╬Reznicks Sicht╬
Ein weiteres mörderisches Knurren entwich meiner Kehle. Blanker Hass fraß sich durch meine Adern und unbändige Wut ließ mein Herz fast explodieren, während ich auf den Hinterkopf meines Vaters starrte. Ich konnte nicht fassen, was hier passierte. Alle meine Gedanken drehten sich einzig und allein darum, IHN in Stücke zu hacken und doch – ich konnte es nicht. Brav trottete ich hinter ihm her, als wäre es das Normalste der Welt. Als hätte er mich vor ein paar Sekunden nicht bis aufs Blut provoziert. Ich verstand es schlicht und ergreifend nicht. Warum lag er nicht schon längst ausgeweidet vor meinen Füßen?
Es gab kein Wort dafür, wie sehr es mich danach dürstete, ihm den Schädel zu spalten. Nur ein Hieb. Nur ein gottverdammter Schwenk mit meinen Schwertarmen und mein Vater wäre Geschichte. Es war so simpel und doch unmöglich umzusetzen. Dieser eine Meter war ein tiefschwarzer Abgrund, den ich trotz meines glühenden Hasses einfach nicht überwinden konnte. Nicht einmal neue Klingen wollten sich aus meinem Körper bilden, um ihn aufzuspießen. Nichts funktionierte. Nur schön einen Schritt nach dem anderen. Selbst meine Stimme versagte. Ich konnte weder sprechen, noch ihn beschimpfen! Wie machte er das bloß? Was hatte er mir verabreicht und wann? Irgendwelche Nanobots? Und wie wurde ich den Scheiß wieder los? Warum konnte ich dem nicht entgegenwirken?!
Atemzug um Atemzug versuchte ich krampfhaft, mich gegen den Einfluss meines Vaters zu wehren. Meine Muskeln bebten bereits von der ständigen Kraftaufwendung, diesen widerlichen Zwang loszuwerden. Jede Faser meines Selbst schmerzte unerträglich und doch blieb der innerliche Druck übermächtig. Ich hasste es. Hasste es. Hasste es! Ich hätte mir ohne zu zögern das eigene Fleisch von den Knochen geschält, wenn das helfen würde. Alles. Was auch immer nötig wäre, ich würde es tun. Sofort!
Ich presste die Zähne aufeinander und knurrte erneut, was meine Klingen noch länger werden ließ. Die Spitzen schlugen auf den Boden und schabten kreischend darüber. Ich wollte ihn töten. Töten. Töten! Er sollte sterben. Schnell. Langsam. Laut. Leise. Es war mir vollkommen egal, Hauptsache irgendetwas davon! Er sollte einfach ver– Mein Herz setzte im nächsten Moment einen Schlag aus, als mein Vater um eine Ecke bog und silberweiße Augen die meinen trafen. Ich verlor mich darinnen. All die Wut verrauchte und machte Platz für etwas Neues. Etwas viel Wichtigerem. Dezeria.
Ich schluckte. Ihr Blick ging mir durch und durch. Ich sah Mitleid. Sorge. Bedauern. Angst. Ich verstand nur nicht wieso. Was bereitete ihr derartigen Kummer? Umgehend wollte ich sie berühren. Beschützen. Allerdings ging es nicht. Ich konnte nicht weiter zu ihr. Nicht schneller gehen. Nicht die Hand heben. Sehr seltsam.
Verwirrt blickte ich an mir herab. Da klebte ein Haufen Blut an meinem Oberkörper und auch meine Arme waren nicht menschlich. Warum? Warum besaß ich stattdessen meterlange silberne Klingen? Und was hatte ich mir dabei bloß gedacht, sie mit diesen Waffen anfassen zu wollen? Ich hätte sie verletzen können! Meine Bestürzung darüber ließ das Metall zum Glück unverzüglich zurück in mein Fleisch gleiten. Aber noch etwas anderes passierte. Es löste sich eine große Last in meinem Innern. Nicht vollständig, aber doch so weit, dass ich mich etwas besser bewegen konnte. Mich freier fühlte. Auch ließ das Brennen in den Muskeln deutlich nach. Seltsam. Wobei. Nein. Es war egal. Dezeria. Mich interessierte allein Dezeria.
