„Immer die gleiche Scheiße zum Herbstanfang!“, fluchte Gisberta und stopfte noch einen Baumpilz in eines der Löcher im Dach. Warum sie auf diese vermaledeite Idee gekommen war, ihr Hexenhaus mit einem Grasdach und Birkenschindeln nach norwegischem Vorbild zu begrünen, das konnte sie nicht mal mehr in ihrer eigenen Glaskugel rekonstruieren. Auch passte dieses Öko-Fuzzi-Verhalten so gar nicht zu dem Glasfaserkabel-Internet, das sie und die alte Ertel im letzten Jahr verlegt hatten. Der einzige echte Vorteil, kam ihr beim nächsten Pilz in den Sinn, war, dass so ein Dach wirklich weich war und bei den Flugkünsten ihrer jüngsten Schwester, Xanni, war es auch nach 165 Jahren noch möglich, dass sie mit ihrem Besen den Schornstein verfehlte. So hatte das Dach schon den ein oder anderen Sturzflug abgefedert. Kein Wunder also, der miserable Zustand.
Gisbertas schwarzer Kater Wälzebub schaute von der Fensterbank herüber und sah aus, als wolle er die Angelegenheit kommentieren, aber zum Glück hatte er seine letzten Sprechperlen vor einer Woche gefuttert und die Wirkung hatte längst nachgelassen.
„Jetzt schau nicht so“, fuhr sie ihn genervt an. „Sei froh, dass du nicht helfen musst.“
Ihr war natürlich selbst klar, dass andere Hexen mit natürlichem Grasdach schon im Sommer damit begannen, vermoderte Stücke auszubessern oder zumindest genug Töpfe und Eimer bereitzustellen, für den ersten Dauerregen, aber Gisberta hatte es wieder einmal im wahrsten Sinne des Wortes kalt erwischt. Wenigstens war sie so schlau gewesen, bei der letzten Renovierung des Fußbodens aus echtem Carrara-Marmor, dafür zu sorgen, dass er ein wenig abschüssig verlegt worden war. So bildeten sich immerhin keine Pfützen im Haus und wenn sie hinten am Wintergarten die eingerostete Schiebetür mit einem leichten Zauber bewegte, dann floss das Wasser einfach dort hinaus. Das war natürlich keine Dauerlösung.
Also was?
Sie schaute zum Kater. Der hatte ihr längst den Popo zugewandt und versuchte, trotz der fluchenden Hexe und des prasselnden Regens ein Nickerchen zu machen. Oder er tat zumindest so.
„Jetzt hör schon auf, so zu gucken. Ich kann nicht schon wieder die alte Wetterhexe anskypen und sie bitten, den Regen hier umzuleiten. Die Bäume brauchen nach zwei Dürre-Sommern jeden Tropfen, den sie kriegen können.“
Wälzebub wirkte noch immer schläfrig, streckte sich jedoch einmal lässig lang mit Katzenbuckel durch und ließ so mir nichts, dir nichts einen Furz. So einen hatte er zuletzt gelassen, als Xanni mal wieder durch den Kamin gekracht war. War das also der Hinweis, den er ihr geben wollte?
„Du weißt, was geschieht“, wandte sie ein und schlug den nächsten Pilz in ein Loch, „wenn die Kleene kommt. Erst wieder Rabatz, wahrscheinlich kracht das Dach bei der Landung halb ein und wenn sie dann irgendwann ihre neusten Liebesabenteuer mit Vampiren und zu diesem Zweck zum Leben erweckten Gargoils erzählt hat, dann wirst du wieder in einer Tour durchgeknetet.“
Wälzebub furzte erneut.
„Na gut, wenn dir das furzegal ist, dann rufe ich sie jetzt an.“
Leichter gesagt als getan. Ihr neues Smartphone hatte Gisberta tatsächlich so gut vor dem Regen in Sicherheit gebracht, dass sie ihre Kristallkugel brauchte, um es wiederzufinden. Am sichersten Platz überhaupt. Auf der Fensterbank, unter dem Häkelkissen von und mit Wälzebub.
„Xanni? Ich bins, Gissi. Hast du schon auf den Satellitenfilm geschaut? … Nein, da ist kein Ufo dieses Mal. Auf welchem Planeten lebst du? … Es r.e.g.n.e.t. und ich will die alte Ertel nicht schon wieder um einen spontanen kleinen Herbst-Tornado bitten, der das Wetter umleitet. Komm her, mein Dach hat wieder Löcher. … Ja, von mir aus bring diesen Dämonenfürsten mit, wenn du ihn so schnell nicht loswirst. Weißt du, ob der handwerklich begabt ist? … Ich meinte handwerklich wie Hobby-Handwerker und Obi, nicht was du schon wieder denkst. … Nein, das war keine Beleidigung, Süße, das war reiner Neid. … Was? Er hat einen genauso heißen Bruder? Ja, klar. Bring mit, was noch auf den Besen passt. Und Xanni! … Versuch bitte den Kamin zu treffen. Wenn du und die Dämonenbrüder zusammen auf’s Dach knallen, dann brauche ich`ne neue Hütte. Und die sind erst nach Halloween wieder günstig. … Ja, ich dich auch. Hug U. Bis gleich.“
Gisberta atmete auf und blickte zu ihrem Kater, der aufmerksam gehorcht hatte.
„Was sagst du jetzt? Sie bringt zwei heiße Dämonen mit und die werden das hier reparieren.“
Der Kater furzte.