Meine Adern verglühten Stück für Stück ... Dezeria ... Mein Herz raste solange, bis es nicht mehr konnte ... Dezeria ... Schwarz war alles, was ich sah, aber ich wollte doch dich sehen ... Dezeria ... Kälte war alles, was mich umhüllte, aber so sollte es nicht sein ... Ich wollte zu dir ... Dezeria ... aber etwas hielt mich fest – hielt mich von dir zurück und zog mich immer stärker von dir fort! NEIN! DEZERIA!
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Irgendwann sah ich mal wieder kurz ein Licht ... Dezeria ... und dann starb ich erneut. Ja, es fühlte sich an wie endloses Sterben, aber ich durfte doch nicht. Durfte nicht! NEIN! Ich verbiss mich mit aller Kraft an den einen Gedanken, der mich am Leben hielt. Ich klammerte mich an dich ... Dezeria ...
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Ich hielt es schließlich nicht mehr aus und befreite mich aus dieser isolierenden Dunkelheit – befreite mich von diesen lästigen Fesseln, denn ich wollte endlich zu dir, Dezeria! Ich wollte bei dir sein – wollte dich in den Arm nehmen. Ich musste deinen weichen und warmen Körper spüren, Dezeria ... Jaaa, das wollte ich so sehr ... Und ... und ... ich wollte nicht länger darauf verzichten!
Ich drückte dich also fest an meinen Brustkorb, trotz deiner hartnäckigen Versuche, dich von mir zu lösen. Du warst so wie immer ... schüchtern und zurückhaltend, aber das war in Ordnung ... Hauptsache du warst da. Alles war egal, solange du bei mir warst und mich nie wieder verlassen würdest. Dich zu umarmen war schön, es fühlte sich so unglaublich gut an. So gut, dass mir die Berührung deiner Kleidung nicht ausreichte! Meine Hände fanden schnell den Weg unter dein Oberteil – glitten über deine Haut ... Aber ... da war es wieder. Eine Täuschung! Das war nicht deine Wärme, an der ich mich überschwänglich labte! Das warst nicht du, Dezeria! Sofort stach es schmerzlich in meinem Herzen ... Ich fühlte mich betrogen und dann war da nur noch Hass in mir!
"DU!", knurrte ich zornig, während ich die Kehle der Frau packte, die nicht Dezeria war. "Wieso bist du hier und nicht sie?!", knurrte ich weiter, denn das konnte mein Verstand einfach nicht ertragen. Wieso war das, was ich wollte nicht bei mir? WIESO?! "Wieso du?", fragte ich erneut und hielt weiterhin unbarmherzig ihren Hals umfasst.
"Rez-nick ... i-ch ... bit-te ...", hörte ich sie keuchen und mit jedem Buchstaben heiserer werden. Ich hörte den verzweifelten Versuch, einen vernünftigen Satz zu sprechen – Luft zu holen, aber die Frau schaffte es nicht. Sie war schwach. Sie war eine Puppe ... Ich hasste Puppen! "Du bist ein wertloses Ding. Du bist ein Nichts!", knurrte ich wütend in ihr immer röter werdendes Gesicht und drückte noch stärker zu. Diese Frau, die nicht du warst, Dezeria, sie sollte verschwinden. Ich will nicht noch einmal einer dieser schmerzlichen Täuschungen erliegen ... Ich hasste dies! Hasste diese Frau ... Johanna. Zar'Rea Johanna Aschengard. Hm ... meine Muskeln ließen etwas lockerer bei der Erinnerung an ihren Namen. Sie gehörte zum Adel. Sie zu töten würde mir weitreichende Probleme bereiten, aber ... lieber kämpfte ich gegen das ganze beschissene System, als noch einmal getäuscht zu werden!
... Dezeria ...
"Du bist eine Puppe. Du bist gebrochen ...", brummte ich und drückte doch wieder ernsthafter zu. Sie zappelte wild und kratzte mit ihren zierlichen Fingern über meine Arme, ohne, dass es mich irgendwie interessierte. Ihr Körper wollte Sauerstoff und wurde panisch, das war eine natürliche Reaktion und hatte nichts mit einem Willen zu tun. Ich würde sie von ihrem erbärmlichen Leben erlösen, so wie ich es schon immer bei jeder seelenlosen Hülle getan hatte. Wobei ... ihre Augen. Ihre blassen Augen zeigten keine Dankbarkeit. Sie wollte nicht sterben? Was ich tat war ... ohne Einverständnis töten? Schlagartig ließ ich sie los, als hätte ich mich an ihr verbrannt. Kraftlos stürzte sie zu Boden und schweres, hektisches Keuchen sowie grässliches Heul-Husten erfüllte den Raum. Ich nahm vorsichtshalber einen größeren Abstand zu ihr ein. Fast hätte ich sie umgebracht – fast wäre ich ...