Entschuldigend blickte ich wieder auf und in diese wundervollen Augen, in denen ein silberner Wirbel schimmerte. Ich streckte einen Arm vor, um eine Strähne ihres schneeweißen Haares zu fassen. Ihr Gesicht zu streicheln. Es fehlte auch nicht mehr viel und doch – es reichte nicht. Reichte immer noch nicht. Gleich einer unsichtbaren Barriere stoppten meine Finger in der Luft, dabei wollte ich es doch so sehr. Ich sehnte mich danach, sie anzufassen. Sie an mich zu drücken. Ihr nahe zu sein.
“Nein, noch nicht”, sprach plötzlich ein Mann und zog Dezeria ruckartig vorwärts, wodurch sie fast stolperte. “Er ist noch nicht gefestigt genug.” Irritiert musterte ich die beiden. Warum war dort ein fremder Kerl an der Seite MEINER Märchengestalt? Wieso konnte ER sie berühren?! Und warum führte er sie unentwegt von mir fort?
Heißbrennende Wut erfüllte mich binnen eines Wimpernschlags. Überall schoss gezacktes Metall aus meinem Leib und peitschte nach vorne. Direkt auf ihn zu. Allerdings traf keiner der tödlichen Spitzen ihr Ziel, was mich nur noch wütender machte. Er sollte Dezeria loslassen! Er hatte nicht das Recht, bei ihr zu sein!
“Ich sagte es ja. Wundervoll nicht wahr?” Er stoppte und drehte sich zu mir herum. Die Frau meiner Träume behielt er dabei dicht bei sich. Unerreichbar für mich. Ein unerklärlicher Druck zwang mich in die Knie. “Sieh genau hin. Nun kannst du mal Instabilität in Perfektion sehen. Würde ich ihn nicht zügeln, hätte er dich getroffen. Die Notwendigkeit meines Handels, sollte dir ...” Alles Weitere versank in unbedeutendem Rauschen, als ich bemerkte, wie schockiert Dezeria mich ansah. Ihre Pupillen waren riesig. Sie war meinetwegen entsetzt. Ängstlich. Warum? Was hatte ich getan?
In diesem Moment stand für mich die Zeit still. Dass sie mich für eine Gefahr hielt, schmerzte wie noch nie zuvor etwas in meinem Leben. Alles in mir schrie, denn es war nicht richtig. So sollte es nicht sein. Ich gehörte zu ihr, wie sie zu mir gehörte. Ich spürte es. Fühlte es! Aber dieser Blick. Das durfte nicht sein. ICH war der Grund für ihre Furcht. Ich hatte es zu verantworten. Sie verstieß mich. Wollte mich nicht. Warum? Wieso? Was war passiert?
Panisch erfasste mein überforderter Verstand jedes noch so kleine Detail. Sie war voller Blut. Angetrocknet, feuchtes und verschmiertes Blut. Ihrem Blut? Fremdes Blut? Verletzungen? Nein. Keine Verletzungen. Oder? Ich hörte auf zu blinzeln und starrte jede beschädigte Stelle ihrer Kleidung an.
Sie trug ein hellblaues Kleid. Ein Ballkleid aus dem Hause Yrasas. Os-Seide. Darunter ein Bustier, welches ich aber nicht näher definieren konnte. War es ursprünglich weiß gewesen? Da waren einige Risse. Haut. Rundungen. Wo war ich stehengeblieben? Über was dachte ich nach? Und warum? Dezeria! Genau. Da war Dezeria. Vor mir. Nur für sie existierte ich. Sie war der Mittelpunkt und der Sinn in meinem Leben. Sie war alles. Sie hatte Angst. Sie –
Plötzlich verlor ich ihre Aufmerksamkeit, was mir einen regelrechten Schlag verpasste. Sie drehte den Kopf nach rechts und schien verärgert. Meinetwegen? Irgendetwas raschelte. Metall? Auch egal. Es ließ sofort nach, als sie mich wieder betrachtete. Da war ein Schneesturm in ihren Augen. Weiß. Silber. Silberweiß? Weißsilber? Einfach atemberaubend.
“Wie heiße ich?” Ihre Stimme war das Schönste, was ich je gehört hatte. UND sie sprach mit mir! MIR!
“Dezeria ...” Das würde ich immer wissen. Immer.
“Wie heißt du?” Diese Frage ließ mich jedoch die Stirn runzeln.
“Ich bin unwichtig.” Genau. Was spielte ich schon für eine Rolle? Unbedeutend. Ich war hier. Hier bei ihr und nur das zählte. Dachte ich zumindest, aber es schien die falsche Antwort zu sein. Sie drehte ihren Kopf erneut kurz nach rechts, um mich dann noch besorgter anzusehen.
