielt, mich leidenschaftlich küsste und sein Becken rhythmisch gegen meines presste, wurde es mir bewusst. Leider brach damit auch der Zauber. Ich löste meine Beine, die Tobys umklammert hielten, und unterbrach den Kuss.
Verwundert sah er zu mir herunter. »Was ist?«
»Kannst du mich bitte loslassen?« Mir war bewusst, dass ich ihn flehend ansah und auch so klang, doch ich konnte es nicht unterdrücken. Zu stark spürte ich, wie die Erinnerungen nach oben drängten und mich überrollen wollten.
Toby erwiderte nicht einmal etwas, als er meiner Aufforderung nachkam. Vermutlich war er enttäuscht und ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Ich wusste, dass er gerne weitergehen würde, den nächsten Schritt wagen, wie auch immer dieser aussah. Immerhin war fast schon wieder Weihnachten und das hieß, dass wir in den letzten vier Monaten nicht wirklich Fortschritte gemacht hatten. An seiner Stelle wäre ich es auch leid, immer nur Blowjobs verteilen zu dürfen, jedoch selbst nicht zum Zuge zu kommen.
Wir hatten es einmal versucht, ob vielleicht wenigstens ein Handjob drin war, doch nach einem kurzen, halbherzigen Streicheln meinerseits hatten wir es gelassen. Ich kam nicht darüber hinweg, dass es mir Angst machte, ihn oder Roger an solch intimen Stellen zu berühren. Dabei hatte Roger Toby sogar schon gefickt, während dieser mir einen blies und es hatte mich nicht gestört. Ich verstand mich selbst nicht.
Noch schlimmer war es aber, dass ich es selbst wollte. Ich wollte ihn berühren, überall, auch im Intimbereich. Doch das blieb mir verwehrt. Frustriert seufzte ich bei dem Gedanken.
Sofort fragte Toby alarmiert: »Ist alles in Ordnung?«
»Ja.« Ich lächelte, um zu zeigen, dass es stimmte, doch so ganz gelang es mir nicht. »Ich hab nur daran gedacht, dass ich gern mehr tun würde, als mir nur einen blasen zu lassen.«
Toby missverstand meine Aussage gründlich. Frivol grinste er und richtete sich etwas auf. »Nur zu, ich werd dich nicht daran hindern.«
Unweigerlich schmunzelte ich. »So meinte ich das nicht. Es nervt mich, dass ich es mich trotzdem nicht traue.«
»Hat Peter es dir verboten?« Mittlerweile war sowohl Toby als auch Roger klargeworden, dass ich vieles genau deshalb nicht tun konnte, weil es früher irgendwann mal gegen die Regeln verstoßen hätte.
»Nein.« Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah nachdenklich zur Decke. »Ich wusste nur, dass es ihn dennoch stört, und hab ihn damit provoziert.«
Toby legte seinen Kopf auf meine Brust und sah zu mir hoch. Seitdem ich vor zwei Monaten angefangen hatte, im Forum zu schreiben, fiel es mir auch gegenüber ihm und Roger immer leichter, darüber zu reden, wenn auch nur bruchstückhaft. Dennoch konnten sie sich wohl vieles zusammenreimen.
Am Anfang war es merkwürdig gewesen, jemand anderem davon zu erzählen. Doch zu lesen, dass es auch anderen so ging, hatte dafür gesorgt, dass ich mich recht schnell dazu durchringen konnte, zumindest andere zu fragen, wie es ihnen damit ging und letztendlich auch nach und nach von mir zu berichten. Doch noch war es nicht immer so einfach. Ich wollte kein Mitleid von Toby und Roger, immerhin war ich selbst schuld. Viel zu häufig erweckten sie dennoch den Eindruck, als würden sie mich bedauern. Trotz allem tat mir der Körperkontakt gut, selbst wenn ich nicht vorhatte, mehr als nur diese Kleinigkeit zu verraten.
Bevor Toby also mehr Fragen stellen konnte, strich ich ihm über die Wange und lächelte ihn an. Es war merkwürdig, ihn mal in dieser Position zu sehen, doch ich fand es süß. Genau das teilte ich ihm dann auch aus Ermangelung eines anderen Themas mit.
Prustend richtete Toby sich auf. »Ah ja, süß? Sicher, dass du mich da nicht mit jemandem verwechselst?«
»Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genau dich meinte.« Ich griff nach seinem Nacken und zog ihn zu einem langen Kuss heran.
