-‡Johannas Sicht‡-
Skeptisch musterte ich Zerians nackte Erscheinung. Ich wusste ehrlich nicht, was ich davon halten sollte. Nach den ganzen irren Informationen hatte er nichts Besseres zu tun, als sich auszuziehen. Natürlich gefiel mir dieser Anblick und ich wollte ihm nur zu gerne körperlich näher kommen, jedoch schwirrte mir von Hekas Worten immer noch der Kopf. Zusätzlich erstickten seine besorgten und ängstlichen Gefühle jedwede Lust in mir.
“Was hast du?” Zerian schritt näher und berührte meine gelbe Bluse – öffnete den ersten Knopf. “Ich helfe dir raus, dann können wir uns sofort binden.”
“Hältst du das für eine gute Idee?” Ich griff nach seinen Händen und blickte ihm tief in diese verstörend blauen Augen. “Hast du überhaupt gehört, was Heka gesagt hat?”
“Wieso?” Er widmete sich dem zweiten Knopf. “Ich will mit dir Sex machen. Du bist eine Frau und ich ein Mann. Von daher passt es ja.”
Ich rollte mit den Augen. “Was du willst, ist mir schon klar.” Erneut hielt ich ihn auf – verschränkte seine Finger mit meinen. “Diese Bindung ist nicht umkehrbar. Wenn wir nicht die richtigen füreinander sind, sterben wir.” Jedenfalls glaube ich, das aus Hekas Vortag herausgehört zu haben.
“Warum sollten wir jetzt nicht zusammen gehören?” Er runzelte die Stirn. “Du hast doch vorhin selbst gesagt, dass du bei mir bleibst. Zu mir gehörst, wie ich zu dir gehöre ... Jetzt ist es wieder nicht so? Warum? Habe ich dich verärgert oder etwas falsch gemacht?”
“Nein.” Ich seufzte schwer. “Ich meine, dass wir damit warten sollten. Jedenfalls bis wir uns mit der Sache sicher sind. Heka sagte doch, dass sie es nicht genau weiß. Ich würde vorher gerne noch Reznicks Vater befragen.” Sofort zog Angst in sein Gesicht und mir wallte eine Welle purer Panik entgegen, die ich nicht verstehen konnte. Warum waren meine Worte so schlimm für ihn? Es war doch besser, sich darüber zu informieren. Immerhin ging es hier um unser Leben.
“Ich muss niemanden fragen, ob ich mit dir zusammen sein will. Ich habe es mir überlegt und ich will für immer an deiner Seite sein.” Er beugte sich vor, um mich federleicht zu küssen. Ich wehrte ihn nicht ab, erwiderte es aber auch nicht. Seine Handlung beruhte auf Angst – nicht aus Liebe. Er wollte nicht allein sein. Ich konnte ihn zwar verstehen, aber richtig fand ich es nicht.
“Zerian ...”, flüsterte ich bedrückt, als sich unsere Münder schließlich trennten. “Ich bin nichts Ganzes. Kein vollständiger Stern. Nicht so wie du. Was, wenn wir deswegen nicht zueinander gehören? Mal davon abgesehen, dass sich Heka auch irren könnte. Vielleicht ist das zwischen uns ... Das, was wir fühlen, nur diese ungewollte Anziehung. Nur ein fauler Zauber.” Ja. Diese Gedanken schmerzten und ließen mich nicht mehr los. Ich hatte immerhin nie etwas für Männer empfunden. Allein bei ihm war alles irgendwie anders. Beängstigend intensiv.
Zerian schien das alles jedoch nicht zu interessieren. Er gab mir einen erneuten Kuss. Deutlich entschlossener als zuvor legte er seine kühlen weichen Lippen auf die meinen. Ich konnte nicht leugnen, dass mir das unglaublich gut gefiel. Mir eine Gänsehaut verpasste und mein Herz schneller schlagen ließ. Fast hätte ich mich darin verloren. Aber. Mein Kopf spielte nicht mit. Meine Zweifel und seine Ängste standen weiterhin im Raum.
“Ich meine es ernst ...” Entschieden befreite ich mich von ihm und umfasste sein Gesicht. “Zerian, bitte. Was ist, wenn wir nicht–” Blitzschnell hatte er den winzigen Abstand überwunden und schenkte mir den nächsten verzweifelten Kuss. Offensichtlich ertrug er meine Worte nicht. Egal, was ich vorbringen würde, sein Entschluss stand fest.
“Meine Sonne ...”, flüsterte er zwischen zwei Atemzügen und begann von neuem, mich von der Bluse zu befreien. Gehetzt bewegten sich seine Hände über den Stoff und obwohl es weit davon entfernt war, irgendwie verführerisch zu sein, sehnte sich mein Körper nach seinen Berührungen. Ich wollte das hier. Wollte ihn.
