Das Wetter an diesem Wintertag war wirklich ideal für das, was die beiden Freundinnen vorhatten. Es war kein Wölkchen am Himmel und die Sonne würde erst in frühestens anderthalb Stunden hinter den verschneiten Baumwipfeln verschwinden. Genug Zeit also, um sich von dem kleinen Waldparkplatz aus aufzumachen, zu dem Steinbruch, in dem Xanadian und Grendi ihr Vorhaben in die Tat umsetzen wollten. Die Vorfreude stand beiden ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Rucksäcke aus dem Kofferraum holten.
„Hast du auch an alles gedacht?“, fragte Grendi halb neugierig, halb um sicher zu gehen, dass sie sich nicht auf den Weg machen würden, ohne dass sie alles hatten was sie brauchten.
„Na klar. Hauptsache du hast auch alles dabei!“, gab Xanadian zurück. Wie immer etwas mürrisch. Grendi nahm das nie wirklich ernst, denn sie kannte die andere Frau schon seit ihrer gemeinsamen Schulzeit und wusste einerseits, dass ihre beste Freundin solche Nachfragen nicht leiden konnte und andererseits, dass diese durchaus manchmal begründet waren.
In diesem Fall war tatsächlich an alles gedacht, also stiefelten die zwei los. Der Weg führte an einem Futterhaus für Rehe vorbei und immer sanft bergauf. Schon bald konnten sie den Parklplatz nicht mehr sehen und außer ihnen schien sonst niemand im Wald unterwegs zu sein. Der frische Schnee vor ihnen zeigte keine Spuren, weder von Spaziergängern mit Hund, noch von Mountainbikern oder Reitern, die sonst auch gern hier unterwegs waren.
„Müssen wir so hetzen?“, murrte Xanadian nach zwei weiteren Kurven auf dem Forstweg.
„Wenn es noch hell genug sein soll, dann sollten wir auch nicht trödeln.“
Kaum zehn Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht. Rechts führte ein Trampelpfad durch das Gestrüpp zu dem Steinbruch, den die beiden für ihre Zwecke ausgesucht hatten. Wer aus dieser Gegend kam, kannte ihn und leider hatten die Einwohner des kleinen Dorfes in der Nähe die blöde Angewohnheit, hier ihren Grünschnitt oder auch anderen Gartenmüll von der alten Regentonne bis zum Gartenschlauch abzuladen.
„Wenn wir das hier erledigt haben, dann rufen wir nachher noch beim Ordnungsamt an“, meckerte Grendi, die sich über so was leicht aufregen konnte.
Xanadian nahm es gelassener. Sie hatte inzwischen eine Zigarette angezündet und fand in dem neuesten Schutthaufen einen kleinen Holzschemel, der geradezu ideal für ihr Vorhaben war. Sie stellte ihn auf und sah ihre Freundin an, als wäre die jetzt mit den nächsten Vorbereitungen dran. Grendi hörte also auf zu zetern und holte aus ihrem Rucksack das russische Kleinkalibergewehr hervor, das ihr Vater kurz nach dem Mauerfall bei einem Tripp nach Ostberlin erstanden hatte. Es war ganz leicht zu laden.
Xanadian hatte inzwischen aufgeraucht und packte das Zeug aus ihrem Rucksack auf den kleinen Schemel. Ein knallroter Kaffeepott mit zwei dazu passenden Blechbechern. Alles zusammen ein echter Bebraismus.
„Dann mal los, du zuerst!“, verkündete sie. Auch das war typisch.
„Dann komm da aus der Schusslinie!“, ordnete die andere an. „Bist du sicher?“, fragte sie noch.
Inzwischen war es ein alljährliches Ritual, die hässlichen Weihnachtsgeschenke von Xanadians Schwiegereltern mit gebührender Missachtung zu vernichten. Letztes Jahr hatten sie alles in einem Baggersee versenkt. Damit war die Frage rein rhetorisch.
„Fire away!“
Grendi grinste und legte an. Was sollte man mit so einem Zeug, das auch noch den Namen „Magic of Femininity“ trug, sonst auch schon anfangen?
Der erste Schuss knallte los und erwischte die scheußliche Kanne mit einem Streifschuss.
Xanadian grinste anerkennend und nahm Grendi das Gewehr ab. Sie zielte, ballerte und erwischte einen der Becher so, dass der einen regelrechten Hopser rückwärts machte.
„Nicht schlecht, Miss Wayne!“, musste Grendi anerkennen.
„Na, dann gib dem anderen mal den Rest.“
Grendi nahm die Russenmarkt-Variante des Henrystutzens zurück und legte nochmals an. Wieder auf die Kanne. Dieses Mal traf sie mit vollem Karacho und der Pott flog dem Becher hinterher.
Erneut war Xanadian an der Reihe.
„Stellst du dir eigentlich vor, dass es deine Schwiegereltern sind?“, wollte Grendi wissen. Nur so.
„Quatsch. Das ist nur der einzige Zweck den dieser Plunder hat“, gab die andere zurück. Dann nahm sie den zweiten roten Becher mit Kimme und Korn. Der vierte Schuss erledigte den Gegner. Beide lachten zufrieden auf.
„Und jetzt nix wie weg, bevor der Förster kommt!“