“... bitte ...” Ich rang nach Atem. Mein ganzer Körper schien Stück für Stück zu Eis zu werden. Auf meiner Haut bildeten sich immer größer werdende Kristalle. Alles fühlte sich entweder stechend kalt oder beängstigend taub an. Nicht mehr lange und das Eis würde mich vollständig in sich einschließen.
“Um was bittest du? Na ist eigen auch unbedeutend. Es ist faszinierend zu sehen, welche Abwehrreaktionen bei dir einsetzen, um mein Blut abzutöten. Du musst wissen, bei jedem Elementar, der eine feste Form angenommen hat, ist das nämlich unterschiedlich”, sprach das Monster und tippte einmal prüfend gegen meinen Brustkorb. Warum ich das spüren konnte, verstand ich allerdings nicht. An der Stelle überzog bereits eine dicke weiße Eisschicht sämtliches Gewebe.
“Bitte ... es soll aufhören ...”, brachte ich mühselig hervor, auch wenn mir klar war, dass er nicht helfen würde. Er hatte mir das schließlich angetan und das Geschehen zu beobachten, schien ihm eine unbändige Freude zu sein. Andere leiden zu lassen, war für ihn bestimmt nichts weiter als ein Spiel.
“Ich soll dich davon befreien? Du bist doch hier die mit der Eisfähigkeit.” “I-ich mach ... das nicht ... Kei-keine Kontrolle ...”, wimmerte ich und spürte zugleich, wie sich das Eis gefährlich um meine Kehle legte. Gleich würde ich ersticken.
“Ich weiß, war auch nur ein kleiner Scherz. Man sieht ganz deutlich, dass mein Test erfolgreich war”, sprach das Monster und klatsche einmal freudig in die Hände. “Oh, welch einmalige Gelegenheit. Ich irre mich selten, aber das es ausgerechnet einmal so passiert ... Hach, is das alles aufregend.” Fassungslos starrte ich ihn nach diesen Worten an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Ich rang hier um jeden Atemzug und er amüsierte – freute sich darüber wie ein kleines Kind. Einfach unglaublich.
“Dann werde ich dem Eis in dir mal einen Ausweg zeigen”, sagte er und griff in die Innenseite seines Mantels – holte etwas heraus. “Siehst du das hier?” Er trat näher und hielt mir einen schwarzen Kristall oder Edelstein vor die Nase.
“Das ist ein Bleasta, ein Konstrukt aus meinem Metall und Blut. Aber eigentlich ist das für dich nicht so wichtig. Du musst mir jetzt nur sagen, wann du dich erschöpft fühlst. Hast du verstanden?”, fragte er und bohrte die Spitze dieses sonderlichen Steins langsam mitten in meinen Brustkorb – direkt durch das Eis. Es zwackte etwas, war aber im Vergleich zu den anderen Reizen auszuhalten. Ging nach dem ersten Moment sogar vollständig in diesem ziehenden und tauben Gefühl der Kälte unter.
“Ihr ... wollt wissen, ob i-ich erschöpft b-bin? Ich fühle mich er-erschlagen, hungrig, durstig ... mir ist schwindelig. E-es ist zu viel, um alles in Worte z-zu fassen”, sprach ich mit bebenden Lippen und blickte besorgt in sein Gesicht. Mir war nicht wohl, dass er seine Hand mit diesem Ding nicht von mir nahm. Das machte bestimmt alles nur noch schlimmer.
“Du wirst den Unterschied schon spüren. Glaube mir. Ich würde dir ungern zu viel Essenz entziehen. Ich will nicht, dass du stirbst. Da mir allerdings noch nie ein Beseelter wie dir untergekommen ist, bin ich auf deine Mithilfe angewiesen. Dieser Umstand erfreut mich dabei nicht unbedingt.” “Ich ... verstehe nicht”, flüsterte ich schwach und schaffte es kaum noch, wach zu bleiben. Mein Verstand nebelte immer weiter ein. Nur noch dumpf hörte ich sein frustriertes Seufzen. Zudem hatte ich nicht einmal den Eindruck, überhaupt noch atmen zu können.
“Reiß dich mal ein bisschen zusammen Mädchen! Ich kann die Wirkung meines Blutes zwar verringern, aber das wäre kontraproduktiv. Dein Körper muss unattraktiv für den Elementar werden, andernfalls wird er ihn nie verlassen. Begreifst du das?” Um ehrlich zu sein verstand ich gar nichts mehr. Jeder Gedanke fiel in sich zusammen. Ich wollte nur noch schlafen.
