Bis Peter seinen Joint aufgeraucht hatte, waren meine Tränen versiegt und ich hatte mich wieder etwas beruhigt. Ich hörte ihn ins Bad gehen und eine Weile später wiederkommen. Behutsam setzte er sich neben mich aufs Bett und streichelte über meine Haare und Nacken, bevor er langsam die Decke anhob und sie zurückschlug, sodass mein Hinterteil frei lag. »Nicht erschrecken«, warnte er vor, ließ mir damit einen Moment, um mich auf das Kommende vorzubereiten. Vorsichtig fuhr er mit der Hand zwischen meine Arschbacken und verteilte Salbe. Kurz zuckte ich zusammen, als ein einzelner Finger sich in mich schob, um sie auch dort zu verreiben. »Schon gut. Es ist vorbei. Ich tu dir nicht mehr weh, hörst du?«
Ich nickte verhalten. Viel brachte es mir nicht, denn es sagte nichts darüber aus, wie lange das anhielt.
Peter seufzte und nahm dann seine Hand weg, um sie mir, nachdem er sie gesäubert hatte, auf die Wange zu legen und sanft darüber zu streicheln. »Hey. Ich will dir ... uns doch gar nicht wehtun.«
»Warum tust du es dann?« Ich konnte nicht mehr. Über ein Jahr lang ging das schon so. Regelmäßig verletzte er mich, wenn er wütend wurde. Zuerst hatte ich versucht, mich zu wehren, dann es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, doch nichts hatte geholfen. Es war immer schlimmer geworden.
Er strich mir ein paar feuchte Strähnen aus dem Gesicht. Bevor er antwortete, zog er mich an sich. »Weil du mich provozierst. Ich sage dir, du sollst etwas sein lassen, und du tust das genaue Gegenteil. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll.«
»Du hast gesagt, es ist okay«, murmelte ich. »Du hast gesagt, solange ich mich an die Regeln halte, ist alles gut.«
»Aber du hältst dich nicht an die Regeln! Glaubst du, ich hab nicht mitbekommen, dass er dich gestreichelt hat? Ich bin nicht dumm. Ich merke doch, wenn du versuchst, jedes kleine Schlupfloch zu nutzen.« Zärtlich wanderten seine Finger von der Wange in meinen Nacken, streichelten mich dort sanft. »Ich liebe dich, Isaac, aber du machst es mir wirklich schwer, es dir zu zeigen und daran zu glauben, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.«
Als er sagte, dass er mich liebte, tanzten ein paar Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich hatte geglaubt, dass sie tot waren, doch nun erhoben sie sich. Nur ganz vorsichtig, als wären sie gerade aus dem Winterschlaf erwacht.
Von mir unbemerkt, hatte ich mich den Streicheleinheiten entgegengestreckt. Ich war diesen ständigen Kampf leid. Mein Körper sehnte sich nach zarten Berührungen und mein Geist sich nach seinen Liebesschwüren. Wann hatte er mich zuletzt so liebevoll berührt? Wann mir das letzte Mal gesagt, dass er mich liebte? Ich wusste es nicht, es musste lange her sein.
Langsam drehte ich den Kopf zu ihm, sah ihm in die Augen. Würde er erkennen, was ich ausdrücken wollte, ohne die Worte, die mir nicht über die Lippen kommen wollten?
Ja, da war er. Der liebevolle Blick aus seinen grünen Augen, den ich so vermisst hatte.
Peter streichelte noch einmal über meine Wange, dann beugte er sich zu einem kurzen, zarten Kuss herunter.
»Ich will das nicht mehr«, flüsterte ich. »Ich will nicht mehr, dass wir uns wehtun. Ich ... Ich will keine anderen Männer mehr.«
Verwundert sah Peter mich an, schluckte. »Bist du dir sicher?«
Ich nickte. Ja, ich war mir sicher. Wenn ich es nicht beendete, machte es mich kaputt. Ich hielt dem ständigen Kampf nicht mehr stand. Und wenn dieser unglaublich liebevolle Kuss, den ich erhielt, dann nicht der letzte war, würden die Wunden hoffentlich heilen.
