Kennt ihr diesen klassischen Weihnachtssong aus Amerika? Rudolph the red-nosed Reindeer? Also der über Rudolph, das Rentier mit dieser leuchtenden roten Nase? Der ist in dem klassischen Gedicht über die Nacht vor Weihnachten nicht dabei. Die Rentiere, die dort den Schlitten von Sankt Nikolaus, dem fetten Weihnachtselfen, ziehen, sind Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donder (hier variiert der Text, auch: Donner) und Blitzen. Man kann mal dazu sagen, dass das Gedicht entstanden ist, bevor der Weihnachtsmann mit dem Coca-Cola-Truck über die Berge kam. Zur Zeit des Songs hatte er schon sein typisches Outfit in Rot und Weiß. Das soll er ja auch schon vorher gehabt haben, denn es gibt die Theorie, dass der Weihnachtsmann diese Farben trägt, weil sie an Fliegenpilze angelegt sind. Und in früheren Zeiten war es wohl nicht unüblich, sich die bitterkalten Nächte im Winter mit dem ein oder anderen Sud oder dem Knabbern von stimulierenden Substanzen, eben z.B. aus dem Fliegenpilz gewonnen, erträglich zu machen. Aber das schweift gerade zu sehr ab.
Zurück zu Rudolph. Da gab es diese total interessante Doku im Fernsehen über die amerikanischen Weihnachtslieder-Klassiker, von Bing Crosby oder Gene Autry und so. Zu denen zählt auch der mit dem kleinen Rentier. Und was mich dabei schwer beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass viele von denen, also z.B. auch „White Christmas“ oder „Chestnuts Roasting on an Open Fire“ tatsächlich von Songschreibern mit jüdischem Glauben komponiert wurden. Das erklärt, warum es da mehr um die weltlichen Dinge wie das leckere Essen oder die Freude über den neuen Schnee geht, und sich in aller Regel nicht so typische christliche Symbole oder Bilder darin finden. Faszinierender aber ist noch der Umstand, warum es da überhaupt so großen Bedarf nach dieser Art von Liedern gab. Und da kommt eben ins Spiel, dass in einer christlich dominierten Gesellschaft wie der amerikanischen, sich die jüdischen Menschen speziell in der Weihnachtszeit nicht ausgegrenzt fühlen wollten. Also haben sie Gemeinsamkeiten hervorgehoben, wie z.B. das Zusammensein mit der Familie oder die friedliche Besinnung. Das findet sich auch so in den Liedern von Irving Berlin und co.
Der kleine Rudolph übernimmt laut dieser Fernseh-Doku eine besondere Rolle, die praktisch zu den jüdischen Kindern passt, welche sich aufgrund ihres Glaubens von anderen Kindern ausgegrenzt fühlten. Rudolph wird ja, laut des Liedtextes, von den anderen ausgeschlossen, eben weil er mit seiner roten Nase so auffällt. Ebenso fiel auf, wenn jüdische Kinder, oder ihre Eltern, nicht die gleichen Vorbereitungen und Traditionen pflegten, wie alle anderen zur Weihnachtszeit. Chanukka, das Lichterfest, ist zwar in vielen Aspekten ähnlich, aber nicht gleich. Somit war das rot-nasige Rentier jemand, mit dem sich jüdische Kinder identifizieren konnten. Besonders schön ist natürlich, dass eben diesem kleinen Sonderling dann eine wichtige Aufgabe zukommt, wenn er mit seiner Nase an einem nebligen Abend den Weg vor Santas Schlitten beleuchtet.
Für mich schließt sich damit auf eine wunderbare Weise ein Kreis, denn was kann es Schöneres geben als eben eine solche Botschaft? Es gibt Menschen verschiedener Herkunft mit unterschiedlichem Glauben, doch sie sind in wesentlichen Dingen, wie dem Familienleben oder dem Bedürfnis nach Frieden, Gemeinschaft oder Zugehörigkeit absolut gleich. Und jeder kann seine ganz besondere Rolle spielen.