“Wo sind wir?”
“Wo?” Wieder so eine Frage, mit der ich nichts anzufangen wusste. In ihren Augen erkannte ich zudem deutlich, dass sie etwas anderes wollte. Es um etwas völlig anderes ging, aber was? “Du bist hier. Ich bin hier.” Diese Wahrheit wusste ich und auch nur das konnte ich ihr sagen. Aber es war falsch. Nicht das, was sie hören wollte. Nicht das, was sie beruhigte. Ich konnte es sehen. Konnte es fühlen. Etwas stand zwischen uns. Entzweite uns.
“Warum bist du hier?” Ich wiederholte ihre Frage langsam Wort für Wort und Buchstabe für Buchstabe in meinem Kopf. Es war ihr wichtig. Sehr wichtig, dass ich nicht erneut falsch antwortete. Ich musste es wissen. Konnte ich es überhaupt wissen? Ja. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen, wusste ich es. Auch das andere, hätte ich gewusst, nur fehlerhaft ausgesprochen. Irgendwie. Ich verstand es noch nicht so ganz. Etwas fehlte. Warum war ich hier? Ihretwegen. Das wusste sie, aber darum ging es ihr nicht. Nicht darum. Nicht um sie. Nicht um mich. Oder? Quatsch. Natürlich ging es um uns. Alles andere ergab noch weniger Sinn.
“Wie bist du hergekommen?” Noch eine Frage, die mehr nach einem Rätsel klang. Warum war es ihr so wichtig? Warum hing unser Beisammensein von derart Belanglosem ab? Und warum in aller Welt, hatte ich keine passende Antwort? Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren und doch kam rein gar nichts dabei raus. Nichts. Null. Aber sie wollte es doch wissen! Sie wollte es von mir hören. Von mir!
Ich knurrte frustriert. Es war schwer, sich auf diese Dinge zu konzentrieren. Verdammt schwer, wenn mich dabei diese hypnotisierenden Augen ansahen. Es war unfair. Wie sollte ich so jemals eine Lösung finden? Warum war ich hier? Wie bin ich hierher gekommen? Wo war dieses hier? Und wer war ich eigentlich? Mein Kopf schien explodieren zu wollen.
Wütend knurrte ich ein zweites Mal. Ich wollte sie auf keinen Fall enttäuschen. Mir musste etwas einfallen. Musste! Warum war ich hier? Warum? Wegen ihr. Genau. In den Tiefen meines Seins gab es keine andere Begründung. Bei der Thematik, wie ich zu ihr gelangt war, jedoch schon. Da gab es etwas. Ein Schiff. Da war ein Spiel. Eine Wette? Es ging um Geld. Nein. Mehr. Irgendetwas Bedeutsames. Ich konnte es bloß nicht greifen. Wie Sand rann mir die Erkenntnis durch die Finger. Immer und immer wieder.
“Wie heißt du?” Warum fragte sie das erneut? Und wieso hatte ich die Antwort immer noch nicht?
“Ich weiß es nicht ...” Sämtliche Muskeln spannten sich an. “Es tut mir leid.” Tat es wirklich, denn sie blieb nach wie vor erschüttert darüber, dass ich es nicht wusste. “Warum?” Sah sie denn nicht, wie sehr ich mich bemühte? Ich wollte ihr doch das Richtige sagen! “Warum willst du das wissen?” Ihr Ausdruck änderte sich, was mich verwunderte. Auf meine Frage wusste sie ebenso keine Antwort. Wie konnte das sein? Und warum wandte sie sich lieber hilfesuchend nach rechts, anstatt zu mir zu kommen? Wieso mied sie mich?
Ich folgte ihrem Blick und war überrascht, dort einen Mann zu sehen. War er schon die ganze Zeit an ihrer Seite? Kannte ich ihn? Meine Stirn legte sich in tiefe Falten. Ich hatte ihn schon einmal gesehen. Sein Gesicht. Kein Zweifel. Und er wusste über mich Bescheid. Nein. Das war nicht alles. Ich sah es in seinen Augen. Das tiefe Braun in seinen Iriden rang mit funkelndem Silber, wie es auch Dezeria hatte, und dann machte es klick.
“Alexander”, sprach ich diesen einen Namen, der mir plötzlich einfiel. “Ich heiße Alexander.” Er lächelte, freute sich über diese Äußerung. Es war also richtig. Nein. Nicht ganz. Dezerias Ausdruck nach zu urteilen, fehlte ein entscheidender Punkt.