Noch während des Kusses hatte sich Peter zu mir gelegt und mich an sich gezogen. Zärtlich streichelte er mich, ließ mich vergessen, dass er derselbe Mann war, der mir kurz zuvor noch solche Schmerzen bereitet hatte. Nun sorgte dieselbe Person dafür, dass ich schon bald vor Verlangen nach ihm stöhnte und mich ihm entgegenstreckte. Ich merkte sehr wohl, dass er nur Gleitgel, aber kein Gummi, benutzte, wollte mich jedoch nicht schon wieder mit ihm streiten. Er hatte es so oft ignoriert, da kam es auf das eine Mal auch nicht mehr an. Ich wusste nicht, wie er es schaffte, doch obwohl mir alles wehtat, ergoss ich mich in seine Hand, als ich spürte, wie sich sein Samen in mir ausbreitete. Ein Gefühl, das ich hätte hassen müssen, das ich in dem Moment jedoch genoss.
Noch lange lagen wir schweigend da. Ich hatte mich zu ihm umgedreht und an ihn gekuschelt. Wir streichelten uns zärtlich, küssten uns ab und zu und sahen uns manchmal einfach nur minutenlang in die Augen. Sprechen tat jedoch keiner. So hatten wir schon lange nicht mehr beieinandergelegen. Nicht mehr, seit meinem Auszug aus dem Schlafzimmer.
Ich wollte dieses Gefühl nie wieder eintauschen. Nicht gegen andere Männer und auch nicht gegen die Freundschaft zu Toby und Roger. Nichts konnte das Gefühl ersetzen, dass Peter in mir auslöste.
Am liebsten wäre ich ewig so liegengeblieben, doch irgendwann mussten wir doch ins Bad. Danach verstrich Peter noch einmal zärtlich die Wundsalbe, bevor wir Arm in Arm einschliefen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. »Samsa, was ist los? Du siehst richtig scheiße aus!«
Ich versuchte mich an einem Lächeln. »Danke, Honey, du siehst auch nicht besser aus.«
»Sweetheart, ich hab dich auch lieb.« Lachend schlug Emily mir gegen die Schulter. »Was ist denn passiert?«
»Nichts«, versuchte ich, mich herauszureden. Ich wollte meine privaten Probleme nicht mit in die Band schleppen, doch langsam wurde es schwer, es vor ihnen zu verheimlichen.
Seitdem ich aus New York zurück war, quälten mich wieder jeden Abend die Albträume. An sich wäre das nicht schlimm, ich hatte mich mit den Jahren daran gewöhnt und sie zogen mich nicht mehr so stark runter wie früher. Zumindest die Sorte, in der Peter sich an mir vergriff. Doch leider waren es genau die anderen Träume, die mir in der letzten Zeit das Leben schwer machten. Jene, die mir vor Augen hielten, wie dumm ich gewesen war. In der letzten Nacht hatte mich dann der schlimmste von allen heimgesucht: Die Nacht in Berlin, jene Nacht, in der ich ihm nachgegeben und den Widerstand vollständig aufgegeben hatte.
Ich brauchte nicht einmal darüber nachdenken, was der Grund war. Am Abend zuvor hatte ich es endlich geschafft, Toby und Roger anzurufen. Oder besser: Toby anzurufen. Denn Roger hatte nicht mit mir reden wollen. Nicht einmal über die Lautsprecher zuhören hatte er gewollt. Also hatte ich nur mit Toby geredet und ihm gesagt, dass sich an meiner Entscheidung nichts änderte.
Ich konnte es nicht. Mir war nur zu bewusst, dass ich mich nicht darauf einlassen konnte. Eine Beziehung brachte zwangsweise weitere Regeln mit sich. Wie sollte ich mich daran halten, wenn ich es nicht einmal ein paar Wochen schaffte, nicht betrunken mit anderen Kerlen mitzugehen? Was auch immer sie sonst noch von mir verlangten: Es würde noch schwieriger sein.
