Erinnerung, schön wie ein Traum
Sie hatten ihn zerstört. Alles, was er war, alles woran er je geglaubt hatte und alles, was er sich je gewünscht hatte. Nichts von dem, was einmal gegolten hatte, war jetzt noch wichtig oder existent. Da war nur diese unerträgliche Leere in seinem Innern und ganz an Boden dieser Leere, lag noch der Rest einer Erinnerung, schön wie ein Traum, zu schön, so schien es ihm, um wirklich wahr zu sein.
Die Erinnerung hatte einen Namen. So viel wusste er noch. Sie hieß Daniel oder David oder Damon oder alles davon oder nichts von dem. Am deutlichsten erinnerte er sich an das Gefühl, das er empfunden hatte, wenn sie zusammen waren. Da war die unbändige Freude, die sie geteilt hatten, wenn sie als Kinder zusammen spielten. Die spannungsvolle Verwegenheit, wenn sie heimlich die Schule schwänzten und eine verbotene Zigarette rauchten. Die unerwartete Erregung, als sich ihre Lippen zum ersten Mal wie zufällig berührten. Die unermessliche Lust, die sie einander schenkten, als sie gerade alt genug waren, um die Reize des anderen und die Reaktionen ihres eigenen Körpers zu begreifen.
All das lag am Grunde seiner Seele verborgen, verschüttet, unter den Trümmern, welche die Nazis davon übrig gelassen hatten. Nur selten, ganz selten, schien es, als würde ein gnädiger Wind durch seine Seele wehen, als würde er ein Fünkchen Glut darin finden und sie entfachen, gerade genug, um das Dunkel zu erhellen, das sich so vollkommen in ihm ausgebreitet hatte.
Da wo einst ein Herz, ein Geist, ein Mensch war, gab es nun nichts mehr. Wer auch immer David, Daniel, Damon gewesen war, er war fort. Vernichtet. Zu Staub zerfallen. Verweht.
Und er selbst? Welchen Sinn hatte sein Dasein noch? Keinen für sich allein. Er war nichts mehr als das einsame, hohle Gefäß dieser Erinnerung, dieses Traums.