Ich hielt mir meinen dröhnenden und pochenden Schädel. Scheiße! War das jedes Mal anstrengend, die eigene Persönlichkeit wieder richtig zusammenzusetzen! "Halte dich am besten fern von mir", sprach ich mahnend noch zu ihr, während sie nur um jeden einzelnen Atemzug kämpfte und sich ihren Hals hielt. Ich hatte wirklich sehr stark zugedrückt, die Blutergüsse waren schon jetzt gut sichtbar – ein Wunder, dass ich ihr nicht gleich das Genick gebrochen hatte. Ich durfte sie definitiv jetzt nicht berühren – durfte ihr nicht zu nahe sein. Mein Zustand war ... kritisch ...
"D-du ... du ver-verblutest!", keuchte Johanna atemlos und zeigte zitternd zu mir. Aber ... na ja, das Blut, welches mir ununterbrochen aus den Kanülen und halb abgerissenen Schläuchen lief, war mir gerade schon selbst aufgefallen. Ich hatte mich wohl mit brachialer Gewalt von der Krankenliege losgerissen ... Hm, da war echt verdammt viel Blut und plötzlich versagten mir die Beine. Ich stürzte hinunter auf die Knie, während Johanna keuchend nach etwas zum Verbinden suchte, aber das brauchte ich nicht. Pff, als wenn ich an so etwas Banalem wie Blutverlust sterben würde, das war vollkommen lächerlich. Ich hatte keine Zeit für sowas!
... Dezeria ...
Ja, an dich zu denken half, mich besser zu konzentrieren. Prioritäten zu setzen. O geliebte Dezeria, du standest natürlich ganz oben auf meiner Liste – an erster Stelle all meiner Gedanken – aber wenn ich weiterhin meine Gesundheit so ignorierte ... entfernte mich das zwangsläufig von dir und dies war inakzeptabel! Ich wollte bei dir sein! Dich bei mir haben! Also mussten nun andere Dinge in den Vordergrund – notwendige Dinge wie: Mein scharfer Verstand und die volle Genesung meines Körpers sowie die Funktionsfähigkeit des Schiffes ... aber dann, warst du wieder alles in meinem Kopf, Dezeria, versprochen.
Ich schloss die Lider und ignorierte die Berührungen von Johanna, die zweifelsohne gerade panisch an mir herum zog, zerrte und drückte. Egal. Sie war bedeutungslos ... genauso, wie das, was sie da versuchte. Es gab schließlich einen Grund, warum man bei Bewusstsein sein sollte, wenn Nanobots injiziert wurden. Die kleinen Maschinen mussten sich schließlich an die Hirnströme anpassen. Sie mussten sich auf den Körper kalibrieren, damit bloße Gedanken, ja, bloßer Wille ausreichte, um sie zu steuern. Und genau dies tat ich jetzt. Binnen Sekunden verschwanden die noch in mir hängenden Kanülen und sonstige Anschlüsse, wie die Überreste der Magensonde. Ich konnte deutlich spüren, wie jedes störende Fragment aus meinem Fleisch befördert wurde und sich anschließend die Gefäße verschlossen. Es war leicht. Alles funktionierte perfekt.
"Es ... es hat aufgehört! Was ein Glück!", hörte ich Johanna angestrengt sprechen, was mich dazu brachte wieder die Augen zu öffnen. Sie sah vollkommen fertig aus und war auch überall mit meinem Blut besudelt ... Ihr Hals sah ebenfalls schlimm aus und dennoch lächelte sie mich ehrlich an. Richard hatte dich wohl schlimmer behandelt als ich gerade, stimmts? Verdammt, ich hätte dich ganz locker töten können, du dummes Weib!
"Hat Heka dir nicht gesagt, du sollst dich von mir fernhalten, während dieser Prozedur?", fragte ich etwas verstimmt, denn mir missfiel es immer mehr, sie einfach so nebenbei – ohne Grund – fast umgebracht zu haben. Ich brauchte einen Grund. Immer! "Hat sie, aber ... ich weiß auch, dass die Zeit drängt und ich wollte dir helfen." Das klang zwar ehrlich, war aber nicht ganz die Wahrheit. Ich sah es in deinen Augen Johanna. Gut. An dieser Wahrnehmung hatte sich offensichtlich nichts geändert. "Du lügst, aber deine Beweggründe sind mir auch scheißegal. Hör gefälligst das nächste Mal auf das, was man dir sagt!", knurrte ich, was sie sofort zusammenzucken ließ, als hätte ich sie geschlagen. Mist! Jetzt fiel mir doch wieder ein, was sie ein Leben lang gewesen war ... Hm, ich musste offensichtlich dringend an meiner Feinfühligkeit arbeiten, damit mir dies nicht auch bei Dezeria passierte. Aber gut. Johanna konnte von mir aus nun den Boden anstarren – ich würde dies bei Gelegenheit halt wiedergutmachen, aber gerade hatte ich dafür keine Zeit. Erstmal musste ich Heka wieder in Gang kriegen!
