Karsten liebte diesen Film, schon wegen seiner angebeteten Angelina mit diesen fantastischen Hörnern in der Hauptrolle, und es schien auch genau die richtige Idee für ihren Besuch zu sein. Die kleine Nichte kuschelte mit weit aufgerissenen Augen in der aprikotfarbenen Federboa auf der Couch und vergaß vor lauter Aufregung, noch mehr Erdnussflips zu essen.
„Ihr zwei solltet euch sehen“, bemerkte Moritz. „Eine ist noch aufgeregter als die andere. Dabei wisst ihr doch wie ‚Dornröschen‘ ausgeht.“
„Pssssst, sei bitte leise“, mokierte sich die Kleine, „jetzt kommt die Stelle mit dem Drachen!“
„Dann wird es doch aber sowieso laut.“
„Leise Schatz! Wir leiden hier! Nicht wahr, meine Süße?“
Moritz grinste und nickte. Ja, das war klar zu sehen, wie sein Dicker und Rosemarie litten. Karsten konnte nicht aufhören zu futtern und das Mädchen kuschelte sich ängstlich an ihn.
„Ich hole euch noch mehr Flips“, gab Moritz sich geschlagen und wollte zur Küche.
„Wenn du schon gehst, mein Mo, schau doch bitte, ob noch etwas Limo da ist.“
„Ja, klar. Sonst noch was?“
Es kam keine Antwort, denn inzwischen war der Kampf der Fee mit dem bösen König voll entbrannt. Also holte Moritz den Nachschub und ließ sich wieder in den Sessel plumpsen. Nicht, dass die beiden dies bemerkten. Er schob die Limo in die Mitte.
„Bitte.“
„Danke, mein Mo!“
Also doch. Er konnte sich tatsächlich zumindest in Teilen gegen die göttliche Angelina durchsetzen.
„Sag mal, Onkel Charlene“, hub Rosemarie jetzt mit einer Frage an und wirkte plötzlich ernst. „Wie ist das eigentlich mit dem Kuss wahrer Liebe?“
Moritz spitzte die Ohren. Mal hören, was Onkel Charlene dazu sagen würde.
„Jaa, also, wie meinst du das denn, meine Süße?“, spielte dieser nun gekonnt auf Zeit und warf seinem Partner einen hilfesuchenden Blick zu. Der dachte allerdings nicht daran, ihn so schnell aus der Schlinge schlüpfen zu lassen. Karsten würde einer Achtjährigen sicher nicht erzählen, wo überall sie beide sich Küsse wahrer Liebe gaben.
„Du bist doch auch ein Mann, richtig?“, setzte das Mädchen erneut an.
Karsten nickte. „Aber jaa, Kleines. Nicht immer, aber doch die meiste Zeit, tagsüber jedenfalls, irgendwie.“
Moritz war gespannt, worauf die Nichte so unbekümmert hinauswollte.
„Wie hast du denn da gemerkt, dass du den Moritz küssen willst?“, platzte es aus Rosemarie heraus, so ehrlich und direkt wie Kinder eben manchmal sind.
Jetzt wurde es richtig spannend und Karsten zupfte erst noch etwas ratlos an den pastellfarbenen Federn der Boa, dann schien er eine Idee zu haben.
„Sag mal, Rosemarie. Gibt es da bei dir in der Klasse auch jemanden, den du küssen möchtest?“
Die Kleine musste nicht lange überlegen.
„Da sind sogar zwei Jungs, die ich nett finde“, gab sie zu.
„Gleich zwei!“, rief Karsten freudig aus.
„Jetzt bleib bei der Sache, mein Moppel.“
„Ich bin“, betonte Karsten nun, wie nur Charlene es konnte, „voll bei der Sache.“
An seine Nichte gewandt fuhr er fort. „Hast du da vorher drüber nachdenken müssen, ob du die beiden magst oder ob das schön ist, wenn du sie küsst?“
Mit einer niedlichen kleinen Falte auf der Stirn grübelte die Kleine kurz nach.
„Nein!“
„Na siehst du. So war das auch bei mir. Ich habe den Moritz kennengelernt und er war nett und da war mir klar, dass ich ihn irgendwann küssen möchte.“
Jetzt war der Moment gekommen, wo Moritz sich einfach einmischen musste.
„Das hast du schön gesagt“, fand er und strahlte seinen Dicken an. „Und mir ging das auch so“, setzte er hinzu.
Das Mädchen freute sich und schaute erst zum einen, dann zum anderen.
„Dann ist das ja ganz einfach!“, rief sie aus.
„Aber klar doch“, versicherte Karsten.
„Wenn das so ist, dann freu ich mich auf meinen ersten Kuss!“
„Das mach mal Süße. Und wenn es so weit ist, dann fühlst du dich, als hättest du eine Riesenportion Glitzer-Konfetti im Bauch und überall prickelt es und deine Knie werden weich und …“
Moritz lachte. Wie immer musste Charlene natürlich übertreiben.