Da ich wusste, dass Toby auf das alte Thema zurückkommen würde, wenn ich ihn nicht ablenkte, verlängerte ich den Kuss immer weiter, ließ uns beiden nur kurz Zeit, um etwas Luft zu schnappen, bevor ich seine Lippen wieder einfing. Nach einer Weile zeigte das auch die gewünschte Wirkung und ich merkte, dass er sich vor Lust an mich drückte.
Kurzerhand erfüllte ich ihm den unausgesprochenen Wunsch nach mehr Körpernähe und drückte ihn auf die Matratze und ließ mich auf ihn gleiten. Unweigerlich spürte ich dabei seine Erektion, die sich hart gegen meinen Oberschenkel drückte. Doch diesmal war ich nicht mehr ganz so zimperlich und rückte seinen Penis etwas zur Seite, damit ich ihn nicht zu sehr quetschte. Vermutlich ging das aber nur deshalb so einfach, weil er noch immer von der Shorts bedeckt war.
Erst als Toby sich krampfhaft aus dem Kuss löste und ein gestöhntes »Hosen aus« seinen Mund verließ, merkte ich, dass ich unbewusst angefangen hatte, mein Becken gegen seines zu bewegen, wie er es zuvor bei mir getan hatte. Doch ich musste ihm recht geben, mit der Unterhose wurde es langsam unbequem.
»Bleib liegen«, raunte ich und richtete mich auf, um mich erst einmal selbst von dem Stoff zu befreien, bevor ich Toby half.
Während sein fast vollständig erigierter Penis langsam unter dem Stoff zum Vorschein kam, entrang sich mir ein heiseres Stöhnen. Sah das Teil schon immer so geil aus? Und dann glänzte die Spitze auch noch so verführerisch.
Toby erwiderte den Laut, als er vollständig entkleidet war und sich sein Schwanz schwer auf seinen Bauch legte.
Ich sah zu, dass ich schnell wieder in meine ursprüngliche Position kam. Sonst wäre ich vielleicht doch noch auf dumme Ideen gekommen, was man alles ausprobieren könnte. Diesmal musste Toby ihn sich selbst zurechtrücken, denn auch ohne Worte oder ein Zeichen von mir, schien er daran zu denken, dass es für die Stimmung zuträglicher war.
Es hinderte mich jedoch nicht daran, die Bewegung von vorher wieder aufzunehmen. In diesem Moment konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als das Gefühl seines Schwanzes an meinem und daher gab ich den Kuss auf und rutschte etwas nach unten. Synchron keuchten wir auf, als ich mein Ziel erreichte.
Erstaunt stellte ich fest, dass Toby sich auf die Unterlippe biss, als ich die erste zaghafte Bewegung machte. Fuck, lag es an mir oder war er heute wirklich so unglaublich niedlich? Letztendlich war das aber egal, es führte zum selben Ergebnis: Ich wollte ihn!
Die Erkenntnis traf mich hart und fühlte sich trotzdem richtig an. Nicht ein einziger Funken Zweifel oder Angst trübte sie. Erschrocken über mich selbst, stockte ich.
»Oh Gott, mach weiter!«, forderte Toby und griff nach meiner Hüfte, um sich dagegen zu bewegen.
Wie sollte ich dem denn widersprechen? Mit meinen Knien drückte ich seine Beine etwas auseinander, bis ich dazwischen passte. So war es viel leichter, mich zu bewegen.
Als sich Toby genussvoll stöhnend unter mir wandt, wurde mir bewusst, dass es nur wenige Handgriffe bräuchte, um mein Verlangen wahr werden zu lassen. Ich riss mich von dem Anblick unserer aneinanderreibenden Schwänze los und sah auf. Unsere Blicke trafen sich und ich meinte, in seinem lesen zu können, dass er es sich auch wünschte.
Mit den Händen griff ich unter seine Kniekehlen und stellte seine Beine auf. Schon der Gedanke daran machte mich so verrückt, dass ich mich beeilen musste, wenn ich es wirklich in die Tat umsetzen wollte, ohne bereits vorher zu kommen. Eine kurze Pause hätte das Problem sicher gelöst, doch die wollte ich nicht. Ich wollte ihn! Jetzt!
Durch die neue Position drängte ich mich automatisch stärker an ihn, was ihn leise fluchen ließ. Doch das nahm ich nur am Rande wahr. Es schien auch nicht wichtig, immerhin packte er mich fester an der Hüfte und bewegte sich mir entgegen. Eilig beugte ich mich vor, um mir ein Kondom aus der Schale zu fischen.