Ich ging rüber zu meinem Arbeitsplatz und war froh, dass sich das Eingabefeld benutzen ließ. Heka hatte auf den ersten Blick wohl noch alles repariert, was ich zum Arbeiten brauchte. Gute KI. Etwas genervt schüttelte ich noch altes Blut von meinen Händen oder wischte es an meinem ebenso blutverschmierten Oberkörper ab ... O Mann, ich sollte dringend duschen. Na ja, aber erst, wenn Heka wieder funktionierte.
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Es dauerte eine ganze Weile, das BIOS neu aufzusetzen und die diversen Schutzprogramme durchlaufen zu lassen, um auch noch die letzte verseuchte Datei zu finden. Mein Vater hatte mit seiner Schadsoftware wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dieser blöde Wichser! Aber gleich hatte ich es geschafft und konnte endlich Informationen über Dezeria abrufen! Ja, es brannte zwar schon die ganze Zeit höllisch in mir, Johanna über sie auszufragen, aber ... nun ja. Wie eine gebrochene Puppe hatte sich diese aus der Blutlache vom Krankenbereich in eine Ecke im Schlafzimmer verkrümelt. Und bei meinen derzeitig verkrüppelten empathischen Fähigkeiten, würde ich sie vermutlich endgültig brechen, als wirklich etwas Brauchbares herauszubekommen. Außerdem war all ihr Wissen veraltet und Heka würde sowieso gleich online sein. Ich ließ sie also alleine, sollte sie mich ruhig für einen Arsch halten und mir fern bleiben.
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Zufrieden beobachtete ich, wie das System langsam hochfuhr und sich keine neuen Fehler meldeten. Ich war also fertig. Mann, hoffentlich hatte Heka ein Code-Abgleich vom Virus meines Vaters, nicht, dass er noch mal so einfach hier alles lahmlegen konnte. Auch ... hatte ich das, mit der Infizierung eines meiner Implantate nicht vergessen. Darüber musste ich Heka ebenso ausfragen, denn wie lange spionierte mir mein Vater schon auf diese Weise hinterher? Was wusste er alles über meine Versuche und Vorbereitungen, ihn umzubringen? Was hatte er alles durch mich sehen können? Fragen über Fragen quälten mich, denn das würde ich vorab noch klären müssen, bevor ich mich um meine Dezeria kümmern konnte. Ich betete nur inständig, dass es ihr gut ging ... und mein Vater, an was auch immer, qualvoll verreckte!
Hm? Ich stutzte irritiert, als mit einem Mal doch ein Fehler aufploppte. Offenbar hatte sich eine Datei tief im Betriebssystem versteckt – eine, die sich gerade aktivieren wollte. Ein zweiter Virus? Ich las sofort konzentriert den Fehlerbericht und den Quellcode – was sollte diese Software eigentlich bezwecken? Hä, wieso ein Kommunikationsprogramm? Und, es war so gescriptet, dass es erst nach einem Neustart meines Systems reagierte ... Warum, Vater? Wolltest du dich mit mir unterhalten? Das kannst du sowas von vergessen! Ich war gerade dabei, auf Löschen zu klicken ... doch ich hielt inne. Was, wenn er Dezeria hatte? Was, wenn er mir ihre Gefangennahme präsentieren wollte? Nein. Nein! Scheiße! Ich spürte wie sich all meine Muskeln verkraften und ich meine Hände zu Fäusten ballte. Ich konnte das nicht ignorieren, aber ich musste! Musste wegen meiner selbst willen ... Ich konnte ... Ich durfte das nicht aktivieren!
Ich haderte eine gefühlte Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in welcher mich die Standard KI permanent fragte, was nun geschehen sollte. Ja, die Neuinstallation würde solange nicht vollendet werden, bis ich mich entschieden hatte ... Also ... klickte ich auf Aktivieren ... und hasste mich jetzt schon dafür. Sofort startete ein kleines Chatprogramm, in dem auch direkt eine Nachricht angezeigt wurde:
>>Hast du das überlebt, mein Sohn?