>>> Fortsetzung zum Prompt Licht und Schatten (auch Blutsbande, Eiskristall, Neuanfang)
Der Jubel in der Halle verstummte nach und nach bis nur noch der gewöhnliche Lärm an so einem Ort zurückblieb. Zwei Frauen gingen, um sich ihrer geretteten Freundin anzunehmen. Die Männer ließen den jungen Krieger, welcher die Äxte so zielgenau und siegessicher geworfen hatte, von ihren Schultern und wiesen ihm einen Platz an einer der vorderen Metbänke. Siegmund war wie im Rausch. Gerade noch hatte er erbost den Zorn dieser Sippe herausgefordert, indem er sich in ihr grausames Ritual einmischte, hatte sein Leben riskiert für eine unbekannte junge Frau und jetzt feierten ihn diese rauen Gesellen, als wäre er einer von ihnen. Sie luden ihn ein, mit ihnen zu trinken. Sein Puls beruhigte sich allmählich und er nahm dankend einen Becher an, den man ihm reichte. Der Met schmeckte süßlich, aber instinktiv nahm der Wolfssohn nur einen kleinen Schluck. Wer wusste, ob er den Männern hier trauen konnte? Einer von ihnen, ein großer, schwarzhaariger Hüne mit geflochtenem Bart setzte sich Siegmund zur Seite und legte ihm unversehens eine Hand auf die Schulter. Als er sich der Aufmerksamkeit des jungen Kriegers gewiss war, begann er zu sprechen.
„Ich bin Landogar, der erste Mann Kunolfs. Und mein Häuptling würde gern wissen, wer du bist und woher du stammst, Axtwerfer.“
Ohne sichtlich beeindruckt zu sein, stellte Siegmund den Becher ab und schaute dem anderen Mann in die Augen. „Nur wenige kennen meinen Namen, Wölfing oder Wolfssohn nennen mich die, die mich trafen. Ich bin ohne Heimat.“
Landogar schien unsicher, ob diese Antworten seinem Fürsten bereits genügen würden. Er sah zu dem Mann im Pelz herüber, der sich inzwischen auf seinem erhöhten Ehrensitz, vorn am Kopfende der Halle niedergelassen hatte und dem dort eilig in ein großes Trinkhorn nachgeschenkt wurde. Ein herrischer Blick seines Anführers ließ den schwarhaarigen Krieger fortfahren.
„Wir haben von einem gehört, der sich selbst so nennt. Doch von irgendwo musst du doch herstammen, Wolfssohn. Wo ist deine Sippe oder hat sie dich verstoßen?“
Nun war es an Siegmund, den anderen Mann mit seinen grauen Wolfsaugen anzufunkeln. „Niemand hat mich verstoßen. Es ist mein Schicksal, dass ich ohne Menschensippe bin. Wenn dein Herr mehr Auskunft verlangt, wird er selbst fragen müssen.“ Ihm gefiel nicht, wie Landobar seinen Blick erwiderte, doch die Antwort des jungen Mannes war nicht provokanter als die Frage des Hünen.
„Wenn ich euer Gast bin, dann bleibe ich. Wenn Heimatlose hier als Gesetzlose gelten, dann ziehe ich meines Wegs“, setzte er hinzu. Sein Vater hatte ihn gelehrt, dass Gastrecht den Menschensippen heilig war, doch was konnte er von diesen hier erwarten, die eine ihrer Frauen so schindeten?
„Du bist unser Gast und mehr, wenn es dich danach verlangt, Axtwerfer. Du trägst ein mächtiges Schwert und bist als Krieger in unserer Mitte willkommen. Nenne deinen Preis. Das Weib hast du schon gewonnen.“
Was der Mann sagte, wäre für jeden anderen ein vorzügliches Angebot gewesen, die Aussicht auf Ruhm und einen Platz unter den Kriegern. Doch Siegmund hatte nicht die Absicht, einem Häuptling zu dienen, der die Schwächsten in seiner Sippe der Brutalität und der Laune seiner Männer überließ.
„Das Weib, was hat es gesagt?“, verlangte er zu wissen, obwohl er die Erwiderung kannte.
„Nichts. Sie tut, was man ihr sagt.“
„Wessen war sie angeklagt?“
„Ehebruch.“
Der junge Krieger nickte, dann gab er seine Antwort. „Als Heimatloser diene ich niemandem und das ist meine Wahl. Morgen in der Früh, ziehe ich meines Wegs. Der Frau sage, sie kann mit Siegmund, dem Wölfing kommen oder bleiben, wie es ihr gefällt.“
Der Hüne starrte ihn fassungslos an.
„Du hast mich gehört“, setzte der Wolfssohn hinzu.