Ergebend seufzte ich in unseren anhaltenden Kuss hinein. Es war wunderschön und grauenhaft zugleich. Ein Schwarm aus winzigen Funken entstand, der durch meine Adern tanzte und mir einen wohligen Schauer nach dem anderen bereitete. Im krassen Gegensatz dazu ein Gefühl von eiskaltem Wasser, das mich verschlang und sämtliche Wärme in mir abtötete. Ein beständiges Auf und Ab, das unglaublich kräftezehrend war. Gleich einem Überlebenskampf. Ich sehnte mich nach seiner Nähe und dann doch wieder nicht. Der Wunsch nach Abstand hielt sich konsequent. Es war zum Verrücktwerden.
“Ich liebe dich”, flüsterte Zerian und strich über meinen freigelegten Bauch – hauchte eine Spur aus feinen Küssen meinem Körper hinab. Ich genoss es. Stöhnte voller Verlangen, auch wenn mein wild schlagendes Herz mich dazu ermahnte, dies nicht als Liebe zu erachten. Das hatte damit nichts zu tun. Angst allein peitsche ihn voran. Ich konnte es deutlich spüren.
“Das Bett, ja?”, fragte er unsicher, als seine kühlen Finger den Saum meiner Hose erreichten und den Stoff mit einem Ruck hinunterzogen. “Frauen mögen meistens einen weichen Platz beim Sex und ich selbst mag das Bett auch.” Er versuchte ein Lächeln, was ihm nicht ganz gelingen wollte.
“Das Bett.” Ich nickte und fragte mich zugleich, was ich hier eigentlich tat. Sein flehender Gesichtsausdruck hatte mich regelrecht dazu gezwungen zuzustimmen. Ich sollte das Ganze endlich abbrechen und nicht noch befeuern. Verflucht. Die Situation war einfach nur seltsam zwischen uns.
“Komm.” Zerian griff mein Handgelenk und führte mich eilig zum besagten Himmelbett – drängte mich auf die weiche Decke. “Weiter in die Mitte, oder?” Er zeigte auf die besagte Stelle. “Und du legst dich auf den Rücken, ja?” Er formulierte es zwar stets als Frage, aber es behielt dennoch den fahlen Beigeschmack eines Befehls. Das gefiel mir überhaupt nicht. In meinem Leben hatte ich immer nur solche Ansagen bekommen und das es mit ihm jetzt in dieselbe Richtung ging – schmerzte.
“Du bist wunderschön, meine kleine Sonne.” Kaum versank ich zu sehr in dem dunklen Strudel der negativen Gefühle, riss er mich mit solchen Worten wieder ins Licht. Er war keiner meiner alten Meister. Er war Zerian. Einfach nur Zerian. Und wie er da so leicht verunsichert am Bettende hockte und mich betrachtete, war irgendwie süß.
“Ich möchte für immer mit dir zusammen sein.” Vorsichtig schob er meine Beine auseinander, um sich dazwischen zu positionieren. Mein Innerstes loderte. Jeder Teil meines Körpers wollte nichts sehnlicher, als sich ihm auf diese Weise hinzugeben. Nur eben mein Kopf nicht. Überall suchte mein Verstand nach einem Grund aufzuhören und davon gab es mittlerweile viele.
Ich seufzte. Starrte frustriert auf den Stoff des Baldachins über mir, welcher mit dem Hauswappen von Ludwig verziert war. Eine rot-gelbe Sonne auf einem weißen Stern. Ja. Einem Stern. Dies war das Problem an sich. Ich trug die Seele eines Sterns in mir oder zumindest ein Stück davon. War ich dadurch überhaupt ich selbst? Oder nur etwas von damals? Zwang mich dieses Sternenzeugs zu diesen Gefühlen? Gehörte Feuer und Wasser überhaupt zusammen? Immerhin hatte Zerian mit Mylagie früher Auseinandersetzungen gehabt. Sich mit ihm gemessen. Freundschaftlich? Oder waren sie Konkurrenten? Verfeindet? Und hatte das alles jetzt noch eine Bedeutung? Ich wusste es nicht. Egal wie sehr ich darüber nachdachte, ich fand keine Lösung. Nur weitere Unsicherheit.
Zerian schien es ähnlich zu gehen. Zumindest hatte er sich noch nicht auf mich geworfen und seinen Schwanz in mein williges Fleisch getrieben. Was mich nach weiterem Zögern seinerseits doch verwunderte. Immerhin hatte er es die ganze Zeit so verflucht eilig gehabt.
Fragend blickte ich zu ihm. Er hantierte hektisch an sich herum und wirkte mehr als nur verzweifelt dabei. Ich stützte mich mit den Ellenbogen ab und hob den Oberkörper, damit ich besser erkennen konnte, was er da zwischen meinen Schenkeln veranstaltete.
“Wieso funktioniert es nicht richtig?!”, schimpfte er und zog weiter an seinem halbsteifen Schwanz herum. Offensichtlich wirkte sich die bedrückende Stimmung auf seine Standfestigkeit aus. “Ich verstehe das nicht. Sonst hat sich mein Geschlecht immer von alleine aufgestellt und war hart. Jetzt fühlt es sich nicht einmal annähernd so an.” Sein Dilemma zu beobachten war irgendwie amüsant und traurig zugleich. Lieblos und unkoordiniert bemühte er sich um mehr Steifheit. Ich bezweifelte jedoch, dass es so klappen würde. Die Wahrscheinlichkeit lag hoch, dass er sich dabei noch verletzte.
