Es war eine kalte Nacht, draußen in den Hügeln vor der Stadt und keiner der drei hätte dem anderen auch nur ein Wort geglaubt, wenn sie es nicht gemeinsam erlebt hätten.
Josua und Aaron hatten den Jüngsten von ihnen, Benjamin, losgeschickt, er solle Feuerholz auftreiben. Dann könnten sie es sich warm machen und den Hasen braten, den sie am Nachmittag in einer Falle gefunden hatten. Viel war es nicht für drei, aber es war besser als nichts. Den Rest ihrer Vorräte hatten sie bereits vor zwei Tagen aufgegessen, doch sie wagten nicht, die Schafe allein zu lassen, um in die Stadt zu gehen und neuen Proviant zu holen. Dort war mehr Volk unterwegs als sonst und noch immer kamen Reisende wegen der Zählung.
„Das ist wieder irgend so ein Unsinn, den sich die Römer ausdenken“, fand Aaron. Er konnte ohnehin nicht zählen oder rechnen, also hatte er auch keine Vorstellung davon, warum ihre Besatzer an der Anzahl der Unterworfenen Interesse zeigten.
Endlich kam Benjamin mit dem Holz.
„Warum hat das so ewig gedauert?“, fragte Josua.
„Weil hier draußen nicht viel wächst. Geh doch das nächste Mal selbst, du Schafskopf!“ Benjamin streckte beiden die Zunge raus. Er war es so leid, von den Älteren immer nur wie ein Handlanger behandelt zu werden. Er warf das Holz lustlos auf den Felsen. Sollten die beiden doch das Feuer machen. Er kramte sich seine Flöte aus der zerlumpten Hose und spielte eine kleine Melodie.
Bald hatte Aaron das Feuer entfacht und Josua hatte den Hasen gehäutet und ausgenommen auf einen Holzspieß gesteckt.
„Ist nicht viel dran für drei“, bemerkte Aaron. „Ich geh mal und besorge uns noch etwas Schafsmilch.“
Er schnappte sich eine hölzerne Schale aus seiner Hirtentasche und machte sich auf. Melken konnte er besser als zählen.
Als der Mann zurückkam, sah er besorgt aus.
Josua ahnte nichts Gutes. „Was ist? Sag nicht, die Schafe sind abgehauen!“
„Hast du Milch?“, wollte Benjamin wissen.
„Ja, ja, ich habe Milch“, begann Aaron. „Aber ich glaube, es fehlen ein oder zwei von den Viechern. Ist ja auch kein Wunder. So wenig wie hier wächst, laufen die sonst wohin.“
„Na toll! Du weißt, dass man uns das vom Lohn abzieht, wenn die Biester verschwinden!“ Josua war nicht nur ärgerlich, er konnte rechnen und wusste, dass er dann höchstens ein Drittel des versprochenen Lohns bekam.
„Ist wohl nicht mehr zu ändern, wenn ihr tauben Nüsse hier nur sitzt, während ich arbeite und Holz hole!“, beschwerte sich der Grünschnabel.
„Wen nennst du hier taube Nuss, du halbe Portion?“ Aaron verschränkte bedrohlich die Arme vor der Brust und baute sich zu voller Größe auf. Er würde sich doch so was nicht von so einem Bengel sagen lassen!
„Dich, du Schwachkopf. Du kannst ja nicht mal sagen ob ein Schaf oder mehr Schafe fehlen, weil du nicht zählen kannst!“
„Na warte …“
Mit einem Satz nach vorn, der dummerweise den Hasen auch traf und ihn mit Spieß ins Feuer fallen ließ, sprang Aaron auf und packte den Jüngeren am Kragen. Der bekam einen solchen Schreck, dass er nur die Hände hoch riss und zappelte.
„Hört auf, ihr zwei!“, rief Josua.
In dem Moment geschah es. Ein heller Blitz fuhr über den nächtlichen Himmel und ein Leuchten, wie sie noch keines gesehen hatten, blendete die drei. Entsetzt ließ Aaron Benjamin los und eilig duckten sie sich nieder, bedeckten ihre Köpfe mit den Armen und jammerten.
„Was ist das?“
„Oh verflucht! Wir werden alle sterben!“
„Das ist irgendein Mist von den Römern!“
„Was soll das sein?“
„Hilfe!“
„Wer soll da kommen, du Schafskopf?!“
Benjamin war der Erste, der es wagte, aufzusehen. Er hielt sich die Hand über die Augen und blinzelte. Es kam ihm so vor, als könne er in dem Licht eine Gestalt erkennen.
„Fürchtet euch nicht“, sprach der Fremde zu ihnen.
„Auf keinen Fall teilen wir den Hasen durch vier!“