“Re’Nya’Ca Alexander Weckmelan”, korrigierte er amüsiert, was zugleich die Wahrheit und eine Lüge zu sein schien. Wobei. Nein. Es war so viel mehr als das. Ein Codewort. Ein komplexer Schlüssel zu all dem, was ich war und jemals gewesen bin. Verrückt. Ich schloss überfordert die Augen. Ein Schauer nach dem anderen erfasste meinen Körper. Mir wurde erschreckend bewusst, in welcher Situation ich mich befand. Verdammt, das konnte doch nicht wahr sein!
“Mein Name ...”, ich blickte zornig auf, “lautet Reznick! Ich erkenne diesen anderen Scheißnamen von dir nicht an, du elend–” Meine Stimme versagte und alles in mir verkrampfte sich.
“Ich dulde keine Respektlosigkeiten.” Der Druck verstärkte sich und mir blieb nichts anderes übrig, als mich soweit zu neigen, dass ich seine Füße hätte küssen können. “Habe ich noch nie und werde ich auch nie.”
“Hört auf! Er hat sich doch erinnert, so wie Ihr es wolltet! Jetzt la–”
“Genug. Nur weil sein benebelter Verstand zurückgefunden hat und er mich wahrnehmen kann, ist dies kein Grund für solche Ausdrucksweise. Aber wie dem auch sei. Tyschka, starte Protokoll 52. Nimm die Aufnahme von Beginn seiner Wandlung bis zu diesem Zeitpunkt.”
⫷Verstanden. Protokoll 52 wird vorbereitet⫸, erklang die Stimme einer KI, aber was das zu bedeuten hatte, kümmerte mich herzlich wenig. Allein dass ich wieder den Kopf heben konnte, war von Belang. Auf das selbstsichere dumme Grinsen meines Vaters hätte ich jedoch verzichten können. Seine Freude, mich in diesem hilflosen Zustand zu sehen, war pures Gift für meine Seele. Wie konnte man sich bloß daran derart ergötzen?
Auch Dezeria trug nicht gerade dazu bei, die Sache für mich erträglicher zu machen. Ihr flehender, ängstlicher oder auch schockierter Blick schüttete unentwegt Öl in das kreischende Feuer meiner Wut. Die Nähe zu meinem Vater gab mir dabei den Rest. Ich ertrug es nicht, sie bei ihm zu sehen. Es war der schlimmste Ort, an dem sie hätte sein können und ich konnte nichts dagegen tun. Nicht verhindern, dass er sie festhielt.
“Gut.” Mein Vater umfasste Dezerias Kinn und zog es zu sich. “Und wir zwei gehen schon einmal zum Speisesaal. Mein Sohn wird folgen, nachdem er ganz geworden ist, stimmt’s Alexander?” Kurz sah er provozierend zu mir, bevor er sich mit Dezeria umwandte und losging. Ich fletschte die Zähne und spannte die Muskeln bis zum Zerreißen an. Doch weder konnte ich ihn beschimpfen, noch aufstehen und ihnen nacheilen. Dass er diese Macht über mich hatte, war einfach unerträglich. Absolut nichts konnte ich dem entgegensetzen. Dieser widerliche Druck in mir – ich war seine Marionette, die er nach belieben steuern konnte. Das war so krank! Kein Wunder, dass ich bisher immer verloren hatte. Wie sollte ich dagegen je bestehen können?
Starr blickte ich ihnen nach. Dezeria wollte sich noch mehrmals zu mir umdrehen, aber das ließ er nicht zu. Er verschwand mit ihr. Dieser elende Wichser! Was bezweckte er damit? Etwa, mich noch wütender zu machen? Wozu? Wäre es dann nicht besser, sie vor meinen Augen zu quälen, wie er es bereits getan hatte? Oder sollte mich die Unwissenheit noch schneller in den Wahnsinn treiben? Mich –
Ich stutzte. Vor mir bildete sich plötzlich ein Holobildschirm. Verwirrt starrte ich auf das Überwachungsvideo, welches sich sogleich darauf abspielte. Es zeigte diesen Gang – zeigte meinen Vater mit Dezeria und wie ich ihnen verkrampft folgte. Und was dann passierte, verschlug mir wirklich die Sprache. Aus meinem Körper platzte unkontrolliert ein wildes Rankengeflecht. Silbernes Metall preschte auf meinen Vater UND Dezeria zu. Ich schluckte. Nein. So war das nicht gewesen!
“Was soll der Scheiß?!”