So weit kam es jedoch nicht mehr. Mit einem leisen Fluch drückte sich Toby mir noch fester entgegen. Überrascht blickte ich nach unten und sah, wie er sich zuckend auf seinen Bauch ergoss. Scheinbar hatte nicht nur ich es etwas sehr genossen. Fasziniert starrte ich auf die milchige Flüssigkeit.
Lange blieb mir dafür jedoch keine Zeit. Denn kaum hatte Toby tief durchgeatmet und sich kurz mit der Hand durch das Gesicht gewischt, fiel sein Blick wieder auf mich. Etwas, das ich nicht deuten konnte, lag darin. Es machte mir Angst. Nicht die Art von Angst, die zu Panik führte, sondern eine sehr unterschwellige Angst, die sich gemächlich vorwärts fraß, sich ihren Weg bahnte, wie sehr langsam wirkendes Gift.
Bevor ich auch nur dazu kam, näher darüber nachzudenken, richtete Toby sich auf und drückte mich aufs Bett.
Erschrocken sah ich zu ihm auf, doch mittlerweile lächelte er wieder und befand sich nun in derselben Position vor mir, wie ich gerade noch vor ihm. Mit einem kurzen versichernden Blick griff er nach meiner Erektion.
Zum Glück hatte Tobys Blick meine Lust nicht komplett gekillt, sodass er wieder vergessen war, sobald er mich streichelte. Ich dachte nicht mehr darüber nach, sondern drückte mich einfach nur der Hand entgegen, die mich schnell zum ersehnten Orgasmus wichste.
Am liebsten wäre ich danach mit Toby zusammen unter die Dusche gegangen, doch er hatte sich, nachdem ich gekommen war, schnell etwas übergezogen und war verschwunden. Mir war nichts anderes übrig geblieben, als ihm verwundert nachzusehen und allein ins Bad zu gehen.
War sein Verlangen nach einer Zigarette wirklich so stark? Na ja, wenn Roger damals nicht ein bisschen geflunkert hätte und die Menge, die Toby rauchte, tatsächlich davon abhängig wäre, wie gut der Sex war, hätte es mich nicht einmal gewundert, wenn er es wirklich deshalb so eilig hätte. Aber das war nur meine Meinung, vielleicht sah er das auch völlig anders.
Ich war noch nicht einmal unter der Dusche, als es laut wurde. Wäre nicht im selben Moment ein lautes Scheppern zu hören gewesen, hätte ich es auf das hellhörige Haus geschoben. Es war nichts Ungewöhnliches, sie im Bad zu hören, wenn sie noch etwas rummachten, während ich duschen war. Doch das Scheppern passte nicht dazu. Genauso wenig wie Rogers laute Stimme.
Es brauchte einen Moment, bis mir bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte. Roger und Toby stritten sich! Ich konnte keine Worte verstehen, doch Rogers Stimme klang fast schon nach einem Brüllen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Das hieß definitiv nichts Gutes. So weit ich mich erinnern konnte, hatte ich sie nie schreien hören, wenn sie sich stritten.
Unweigerlich zog ich den Kopf ein und schlich in die Dusche. Auch wenn ich nicht wusste, worüber sie stritten, es war mir klar, dass es dabei um mich ging. Vermutlich war das der Grund gewesen, weshalb Toby das Schlafzimmer so schnell verlassen hatte. Jetzt konnte ich auch seinen Blick zuordnen, den er mir zugeworfen hatte, nachdem er gekommen war: Schuld! Ich brauchte nicht einmal lange darüber nachdenken, warum er so empfunden hatte. Sobald mir bewusst wurde, was der Blick zu bedeuten hatte, fiel mir auch der Grund wie Schuppen von den Augen.
Frustriert schlug ich mit der Faust gegen die Wand und ließ dann den Kopf dagegen sinken. Scheiße! Ich war so ein elendes Arschloch!
Während mir das Wasser der Dusche auf den Rücken prasselte, versuchte ich, meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Ich musste verhindern, dass sie zu sehr in die Vergangenheit abdrifteten. Ich hatte es schon wieder getan! Ich hatte mich mutwillig über die Regeln hinweggesetzt.
Dennoch verstand ich nicht, warum Roger deshalb Toby anschrie. Das war allein meine Schuld!
Ich war kurz davor, die Dusche abzudrehen und Roger das klarzumachen, als mich die Erinnerungen einholten. Zitternd ließ ich mich auf den Boden sinken.