“... müde ...”, flüsterte ich und schloss die Augen – versank in diesem tröstenden Schwarz, das mich wie in eine weiche Decke hüllte. Eine warme Decke. Eine immer heißer werdende Decke. Plötzlich glühte mein Körper. Ich erwachte sofort wieder und sah verwirrt in das lächelnde Gesicht des Monsters. In seinen dunklen braunen Augen blitzte ein silberner Schimmer auf.
“Sehr schön. So ist es gut. Du sollst nicht schlafen. Ich brauche dich bei Bewusstsein. Dein Geist soll schließlich im Körper bleiben. Ich will lediglich den Elementar aus dir raus bekommen, was ihm offensichtlich nicht gefällt. Aber das kriege ich schon hin. Das wachsende Eis und die damit einhergehende Verhärtung sind harmlos. Du hättest dagegen mal den Kerl mit dem Feuer sehen müssen. Der stand vollkommen in Flammen.”
Ich runzelte die Stirn. Er wollte das Eis aus mir raus bekommen? Das, was Zerian mir gegeben hatte? Sowas war möglich? Und es hatte auch jemanden aus Feuer gegeben?
“Ach, immer noch verwirrt? Warum muss ausgerechnet so jemand Dummes wie du derart außergewöhnlich sein. Jetzt sei halt mal nützlich und sag mir, wie du dich fühlst. Besser oder schlechter? Verschwindet die Kälte oder wird sie stärker?” “Es wird ... besser”, flüsterte ich erschöpft und blickte nervös auf den Kristall an meinem Brustkorb, der beständig heller zu werden schien. Es sah so aus, als würde weißes Licht von meinem Innern dort hineinströmen. Das war unheimlich und verrückt, wie alles was hier passierte.
Ich fühlte mich zunehmend leichter. Mein ganzes Empfinden verschwand. Kein Schmerz. Keine Kälte. Da gab es nichts mehr. Je stärker der Stein pulsierte, desto lebloser fühlte ich mich. Und da kam mir das erste Mal noch ein ganz anderer Gedanke.
“W-werde ich jetzt sterben?” Ich sah ihm ins Gesicht. “Zerian hat gesagt, dass er mir das Eis ... gegeben hat. Ich bin ertrunken ... Er hat mir ein Teil seiner Göttlichkeit vermacht, damit ich leben kann.” Ja. Daran erinnerte ich mich noch ziemlich genau. Was aber passierte, wenn ich diese Macht wieder verlor? Spielte das überhaupt eine Rolle? Nein. Sterben würde ich hier so oder so.
“Interessant. Wieder etwas, dass du für die Wahrheit hältst, aber dennoch nicht richtig sein kann. Rein aus den Fähigkeiten eines Elementars gesehen. Die können niemanden wiederbeleben.” Seine Stirn legte sich in tiefe Falten. “Ich meine Heilung ja, aber etwas vollkommen Totes? Nein. Ausgeschlossen. Aber wenn du tatsächlich nur einer dieser niederen Bauern bist, erklärt das natürlich, warum meine erste Untersuchung deines Blutes nichts Auffälliges finden konnte. Die Beseelung fand also erst danach statt.”
“Nein. Es passierte am See in Rotterval. In der Nacht als ich floh.” Ich stutzte. Zu sprechen fiel mir auf einmal wieder deutlich leichter. Ein Blick an mir herab zeigte auch, dass sich das Eis zurückbildete. Der Kristall wiederum hatte gänzlich das ursprüngliche Schwarz verloren. Er schimmerte grellweiß.
“Bereits am Anfang des Oswelats? Nein. Ausgeschlossen. Das hätte ich bei meiner Prüfung nicht übersehen können. Aber sei’s drum. Dein Freund, der Typ mit den weißen Haaren und den blauen Augen ist der Ursprung. Warum und wie er dir Essenz geben konnte, werde ich ihn wohl selbst fragen müssen. Hmm. Er dürfte aktuell bei meiner Frau sein ... Ob sie das alles so geplant hatte? Nein. Auch von Hendrick konnte sie unmöglich etwas wissen. Aber die Nachricht vom Tod unseres Alexanders war äußerst raffiniert. Hach, ist sie nicht einfach atemberaubend?” Er lächelte mich an, aber diesmal auf eine echt schräge verträumte Art – geradezu liebevoll.
“Ich ... kenne Eure Frau nicht, aber Zerian ist bei ihr? Und Reznick auch? Sie leben? Und geht es ihnen gut?” Ich schluckte schwer. Sein Gesicht verlor sofort sämtliche Wärme. Hätte ich doch nur meinen Mund gehalten.
