Gebannt lauschte Alexander den Ausführungen seines Lehrers über die Philosophie Platons. Sie saßen alle zur Mittagszeit im Schatten der großen Mauer, die den Ringplatz umgab und einige der anderen Schüler waren von den körperlichen Übungen in den Morgenstunden erschöpft und dösten vor sich hin. Nicht jedoch der junge Korinther. Was für eine faszinierende Vorstellung, dass ein menschliches Wesen mit einem Geist geboren wird, der einer leeren Wachstafel gleicht, auf der erst im Laufe des Lebens die unterschiedlichsten Erfahrungen eine Art Schrift hinterlassen. Durch die Eindrücke der Sinne entstehen Aufzeichnungen die rein und gut zu entziffern oder aber verschmiert und kaum leserlich seien. In dem Augenblick, als er dies Begriff, entschied Alexander, dass er seinen Geist mit den wunderbarsten und ruhmreichsten Dingen füllen wollte, auf dass er nie einen Abdruck bereuen müsste. Und er würde sich Klarheit verschaffen über alles, was es zu erkunden gab.
Im selben Moment bemerkte er den Blick des anderen Schülers, der sich mit seinem kreuzte, was kein Zufall war, denn dafür dauerte es zu lange an. Constantinos, so hieß dieser und er war Alexander schon mehrfach aufgefallen, denn er war nicht nur ein geschickter Ringer und hervorragender Athlet, nein, er war auch außergewöhnlich hübsch. Sein Haar war heller als das der meisten von ihnen und seine Augen, so dunkel und geheimnisvoll wie die See, hatten lange, schwere Wimpern. Der junge Korinther entschied, es auf sich zukommen zu lassen. Er erwiderte den Blick des anderen Jünglings und als die Philosophiestunde beendet war, verzogen sich Schüler und Lehrer in Richtung der Terrasse, wo es Speise und Trank gab. Alexander und Constantinos ließen sich unbemerkt zurückfallen und ohne ein Wort sagen zu müssen, waren sie sich einig. Der eine nahm den anderen bei der Hand und so huschten sie gemeinsam in den Pferdestall. Ein paar der Tiere schnaubten und schauten neugierig, doch das kümmerte die beiden Knaben nicht. Entschlossen, sich einen bleibenden Sinneseindruck zu verschaffen, sanken sie im Stroh nieder, wo sich ihre Lippen fanden.