Roger schien wirklich ausnutzen zu wollen, dass Toby nicht da war, denn sobald wir gefrühstückt hatten, backte er Waffeln, die wir über den Tag verteilt auf dem Sofa liegend verdrückten. Wäre sein Freund da gewesen, hätte dieser sicher gemeckert, doch davon ließen wir uns nicht aufhalten. Er war der Einzige, der glaubte, nur wegen der paar zusätzlichen Kalorien sofort zuzunehmen. Wäre das wirklich der Fall, hätten wir am Abend sicher fünf Kilo mehr auf die Waage gebracht, denn Roger ließ es sich nicht nehmen, zum Mittag eine große Pizza für uns zu bestellen.
Und so verbrachten wir dann auch den Tag. Während wir allen möglichen ungesunden Kram in uns reinschaufelten, kuschelten wir auf der Couch und sahen uns irgendwelchen Schrott im Fernsehen an. Nicht nur er genoss es, den Tag nicht allein zu verbringen. Das letzte Mal, das ich den Tag über Gesellschaft hatte, war schon ziemlich lange her.
Am späten Nachmittag, Roger war gerade auf Toilette, klingelte es an der Tür. Kurz überlegte ich, ob es wirklich in Ordnung war, sie zu öffnen, entschied mich dann aber dafür. Ich wollte ja niemanden reinlassen, sondern nur die Person auf der anderen Seite daran hindern, wieder zu verschwinden. Allzu lange sollte es ja nicht dauern, bis Roger dazukam.
Womit ich jedoch nicht gerechnet hatte, war, dass mich mein Gegenüber genauso verwirrt anschauen würde wie ich ihn. »Äh, hi.«
»Hallo Marienkäfer. Du auch mal wieder hier?«
Was sollte das denn jetzt heißen? So ungewöhnlich sollte es doch auch nicht sein. »Ja, bin ich öfter.«
Zombie grinste. Toll, durfte ich auch mitlachen? Ich kam mir nämlich gerade etwas dämlich vor, wie ich in der Tür stand und nicht wusste, ob ich ihn reinbitten sollte oder nicht. Vielleicht hätte ich doch einfach auf dem Sofa sitzen bleiben sollen.
Doch der Ausdruck verschwand schnell wieder und sein Gesicht wurde ernster. »Bist du allein hier? Oder sind Toby und Roger auch da?«
»Roger ist da.«
»Und du hast dich jetzt dazu entschlossen, mich daran zu hindern, reinzukommen?« Lange hatte seine Ernsthaftigkeit ja nicht gedauert, denn er schmunzelte schon wieder.
Aber gut, ich fand mich ja selbst lächerlich, wie ich da in der Tür stand und nicht wusste, was ich tun oder sagen sollte. »Nee, Roger konnte grad nicht, deswegen bin ich rangegangen. Kannst du noch einen Moment warten?«
»Klar.« Er lächelte noch einmal, dann ließ er den Blick in eine unbestimmte Richtung wandern.
Ich blieb in der Tür stehen, hatte jedoch keine Idee mehr, was ich noch sagen sollte. Dafür musterte ich ihn. Er sah etwas blass und ausgemergelt aus, aber das wunderte mich nicht weiter. Soweit ich wusste, war er erst vor ein paar Tagen von einer längeren Tour nach Hause gekommen. Schon damals hatte ihn das teilweise sehr geschlaucht und ich bezweifelte, dass es mit dem Alter besser geworden war. Vermutlich brauchte er nun noch länger, um sich davon zu erholen.
»Hey, haben wir heute Tag der offenen Tür?«, hörte ich Roger hinter mir, dann entdeckte er Zombie. »Oh, hi Mat.«
»Hi. Ich wollte eigentlich mit Toby reden, aber er ist nicht da?«
»Nein, er muss arbeiten. Du kannst aber gern auf ihn warten, er sollte auch bald heimkommen«, bot Roger an.
»Ist das denn in Ordnung?« Zombies Blick glitt zu mir.
Roger wuschelte mir durch die Haare. »Klar, warum nicht? Na los, komm rein oder willst du vor der Tür stehenbleiben?« Ohne weitere Vorwarnung wurde Zombie am Handgelenk gepackt und in den Flur gezogen. Ich konnte nur den Kopf schütteln und die Tür schließen.