Toby hatte mir ruhig zugehört, mir keine Vorwürfe wegen meiner Entscheidung gemacht, dennoch war es ihm anzuhören, dass ihn meine Abfuhr verletzte. Trotzdem war es mir wichtig, mit ihnen reinen Tisch zu machen und ihnen das wenigstens am Telefon mitzuteilen, wenn ich es schon nicht schaffte, zu ihnen zu fahren. Ich hatte Angst, es mir dann doch noch einmal anders zu überlegen.
»Liebeskummer?«, fragte Alexander. Er war zwei Wochen vor New York zu uns gestoßen und hatte sich gleich bei der ersten Probe in unser Herz gespielt. Er war ähnlich ruhig und unscheinbar wie Alan, dennoch war er sozial deutlich angenehmer als sein Vorgänger. Und ihm musikalisch um Längen voraus. In nur drei Wochen hatte er unser Repertoire vollständig draufgehabt.
»Ach Quatsch«, winkte ich ab. Konnten wir bitte anfangen und dieses Gequatsche über mein Privatleben lassen?
Emily nahm mich ohne Aufforderung in den Arm. »Na komm, erzähl schon, was ist los? So schrecklich sahst du nicht mal aus, als sich eure Bandmitglieder verabschiedet haben. Irgendetwas muss doch sein.«
Ich verdrehte die Augen und hoffte, dass sie es nicht sah. Die beiden waren wirklich lieb, aber ich wollte nicht über private Angelegenheiten reden.
»Ist irgendetwas mit Toby und Roger?«, fiel mir Lance ebenfalls in den Rücken.
Böse blickte ich ihn über Emilys Schulter hinweg an. Er wusste doch, dass er die beiden da nicht mit reinziehen sollte.
»Toby und Roger? Ist einer davon dein Freund?« Alexander sah erst zu mir, dann zu Lance, in der Hoffnung, von ihm eine Antwort zu erhalten.
»Wie kommst du darauf, dass ich einen Freund hätte?«
Er hob abwehrend die Hände. »Ich hab nur gehört, dass du nach den Konzerten häufig mit einem großen, blonden Typen beim Knutschen gesehen wurdest.«
»Das sind doch nur irgendwelche blöden Gerüchte! Wie kannst du so einen Scheiß glauben?« Ich machte mich von Emily los, die mich fester an sich drückte. »Honey, es ist lieb, dass du mich trösten willst, aber es ist nichts.«
»Entweder du redest jetzt mit uns, was passiert ist, oder du bekommst das in den Griff und konzentrierst dich«, ermahnte mich Lance und warf mir einen Blick zu, der deutlich machte, dass ihm die erste Variante lieber wäre. »Du hast schon die letzte Woche nichts auf die Reihe bekommen und langsam wird es anstrengend.«
Ich wischte mir über die Augen und massierte meine Schläfen. Ich wollte mich ja konzentrieren, aber der Schlafmangel forderte seinen Tribut. Außerdem wurde das nicht besser, indem sie mich ständig mit Fragen bombardierten. »Ich versuch es ja. Na los, nochmal von vorn.«
Wir packten gerade, unsere Sachen zusammen, da kam Emily erneut auf mich zu. »Samsa?«
»Ja, was ist?« Verwundert blickte ich auf.
»Ich weiß, das ist vielleicht gerade nicht der richtige Augenblick, aber kann ich kurz mit dir reden?«
Ich zuckte mit den Schultern, verstaute die letzten Sachen und bedeutete ihr dann, dass ich zuhörte. »Was gibt es denn?«
»Du hast privat sicher im Moment genug um die Ohren, aber ich hätte da eine Bitte an dich.« Emily sah mich unsicher an und trat von einem Bein auf das andere.
»Was gibt es denn?« Freundschaftlich legte ich ihr die Hand auf den Rücken und führte sie in eine Ecke des Raums. Groß war er zwar nicht und wenn Lance und Alexander wirklich zuhören wollten, dann könnten sie das, aber ich schätzte beide so ein, dass sie verstanden, dass es ein privates Gespräch war.