“Zerian, bitte hör auf”, bat ich leise und rückte von ihm ab. Wollte ich zumindest, aber seine Hände umfassten meine Hüfte. Er behielt mich an Ort und Stelle.
“Nein! Nicht bevor ich das geschafft habe!” Keuchend beugte er sich ein Stück vor und probierte seine nachgiebige Schwanzspitze irgendwie in mich zu bekommen. Was natürlich nicht funktionierte. Er machte sich selbst mittlerweile durch diesen Stress derart fertig, dass ich mich wunderte, wie ihm das nicht auffallen konnte.
“Warum geht es nicht? W-warum? WARUM?!” Ein Teufelskreis. Keine Frage. Je länger er sich abmühte, desto schlimmer wurden es. Unsere negativen Gefühle schaukelten sich gegenseitig hoch. Warum hörte er nicht auf? War er nicht mal in der Lage, sein eigenes rasendes Herz zu spüren? Seine brüchige Stimme zu hören oder zu sehen, dass er am ganzen Leibe zitterte? Es hatte den Eindruck, als würde er gleich weinend zusammenbrechen.
Er ging daran kaputt. Wenn er mich nicht haben konnte, zerstörte es ihn körperlich sowie seelisch. Ich fühlte es deutlich. Etwas in mir war sofort geschmeichelt, dass er mich so sehr wollte, während der andere Teil diesen Drang nicht verstehen konnte. Aber. Das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Es ging ihm schlecht und das hatte ich mit meinem Zögern nicht beabsichtigen wollen.
“Zerian, bitte. Komm her.” Ich lehnte mich zurück und lockte ihn einladend mit meinen Händen. “Leg dich zu mir. Bitte.” Mein Entschluss stand fest. Diese Abwärtsspirale aus Angst und Verzweiflung musste aufhören.
“Aber ich muss doch ... Ich muss mit dir Sex machen.” Er zögerte, ließ aber schließlich von seinen krampfhaften Versuchen ab und krabbelte vorsichtig zu mir hinauf – legte sich eng an meine Seite. Sofort umfasste ich sein Gesicht und küsste ihn. Ein Kuss, der pures Feuer durch meine Adern jagte und ein süßes Kribbeln in meinem Schoß auslöste. O verdammt ja. Bei noch keinem Mann hatte ich je etwas Vergleichbares empfunden. Ich wollte dieses Gefühl für immer spüren, unabhängig davon, was mein Kopf mir weismachen wollte. Egal, was gegen eine Verbindung sprach oder ob es unvernünftig war. Ich liebte ihn. Ich wollte ihn.
“Nicht so, Zerian.” Ich streichelte sanft durch sein kurzes weißes Haar. “Merkst du es denn nicht? Es ist nicht angenehm oder schön. Weder für dich, noch für mich. Das sollte es aber sein. Liebe beruht auf keinem Zwang. Ich möchte nicht mit dir schlafen, weil ich es muss, sondern weil ich es gerne tun will. Verstehst du das?”
“Ja, aber ... es geht ja sowieso nicht. Ich bin kaputt.” Seine Stimme klang brüchig und die einst strahlend blauen Augen hatten einen trüben dunklen Ton angenommen. “Es tut mir leid, ich–” Bevor er seinen Gemütszustand noch weiter ins Negative trieb und die Zweifel sich auch in mir wieder festigten, küsste ich ihn erneut.
“Hör auf zu denken.” Ein Ratschlag, den ich selbst verinnerlichen musste. Aber zum Glück klappte das ausgesprochen gut. Sobald sich unsere Lippen berührten, durchströmte unbändige Euphorie meinen gesamten Körper.
“Und jetzt entspann dich.” Ich richtete mich auf und legte meine Hände auf seinen Oberkörper. Streichelte verführerisch über die fein definierten Muskelpartien. Es war immer wieder erstaunlich, wie kühl er doch war, während in mir glühende Hitze wohnte. Ich liebte den Kontrast zwischen uns. Dieses Spiel von heiß und kalt oder der farbliche Unterschied. An seiner hellen Hautfarbe und die dazu passenden schneeweißen Härchen konnte ich mich gar nicht sattsehen. Er war verboten attraktiv und ich genoss es, jeden Zentimeter davon zu erkunden. Dafür hatte ich mir bislang noch überhaupt keine Zeit genommen. Das wollte ich ändern.
Ich lächelte und fuhr weiter mit den Fingerspitzen die Berge und Täler seines Körpers entlang. Dabei achtete ich sehr genau auf jede noch so kleine Reaktion seinerseits. Beschleunigte sich sein Atem? Was brachte ihn zum Stöhnen oder an welchen Stellen kitzelten meine Berührungen unbeabsichtigt? Seinen Intimbereich mied ich dabei weitestgehend. Es sollte nur ein unschuldiges Vorspiel werden. Jedenfalls vorerst. Wir hatten alle Zeit der Welt und die würde ich mir jetzt auch nehmen.