In der Zeit waren die beiden schon fast im Wohnzimmer angekommen. Zombie sah über die Schulter mit zusammengezogenen Augenbrauen zu mir, während Roger ihn hinter sich herzog. Da ich bezweifelte, dass Roger für Zombie eine Ausnahme machen würde, was das Sexverbot bis zum Test anging, folgte ich den beiden. Zumal ich mir immer noch nicht vorstellen konnte, dass sie wirklich Sex miteinander haben sollten. Klar, ich hatte es ja schon einmal mehr oder weniger gehört, aber vorstellen konnte ich es mir trotzdem nicht. Das wollte nicht zusammenpassen.
»... nach dir sehen. Wie geht’s dir?«, fragte Zombie gerade, als ich dazu kam. Er stand Roger gegenüber, der sich wieder auf die Couch gesetzt hatte.
Der Gefragte zuckte mit den Schultern und versuchte sich an einem Lächeln. »Es geht. Ich versuche einfach, so gut es geht, nicht daran zu denken. Der Kleine war so nett, mir dabei für heute zu helfen.«
»Soso, du bist also doch zu was gut?« Auch wenn Zombie mich grimmig ansah, früher hätte er das nicht wirklich ernst gemeint und ich ging davon aus, dass sich das nicht geändert hatte. Daher nickte ich einfach und zuckte mit den Schultern.
»Wenn du auf Toby warten willst, kannst du dich auch setzen, du musst nicht die ganze Zeit stehen.«
»Auch. Ich wollte vor allem wissen, wie es dir geht.« Zombie sah sich unsicher um und setzte sich dann an den Rand des Sessels. Während ich um den Tisch herum ging, um mich wieder auf die Couch zu setzen, blickte er zu mir, dann wieder zu Roger. Ich warf ein Kissen zur Seite, da rief er: »Tabakkäfer, fang!«
Automatisch wandte ich mich in seine Richtung und fing die Zigarettenschachtel. Verwundert sah ich ihn an.
»Geh mal bitte raus eine rauchen.«
Ich wollte protestieren, da bemerkte ich Rogers ernsten Blick. »Isaac, bitte.«
Genervt verdrehte ich die Augen. Na danke! Ich warf die Zigaretten zurück und ging nach draußen auf die Terrasse, jedoch nicht, ohne vorher noch einmal beiden einen bösen Blick zuzuwerfen. Ernsthaft, so schnell war ich abgeschrieben? Toll und dafür war ich den Tag bei Roger geblieben, damit er sich bei nächster Gelegenheit jemand anders suchte, der ihn bespaßte?
Ich ließ mich in den einzigen Stuhl fallen, der bereits auf der Terrasse stand. Noch war es zu kalt, um dort zu frühstücken, daher saß wenn dann nur Toby draußen, um zu rauchen.
Während ich mich still über den Rauswurf ärgerte, kam Toby nach Hause. Er bemerkte mich schon, als er die Straße entlanglief und kam durch das Gartentor hinein. »Was machst du denn hier draußen?«
»Wurde rausgeworfen. Roger hat eine bessere Beschäftigung gefunden.« Noch immer angepisst deutete ich durch die Scheibe hinter mir.
Toby warf einen Blick hindurch und seufzte leise.
»Er wollte übrigens eigentlich mit dir reden.«
Seine Miene verzog sich kurz, wurde dann mitleidig. »Sorry, Kleiner, aber kannst du noch eine Weile draußen bleiben?«
Was? War das sein Ernst? Ich wollte meckern, doch sein bittender Blick hielt mich davon ab. Na schön, dann blieb ich eben draußen. Höflich reagieren wollte ich dennoch nicht. Daher blieb ich einfach stumm.
Tobys Miene zeigte, dass er meinen Unmut richtig interpretierte, trotzdem ging er durch die Terrassentür nach drinnen.
Ich sah ihm nach. Im Inneren war Zombie sofort aufgestanden, während Roger etwas zusammengesunken auf der Couch saß. Toll, da hatte dieser unsensible Idiot ja ganze Arbeit geleistet. Was hatte er Roger erzählt? Irgendwelche Horrorstorys? Das war wohl nicht die Intention gewesen, als sie es Zombie erzählt hatten. Sie hätten sich wohl eher Rat von ihm erhofft, als dass er Roger noch mehr runterzog. Das schien Toby auch so zu sehen, denn er baute sich vor ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Nicht nur ich fand das einschüchternd. Auch Zombie wurde sichtbar kleiner und nervöser.
Zufrieden drehte ich mich auf dem Stuhl wieder um. Wenigstens bekam er sein Fett dafür weg. Damit war ich dann schon versöhnter, auch wenn es mir noch immer nicht gefiel, wie ein Kind rausgeschickt zu werden.