»Wie gesagt, tut mir leid, dass ich ausgerechnet jetzt damit auf dich zukomme, aber es ist recht dringend, sonst hätte ich noch gewartet.«
Ich lächelte unsere Drummerin an. »Honey, na los, sprich dich aus. Was liegt dir auf dem Herzen? Ich werd dir sicher nicht den Kopf abreißen.«
Sie lachte herzhaft. Zum Glück war sie wirklich nicht mein Typ, denn wenn sie lachte, war sie verdammt süß. »Ich weiß, ihr hattet erst Probleme mit Extreme Goth Records und du magst die Organisation und alles lieber selbst machen, aber ich hab am Wochenende jemanden kennengelernt, der könnte uns vielleicht helfen.«
»Wobei denn helfen?«, fragte ich vorsichtig nach. Ich wollte keine Hoffnungen schüren, die ich hinterher nicht erfüllen konnte. Wenn es tatsächlich um Extreme Goth Records ging, dann war meine Entscheidung nämlich endgültig: Ich würde nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten.
»Sie hat Kontakte überall in der Musikszene und würde gern ein neues Marketingkonzept ausprobieren. Dafür sucht sie ein oder zwei aufstrebende Bands, die das mit ihr versuchen möchten.«
Ich blieb skeptisch. Wirklich überzeugend wirkte das nicht.
»Was sie mir erzählt hat, klang gar nicht so schlecht. Vielleicht willst du es dir ja wenigstens einmal anhören.«
Ich seufzte. So bittend wie sie mich ansah, konnte ich ja kaum ablehnen. Etwas mehr wollte ich dennoch erfahren. »Wo hast du sie denn kennengelernt und hat sie auch Kontakte in unsere Szene?«
Emily nickte mit einem verstohlenen Grinsen. »Ich hab sie auf einer Party in einem Gothic-Club kennengelernt. Ich wollte mir mal anhören, was andere Bands so machen und bin in einen Club gegangen. Da hab ich sie dann getroffen und bin mit ihr ins Gespräch gekommen.«
»Aha ... Warum kommt sie dann nicht selbst auf mich zu, wenn sie doch in der Szene unterwegs ist?«
»Na ja, wenn du nicht alles vögeln würdest, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, würdest du vielleicht auch mal jemanden kennenlernen«, antwortete Emily mir mit einem hämischen Grinsen.
Empört über so viel Dreistigkeit schlug ich ihr gegen den Oberarm. Da ihr Lance aus dem Hintergrund zustimmte, hielt ich danach meinen Mittelfinger in die Luft.
Mein bester Freund näherte sich uns und fing meine Hand aus der Luft. »Sorry, aber ich musste einfach zuhören. Ich find, das klingt zumindest nach etwas, was wir uns mal anhören sollten.«
Ich verdrehte die Augen, zog meine Hand aus seiner und seufzte. »Jaja, schon gut, ich geb mich ja geschlagen.«
»Nein danke«, kam es von beiden unisono. Sie gaben sich ein High Five und lachten wie kleine Kinder. Erneut konnte ich darüber nur die Augen verdrehen, was ihr Lachen befeuerte.
»Kann ich auch mitlachen?« Alexander hing sich von hinten an mich dran und blickte über meine Schulter hinweg zu den anderen beiden.
Ich machte mich aus der Umklammerung los und boxte ihm in die Seite. »Dafür musst du das nächste Mal etwas früher dran sein.«
»Na gut, dann belausche ich euch eben das nächste Mal auch.« Nun hing er sich Lance an den Rücken, der etwas kämpfen musste, um ihn loszuwerden.
Ich sah die drei an und musste grinsen. Mir gefiel die neue Dynamik deutlich besser als die alte. Ich hatte nicht mehr die Befürchtung, dass sich jemand ausgeschlossen fühlte oder sich zurückzog. In dieser Konstellation hatte ich das sichere Gefühl, wir könnten etwas erreichen.