Es war einmal ein Köhler, der hieß Johann und lebte in einer einsamen und einfachen Hütte mitten im tiefen Wald des Harzes, dort, wo man sich noch Geschichten von Hexen und wilden Waldgeistern erzählte. Er selbst glaubte nicht an sie, denn, solange er lebte, war ihm nie eine dieser weisen Frauen oder eines dieser unheimlichen Wesen begegnet und auch sein Vater, als dieser noch unter den Lebenden weilte, hatte stets behauptet, dass sie nur Hirngespinnste der Menschen waren, die sich vor dem Wald fürchteten. Er hatte dabei bitter geklungen und Johann kannte auch den Grund dafür. Seine Mutter war vor langer Zeit fortgelaufen und es hieß, sie habe die Einsamkeit und die Geräusche und Gerüche des Waldes nicht länger ertragen. Der junge Köhler kannte nichts davon. Wenn er das Holz schlug, es mit dem Gaul schleppte, den Meiler baute und die Glut entfachte, dann war da nur das Ächzen der Bäume, sein eigenes, angestrengtes Stöhnen bei harter Arbeit, das Prusten des Pferdes und das Knistern des Feuers.
Eines Nachts jedoch, geschah etwas Sonderbares. Johann schlief in der Hütte, als er plötzlich erwachte, weil draußen das Pferd unruhig wieherte und hin und her stampfte. Der erste Gedanke des jungen Mannes galt der Möglichkeit, dass es Wölfe sein konnten, die das Tier witterte. Es war nicht eben ungewöhnlich, dass ein paar der grauen Gesellen sich zusammentaten, um Jagd zu machen. Aber würden sie sich so nah an eine menschliche Behausung wagen? Johann dachte nicht länger darüber nach und ergriff eine Fackel, die er entzündete und seine Axt. Damit würde er die nächtlichen Jäger schon vertreiben. So trat er aus der Hütte heraus, um nach dem Gaul in seinem Unterstand zu sehen.
Kaum war er aus der Tür getreten, da stockte ihm der Atem. Der Wald lag ruhig und dunkel dar, nichts regte sich darin. Weder vernahm er die Laute von Wölfen, noch von irgendeinem anderen Tier wie einem Kauz, einem Marder oder einem Reh. Gar nichts war zu hören, außer dem aufgeregten Atem des Pferdes. Aber dann sah Johann, was das Tier beunruhigte. Zwischen den alten Bäumen waberte weißer Nebel am Boden, der langsam näherkam. Wie seltsam! Es regte sich kein Wind und dennoch schlich dieser bleiche Dunst stetig auf ihn zu. Johann konnte ein Wirbeln und Wabern darin erkennen, so als wären die Schwaden lebendig oder als würde irgendetwas darin sich bewegen. Auch stieg der Nebel höher und verdichtete sich. Jetzt spürte der Köhler, wie ihn eine Unruhe ergriff und sich Kälte in ihm ausbreitete. War das Angst?
Als Erstes kam ihm in den Sinn, laut zu rufen.
„Wer da? Zeig dich, wenn du etwas von mir willst!“
Wie von Geisterhand verdichtete sich der Nebel nun und zog sich in nur geringem Abstand zu Johann in die Höhe, fast so, als erwüchse darin eine Gestalt, die größer war als er.
„Hier gibt es nichts zu holen!“, rief der junge Mann direkt hinein in die weiße, gesichtslose Gestalt. Dann zögerte er nicht und warf seine Fackel mitten hinein. Für den Bruchteil eines Wimpernschlags flackerte der Dunst orange-rot auf und Johann glaubte, das Gesicht einer alten Frau zu erkennen, doch dann erlosch die Flamme und da wo sie hindurchgeflogen war, fiel die Fackel dumpf zu Boden. Das Pferd bäumte sich nun hinter dem jungen Mann auf und stampfte wie wild.
„Du machst mir keine Angst, hörst du! Und weder kriegst du mein Pferd, noch kriegst du mich!“
Der Trotz und die Wut in Johanns Stimme versetzte den Gaul noch mehr in Furcht, doch der Mann erhob die Axt und machte sich bereit, es mit dem faulen Zauber aufzunehmen, der sich da so frech an seine Hütte heranwagte. Urplötzlich schnellte da eine nebelige Schwade lang und dünn aus der Gestalt hervor, sie schlang sich um den Arm, in der Johann die Axt hielt und ließ den Köhler vor Schreck erschauern. Der Nebel hatte ihn gepackt und hielt ihn. Da schrie er auf vor Schwerz und ließ die Axt fallen. Das Pferd wieherte und stieg, in dem Moment löste sich alles auf und nichts war mehr da, als der Wald und die Bäume. Johann ging zu Boden, ächzte und sah sich um. Tatsächlich war da nichts mehr. Nicht weit von ihm schrie nun ein Käuzchen und irgendwo sprang ein Reh durch das Dickicht. Er sah sich um. Auch der Gaul hatte sich beruhigt. Gerade wollte Johann schon glauben, dass alles nur ein böser Traum war oder die Nachwirkung von einem falschen Pilz, den er gegessen hatte, da sah er ihn. Da, wo die Axt zu Boden gefallen war, lag ein feiner, silberner Ring. Genau so einer, wie ihn einst seine Mutter trug.