Nach einem kurzen Moment ging die Tür wieder auf und Roger tauchte in meinem Blickfeld auf. Er stellte sich vor mich und legte mir seine Hand auf das Knie. »Toby hat gesagt, du wärst wütend? Tut mir leid, aber ich musste das mit Mat allein klären.«
Ich blickte stur geradeaus. So einfach wollte ich mich nicht abspeisen lassen.
Roger seufzte. »Hör zu, du wolltest, dass wir dich behandeln wie früher. Wenn du keine Sonderbehandlung willst, dann solltest du auch keine erwarten. Was ich mit Mat zu reden hatte, ist Privatsache.«
Ja, danke, das hatte ich auch schon vorher kapiert: Ich war halt nur eine billige Affäre. Dennoch wurmte es mich, so einfach ausgeschlossen zu werden. Die ganze Zeit behandelten sie mich wie einen Freund und dann wurde ich plötzlich nur noch die Affäre.
»Na, von mir aus, dann zick halt rum«, beschloss Roger und ging in den Schuppen. Ich hörte ihn darin rumräumen, vermied aber jeden Blick in diese Richtung.
Stattdessen sah ich erneut nach drinnen. Toby und Zombie standen mitten im Raum. Während Tobys Blick auf ihm lag, hatte Zombie seinen etwas gesenkt. Es war merkwürdig. So hatte ich den Drummer noch nie gesehen. Er sah wirklich gestresst aus. Entweder machte Toby ihn gerade richtig zur Sau oder ihm lag etwas sehr Wichtiges auf dem Herzen.
Sie diskutierten eine ganze Weile miteinander, bis Toby die Arme lockerte und eine Hand auf Zombies Schulter legte. Er lächelte, beugte sich ein Stück hinunter und sagte etwas. Zombie nickte und reichte ihm die Hand, wirkte jedoch noch immer verunsichert. Sie schlugen ein, wechselten noch ein paar Worte, dann sah Zombie auf und sein Blick traf meinen. Sofort drehte ich mich wieder herum, tat so, als wäre ich mit meinem Handy beschäftigt.
Die Terrassentür öffnete sich erneut. Natürlich war es Zombie, der einen Moment später vor mich stand. Doch er beachtete mich nicht weiter und ging direkt in den Schuppen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass auch Toby folgen würde, doch er kam nicht.
Da ich nicht einsah, derjenige zu sein, der auf Toby oder Roger zuging, blieb ich sitzen und starrte auf mein Handydisplay. Sinnlos blätterte ich durch meine Musikdateien, konnte mich aber nicht dazu entscheiden, mehr mit ihnen anzustellen, als die Auswahl immer wieder über sie hinweggleiten zu lassen.
»Hey, Stinkstiefel«, vernahm ich ein paar Minuten später Zombies Stimme. »Hör auf zu zicken und geh wieder rein.«
»Was geht dich das an?«, giftete ich ihn an. »Ich wüsste nicht, dass du mir was zu sagen hast.«
Er lachte und machte mich damit noch wütender. »Wie du willst. Ich dachte nur, ich geb dir mal den Tipp, bevor du noch ein paar Stunden hier sitzt, weil du zu stolz bist.«
»Danke, du kannst dir deinen Rat sonst wohin stecken. Ich brauch ihn nicht. Ich bin erwachsen und kann für mich selbst denken.«
»Vielleicht solltest du dich dann auch so verhalten?« Ich sah auf, um Zombie einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, doch er ignorierte ihn und sah mich weiter ernst an. »Ernsthaft, geh da rein und hör auf hier rumzuzicken! Die beiden brauchen grad einen Freund und kein bockiges Kleinkind.«
»Sie haben doch dich.« Wenn sie mich schon wegschickten, sobald er kam, konnte er sich doch auch um sie kümmern. »Scheinbar ...«
»Nein, glaub mir, ich bin nicht die Art Freund, die sie gerade brauchen.« Zu allem Überfluss lächelte er mich jetzt auch noch an.
