Stille. Eine beinahe aufdringliche, ans Unangenehme grenzende Stille. Dunkelheit. Kopfschmerz. Nur langsam relativierte sich die Anfangs empfundene Dunkelheit zu einem dunklen Dämmern. Neben der Tür befanden sich ein paar bunte Lichtpunkte und im Bodenbereich schien es eine Art Beleuchtung zu geben. Sich zu bewegen schien eine unglaubliche Überwindung kosten zu wollen und ein stechender Schmerz in der linken Armbeuge holte ihr Bewusstsein zurück in die Realität...
Aber es war doch schon vorbei gewesen! Sie hatte den Ärzten praktisch von außerhalb dabei zugesehen, wie sie den Defibrillator zurückgestellt hatten! Sie hatte sich doch daliegen und die Nulllinie des Kardiographen gesehen, den penetranten Ton vernommen, den diese Dinger von sich geben, wenn ein Herz aufgehört hat, zu schlagen...
Die Injektionsnadel hatte sich schmerzhaft tiefer in die Armbeuge geschoben beim Versuch nach einem Lichtschalter, einer Klingel zu suchen. Der Eisengeschmack im Mund und die Schmerzen vom Tubus gaben ihr schließlich die Gewissheit, dass sie doch nicht durch das helle, grellweiße Licht am Ende des Tunnels gegangen war. Sie war also tatsächlich zurückgekommen! Erstaunt stellte sie fest, dass sie ihr Überleben nicht wirklich begrüßte... Es hatte sich so leicht, so sorglos angefühlt, gestorben zu sein. Frei von jeglichen Verpflichtungen, vom Druck Irgendjemandes Erwartungen erfüllen zu müssen... Und nun?
Die zahlreichen Leitungen, die zur Maschine führten waren abgenommen worden, das EKG-Gerät abgeschaltet. Man hatte sich so bemüht, dieses Leben zu retten. Eine zutreffende Diagnose zu treffen war sehr schwierig gewesen und man hatte schließlich erkannt, dass ihr Blut begonnen hatte, sich zu zersetzen, aber wie es dazu gekommen war oder was diesen Prozess ausgelöst hatte war nicht wirklich nachvollziehbar. Mit mehreren Blutkonserven wurde versucht, ihren Verfall zu stoppen.
Enttäuscht hatte der Arzt den Todeszeitpunkt eingetragen und das Leintuch über das Gesicht der jungen Frau gelegt, in dem Bewusstsein wieder einmal den Kampf um ein Menschenleben verloren zu haben, als er eine Bewegung ihrer Hand wahrnahm. Was er erst als durch die Wiederbelebungsversuche elektrisch bedingte Muskelzuckungen abtat, ließ ihm aber keine Ruhe und er fühlte noch einmal ihren Puls von Hand...
"Hiergeblieben, Kollegen!" rief er. "Sie lebt!"
Sie versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was passiert war. Warum sie offensichtlich in einem Krankenhaus gelandet war. Was hatte dazu geführt? War es ein Unfall gewesen? Oder eine Erkrankung? Und diese Nahtoderfahrung, das Licht... Totale Verwirrung! Sie konnte noch keinen klaren Gedanken fassen und versuchte das Erlebte soweit einzuordnen, sich soweit zu beruhigen, dass sie zutreffende Schlussfolgerungen ziehen können würde. Darin war sie immer schon gut gewesen... aber sie war nicht fähig, sich ausreichend zu konzentrieren! Noch nicht...