⫷Protokoll 52 wird ausgeführt, werter Re’Nya’Ca Alexander Weckmelan.⫸
“Das ich nicht la–”
“Ich sagte es ja. Wundervoll nicht wahr?” Das Video lief ungehindert weiter. Mein Vater zwang Dezeria dazu, mich anzusehen. Mich, ein groteskes Gebilde aus Mensch und Metall, welches vor ihnen in die Knie ging. “Sieh genau hin. Nun kannst du mal Instabilität in Perfektion sehen. Würde ich ihn nicht zügeln, hätte er dich getroffen. Die Notwendigkeit meines Handels, sollte dir dadurch doch langsam klar werden, Henriette.” Angewidert schloss ich die Augen. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es so abgelaufen war. Niemals hätte ich ihr etwas angetan. Niemals! “Solange seine Bindung an diese Welt fehlerhaft ist, passiert das in regelmäßigen Abständen. Unzählige Male ist er schon in sein Element gebrochen und er wird daran auch irgendwann unweigerlich sterben, Henriette, begreifst du es endlich?” Verwundert öffnete ich die Lider. Sowas war schon mehrfach vorgekommen? Wobei. Es spielte keine Rolle. Dezerias schockiertes Gesicht zu sehen – es tat weh. Es bereitete mir massive körperliche Schmerzen. Dieser Blick von ihr sollte mich nie wieder treffen. Nie! Vorher würde ich lieber sterben wollen.
“Kannst du es sehen? Er ist auf dich fixiert. Faszinierend, nicht wahr? Keines meiner Worte dringt zu ihm durch. Nur du allein existierst noch in seinem Wahn. Frag ihn mal nach deinem Namen. Ich will sehen, wie weit sein Verstand funktioniert.” Wütend knirschte ich mit den Zähnen. Erschreckenderweise bebte im gleichen Moment in dem Video sämtliches Metall an meinem Körper. Es kreischte, klirrte und raschelte bedrohlich, was Dezeria zusammenzucken ließ. Sie wollte zurückweichen, aber mein Vater ließ sie nicht. Er zwang sie, an seiner Seite zu bleiben. Sie sollte sich genau einprägen, was für ein Monster ich war. In mir verkrampfte sich sofort alles. Ich konnte mich nicht erinnern, was mir jemals so unangenehm war. Er ging geschickt und manipulativ vor, als würde er einen Sklaven trainieren.
Auch im weiteren Verlauf wurde es nicht besser. Dieses Spiel, das er da trieb, war krank. Wie er Dezeria immer und immer wieder die Fragen vorgab und sie dazu drängte, es zu wiederholen. Als wäre ich bloß ein hirnloses Versuchsobjekt. Und verdammt noch eins, ich war ein eben solches gewesen! Ich schämte mich unglaublich dafür.
Zum Glück fand diese grässliche sowie peinliche Vorführung irgendwann ihr Ende und startete nicht von Neuem. Dafür war ich ehrlich dankbar. Stattdessen wechselte der Holobildschirm die Einstellung und zeigte mein Abbild. Wobei. Nein. War das ein Trick? Verwirrt betrachtete ich den Spiegel. Ich konnte mich sehen. Genau sehen! Ein Monster aus silbernen Klingen. Meine Augen glühten Silber und die Bestürzung darinnen war echt. Auch ein Blick nach unten bestätigte meinen desaströsen Zustand. Mein Körper – da gab es nicht mehr viel Menschliches.
Wie konnte das sein? Warum fiel mir das jetzt erst auf? Ich hatte nach wie vor keine Kontrolle über diese Fähigkeit und ich spürte es nicht einmal. Da gab es nur diesen Druck, der mich am Boden hielt. Die Macht meines Vaters. Er nutzte meine Schwäche aus. Spielte mit mir. Wie immer.
Resigniert hob ich meine gezackten Klingenarme und drehte sie leicht hin und her. Je ruhiger ich wurde, desto schneller zog sich das Silber zurück in mein Fleisch. Immerhin etwas. Ich musste definitiv einen kühlen Kopf bewahren, wenn mir das nicht noch einmal passieren sollte. Was unglaublich schwer werden würde. Allein an meinen Vater zu denken, ließ mich rotsehen. Aber ich musste mich zusammenreißen. Ich konnte und wollte Dezeria nicht mit ihm alleine lassen. Ich musste sie hier unbedingt rausholen und fortbringen. Weit. Weit weg von meinem Vater. Und von mir.