»Das hätten sie sich vielleicht überlegen sollen, bevor sie mich rausgeworfen haben.«
Augenblicklich veränderte sich der Gesichtsausdruck. »Geht’s dir eigentlich noch ganz gut?! Deine Freunde haben Angst, weil Roger krank sein könnte und sie nicht wissen, wie es dann weitergehen soll, und du zickst lieber rum, weil du mal kurz rausgeschickt wurdest, weil dich nun mal nicht alles etwas angeht, statt für sie da zu sein? Ist dir eigentlich klar, wie viel Angst Roger hat, Toby zu verlieren wegen dem Scheiß?! Aber du su...«
Ich lachte auf. »Warum mischst du dich eigentlich ein? Du hast doch gar keine Ahnung! Roger will ihn doch eh loswerden!«
Zombie wollte etwas erwidern, schüttelte dann jedoch irritiert den Kopf und sah mich verwirrt an. »Bitte was? Wie kommst du denn darauf?«
»Weil er es gesagt hat?«
»Ich glaub, da musst du etwas gewaltig falsch verstanden haben.« Noch immer sah er zweifelnd zu mir herunter.
»Ach ja, und das weißt du vorher so genau? Ich glaub kaum, dass man etwas falsch verstehen kann, wenn er mir sagt, dass Toby mich ja sooo braucht, weil er ihm dies und jenes nicht geben kann, aber ich.« Triumphierend sah ich zu Zombie. Er konnte sich ja sonst was einbilden, immer alles zu wissen, aber das war nun mal nicht der Fall.
»Das hat Roger gesagt?« Eine ganze Weile sah er mich abwartend an, nachdem ich genickt hatte, dann schüttelte er grinsend den Kopf. »Dieser Idiot.«
»Schön, dass du darüber lachen kannst, ich kann es nicht! Das ist alles andere als lustig. Mensch, er denkt darüber nach, Toby zu verlassen!«, versuchte ich, ihm verzweifelt klarzumachen. Wie konnte er da bitte lächeln? Gerade hatte er doch noch gesagt, ich müsste ihnen helfen, das zu verhindern und jetzt lächelte er?
»Hey, beruhig dich. Ich bin mir sicher, dass Roger nicht vorhat, Toby in irgendeiner Form zu verlassen. Er befürchtet eher das Gegenteil.« Zombie legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Warum sagt er dann sowas?«
Aufmunternd wurde ich angelächelt. »Weil er manchmal genauso ein Trottel ist wie du. Vertrau mir, wenn Toby ihm nicht sagt, dass er verschwinden soll, würde er niemals gehen. Und jetzt steh endlich auf und nimm die beiden in den Arm oder küss sie oder was auch immer ihr sonst noch macht und sei für sie da. Roger braucht dich nämlich mindestens genauso sehr wie Toby.«
»Was macht dich da so sicher, dass ich nicht einfach nur zur Last falle?«
Nun lachte Zombie und schlug mir auf die Schulter. »Du bist wirklich immer noch genauso naiv wie früher, oder? Weil sie es mir gesagt haben. Und jetzt komm endlich aus dem Arsch!«
Toll, die Beleidigung hätte er sich sparen können. Während ich aufstand, warf ich ihm noch einen bösen Blick zu und machte mich dann auf den Weg in den Schuppen.
Roger stand darin und räumte einige Geräte von einem ans andere Ende. Ich klopfte leicht gegen die Außenwand, um ihn nicht zu erschrecken. Dennoch schien er nicht mit mir gerechnet zu haben und drehte sich überrascht um. »Gehst du?«
»Nein, eigentlich wollte ich noch eine Weile bleiben, wenn ich darf?« Ich lächelte ihn an und ging langsam auf ihn zu.
Er erwiderte das Lächeln und streckte die Hand nach mir aus. »Klar darfst du bleiben. Ich würde mich sehr freuen.«
Ich ergriff seine Hand, überwand die letzten Zentimeter und nahm ihn dann in den Arm.
Eine Weile standen wir so da, er ließ es sogar zu, dass ich ihm beruhigend den Nacken kraulte. Da ich nicht wusste, wie ich es anders anstellen sollte, fragte ich ihn gerade heraus: »Zombie hat gesagt, du hast Angst, dass Toby dich verlässt, wenn du wirklich krank bist. Stimmt das?«
Er nickte, woraufhin ich ihn leicht am Hals küsste. »Warum sollte er das tun?«
Das Schulterzucken schüttelte mich etwas durch. Leise antwortete er: »Ich weiß einfach nicht, wie das funktionieren soll. Ich bin dann eine Gefahr für ihn. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, wie es wäre, nur noch mit ihm Sex zu haben.«
»Warum solltest du dann nur noch mit ihm Sex haben?«
»Ich hätte Angst, jemanden anzustecken. Außerdem werd ich die Leute sicher nicht anlügen und dann hat sich das eh erledigt.« Roger schnaubte leise. »Wer sollte das denn dann noch wollen?«
»Ich zum Beispiel.« Ich ließ meine Hand unter Rogers Shirt wandern und setzte mehrere kleine Küsse auf seinen Hals, während ich ihn näher an mich zog. Was versuchte ich mir eigentlich vorzumachen? Er und Toby waren doch sowieso meine einzige Chance, die würde ich mir von so etwas sicher nicht kaputt machen lassen.
