Rudi war mittlerweile gegangen und Helmut beschloss, nun endlich nach Hause zu fahren, eine Kleinigkeit zu essen und sich dann nochmal hin zu legen. Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, nochmal nach Petra zu sehen.
"Mich hats wohl wirklich erwischt!" dachte er bei sich und widerstand der Verlockung. Er räumte seinen Schreibtisch noch auf und stand auf um zu gehn, hielt plötzlich inne und wandte sich nochmals dem Papierstapel zu. Im Laborbericht hatte ihn etwas stutzig gemacht. Er hatte nicht sofort geschaltet, doch vor Verlassen des Raumes wurde ihm klar, was ihm ganz unbewusst aufgefallen war...
Petra hatte eine Weile geschlafen und nun nach der Schwester geklingelt. Großer Durst plagte sie. Monika brachte ihr etwas Tee und Petra bat sie, ihr doch etwas zum Zähneputzen zu bringen und einen kleinen Spiegel und eine Haarbürste vielleicht. Sie hatte einen abscheulich Geschmack im Mund und außerdem war sie schon immer sehr auf ihr Äußeres bedacht gewesen. Monika half ihr beim Zähne putzen und hielt ihr auch ein kleines Schüsselchen zum Gurgeln hin, Spiegel hatte sie aber keinen mitgebracht, was Petra sofort aufgefallen war... Die kleine Schüssel aber, war aus verchromtem Stahl und spiegelte zwar etwas trüb, aber durchaus erkennbar ihre Augen, weshalb sie sich kräftig verschluckte. "Einen Spiegel! Bitte Schwester Monika! Ich weiß, sie meinen es gut, aber bitte bringen sie mir einen Spiegel! Jetzt gleich!" japste sie, als sie wieder Luft bekam.
"Ich halte das für keine gute Idee, Frau Hager. Wie sie im Moment aussehen ist doch völlig nebensächlich. Sie müssen bedenken dass jede Heilung Zeit braucht und sie werden bald wieder wie neu sein. Sie dürfen sich nicht so aufregen!"
"Ich flehe sie an, Schwester! Ich muss in einen normalen Spiegel schauen. BITTE!"
Schwester Monika atmete resigniert aus.
"Dr. Burger wird mich töten!" murmelte sie und stand auf, um einen Spiegel zu holen. Durch den Anschlag auf Petra, bei dem sie praktisch erstickte, war es zu massiven Einblutungen in ihre Augen gekommen, so dass die Augäpfel blutrot gefärbt waren und kein weißer Schimmer mehr auszumachen. Ihr Haar hing zerzaust an ihren Wangen herunter und sie hatte bemerkt, dass ihr Haare ausfielen. Dunkle Augenringe, die typische Blässe einer totkranken Frau und das nicht besonders kleidsame Krankenhausnachthemd taten ein Übriges.
"Frau Hager tun sie es nicht! Sie regen sich nur wieder furchtbar auf und zwar völlig unnötig! Sie werden sehen, morgen sehen sie schon viel besser aus..."
Aber Petra ließ es sich nicht nehmen, in den Spiegel zu sehen.
"Gott, bin ich hässlich! Ich seh ja aus als wär ich tot! Und meine Haare, mein Gesicht... Wie ein Zombie! Wie könnt ihr mir nur alle so freundlich ins Gesicht sehn, ohne euch abzuwenden? Ich bin abgrundtief hässlich! Und Dr. Burger behandelt mich, als sei ich eine Schönheitskönigin... "
"Für ihn sind sie das!" sagte Monika, die begonnen hatte Petras Haar zu bürsten, "Frau Hager, ich kenne Dr. Burger lang und gut und ich werde ihnen jetzt ein Geheimnis verraten: Er weiß, wie schön sie bald wieder sein werden und er ist, wie ich glaube total verschossen in sie. Sie bedeuten ihm offensichtlich sehr viel. Er ist zwar zu allen Frauen freundlich, aber er ist alles andere als oberflächlich! Und wie er mit ihnen umgeht, sowas hab ich bei ihm noch nie erlebt. Es muss ihn arg erwischt haben, aber bitte sagen sie ihm auf keinen Fall, dass ich ihnen das gesagt habe, ok? Auf gar keinen Fall..."