Roger lachte leise und hob dann seinen Kopf, um mich erst ganz sanft, dann aber immer fordernder zu küssen. Ich hatte nicht erwartet, dass meine Worte eine solche Reaktion auslösten.
Plötzlich spürte ich eine weitere Hand auf meinem Schulterblatt. Ich löste mich aus dem Kuss und sah Toby ins Gesicht. Er lächelte leicht. »Darf ich auch mitmachen?«
Roger löste eine Hand von meinem Rücken und legte sie auf Tobys, bevor er ihn leidenschaftlich küsste.
Ich genoss es, ihnen zuzusehen, während ich mehr oder weniger dazwischen stand, und ab und zu selbst einen Kuss abzubekommen. Immer wieder jagten mir wohlige Schauer über den Rücken.
Nach einer Weile wurden die Küsse träger, bis wir ganz aufhörten und uns nur noch im Arm hielten. Leise flüsterte Toby: »Egal was rauskommt, ich lass dich damit nicht allein. Versprochen. Ich hab dir doch gesagt, dass wir für alles eine Lösung finden, solange wir das wollen.«
Roger rang sich ein Lächeln ab und nickte. »Lasst uns reingehen.«
Den Rest des Tages verbrachten wir erst mit Kartenspielen, dann sahen wir uns am Abend ein Basketballspiel an. Während Toby sich in der Ecke zurücklehnte, setzte ich mich davor und lehnte den Rücken an ihn. Roger legte sich seitlich halb auf meinen Oberkörper und ließ sich von Toby und mir streicheln.
Statt zu fragen, ob ich über Nacht blieb, erkundigte sich Roger nach dem Spiel einfach nur: »Wann musst du morgen los? Oder bleibst du hier? Ich muss morgen nur vier Stunden arbeiten, wenn du also warten magst ... Ich würde mich wirklich freuen, nicht allein zu sein.«
»Sorry, ich muss morgen Nachmittag arbeiten.« Entschuldigend sah ich ihn an. Ich verstand es ja, aber montags war ich an der Schule. »Ich kann vielleicht danach wieder herkommen, wenn das in Ordnung ist und ihr wollt«, machte ich den Vorschlag, der Roger hoffentlich wieder etwas fröhlicher stimmen würde, sah dabei aber auch Toby an.
Dieser lächelte seinen Freund an, als sich dessen Miene aufhellte. »Wie wär’s, wenn du nach der Arbeit ins Studio kommst? Dann kannst du mit June und Tim quatschen und bist hier nicht allein. Und wenn Isaac mag und es zeitlich klappt, kommt er dann auch rum und wir fahren zusammen hierher.«
»Ja, das klingt gut.«
»Ich weiß nur nicht, wann ich kommen kann. Ich würde vorher gern noch ein paar Klamotten von zu Hause holen.« An sich klang die Idee nicht schlecht, nur dann würde ich wieder hier schlafen und so viele Klamotten hatte ich dann doch nicht bei ihnen.
»Dann kannst du ja auch Trainingsklamotten holen und mal wieder was tun«, stichelte Toby.
Ich seufzte, nickte aber auch gleichzeitig. Er hatte ja recht, ich ließ das Training in letzter Zeit etwas schleifen.
»Was meinst du, schaffst du achtzehn Uhr? Dann hab ich auf jeden Fall Zeit, euch ein wenig durch die Gegend zu hetzen.«
Roger stöhnte, willigte dann aber ein. Wir wussten beide, dass Toby mit uns deutlich strenger war als mit den anderen Kunden und uns gerne sehr nah an unsere Grenzen brachte. Andererseits konnte man nicht verleumden, dass es sich auszahlte.
»Denn ich teile dein Schmerz
Und ich teile dein Leid
Und ich teile dein Empfinden
Bis ans Ende der Zeit
Und ich streich dir das Haar
Und ich halte dich warm
Zur Nacht«
Joachim Witt – Bis ans Ende der Zeit