“Ich will diese Namen hier nicht hören! Hast du verstanden? Andernfalls werde ich dir doch noch die Zunge nehmen”, knurrte er und wie zur Untermalung wallte Schmerz in mir auf. Mein Herz fühlte sich an, als würde es gleich zerspringen wollen. Auch das Schwindelgefühl kehrte mit solcher Intensität zurück, dass es mir sämtliche Worte raubte. Als Nächstes stach und zog es entsetzlich in meinem Brustkorb. Irgendwas schien mich, von innen heraus zu zerquetschten. Übelkeit gesellte sich dazu, gleich wie ein brutaler Schlag in die Magengegend. Bunte Punkte tanzten in meinem Sichtfeld.
“Bitte ...”, hauchte ich kraftlos und gerade als ich dachte, jetzt sterben zu müssen, war alles auch schon wieder vorbei. Selbst die Dunkelheit auf meinem linken Auge verschwand. Ich konnte wieder vollständig sehen!
“Bei den Rea, Weib! Ich sagte doch, du sollst sofort Bescheid sagen! Das war reichlich knapp”, sprach das Monster und hielt den pulsierenden weißen Kristall in die Höhe. Ich wusste nicht, was er da gemacht hatte, aber mir ging es tatsächlich gut. Viel besser. Und auch das übrige Eis rutschte problemlos von meinem Körper. Klatschte zu Boden.
“Amüsant, nicht wahr? An sowas betest du. Hättest du je gedacht, dass einer deiner Götter in etwas so Kleines und Unscheinbares passt?” Er drehte den Stein spielerisch in der Hand. “Und da du noch lebst, bist du ohne Zweifel eine lebend Beseelte. Faszinierend.”
“Muss ich das verstehen?”, fragte ich vorsichtig und sah ihn furchtsam an. Warum sollte das jetzt ein Gott sein? “Wenn Ihr jetzt habt, was Ihr wolltet ... kann ich dann gehen?” Eigentlich hatte sich nach wie vor nichts an der Grundsituation geändert. Ich hing schwebend in der Luft. Nackt. Gefangen vor einem Mann, dem das Foltern und Quälen große Freude bereitete. Und ob Zerian sowie Reznick noch lebten, wusste ich nicht mit Sicherheit.
“Mal sehen.” Er steckte den Kristall schnell in seine Jackentasche zurück und strich anschließend mit den Fingern über meine Haut. Tastete meinen Brustkorb ab. “Spürst du das? Hast du noch Schmerzen?”
“Nein. Also spüren ja, aber kein Schmerz.” Obwohl man deutlich eine gerötete Stelle sah, wo sich zuvor die Spitze des Steins befunden haben musste, tat es nicht weh.
“Gut. Da es auch nicht blutet, werde ich es vorerst so belassen.” Er schnippte mit den Fingern und plötzlich fiel ich runter. Der magische Halt verschwand und ich wäre laut krachend auf den Boden gestürzt, wenn er nicht nach mir gegriffen hätte. Es war mir sehr unangenehm, von ihm festgehalten zu werden. Eng an seine breite Brust gedrückt. Was sollte das jetzt werden? Hilflos und steif stand ich einfach nur da und ließ mich umarmen. Unfähig, mich zu bewegen. Sein herber Geruch stieg mir dabei immer deutlicher in die Nase. Gott. Er roch genauso wie Reznick. Verrückt.
Plötzlich wanderten seine Hände meinen Rücken hinab. Krallten sich fest in meinen Hintern. Ich quietschte erschrocken auf und stemmte die Hände gegen ihn. “Lasst mich los!”
Er lachte. “Und ... was ist, wenn nicht?” Der Druck seiner Finger nahm zu und zugleich stieß sein Becken vor. “Los, wehr dich!” O Gott. Mein Herz raste. Das konnte doch jetzt nicht sein Ernst sein. Aber leider bewahrheitete sich meine Befürchtung keine Sekunde später. Er warf mich um. Mit einem lauten Klatschen landete ich auf dem Rücken, er direkt auf mir.
“Hört auf!”, schrie ich panisch und versuchte, mich von ihm zu befreien. Sein Gesicht zu zerkratzen – vergeblich. Er schnappte sich meine Handgelenke und pinnte sie mit Leichtigkeit auf den nassen Boden. Es war erschreckend, wie viel Kraft er hatte.
“Und jetzt?”, fragte er belustigt, während er mich ausgiebig musterte. “Soll ich dich für meinen kleinen Alexander schon mal vorbereiten? Er mag es rau und hart, musst du wissen.” Sein Lächeln nahm unheimliche Züge an, während er sich ein Stück nach vorne beugte – meinen Lippen immer näher kam. “Die Reize beim Geschlechtsakt sind einfach atemberaubend. Ich habe schon viel zu lange darauf verzichten müssen.” Ich schluckte und kniff die Augen zusammen. Bei dem, was gleich kommen würde, wollte ich nicht sein Gesicht sehen. Nicht wenn er Reznick so ähnlich war.
Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. Sanft streichelte seine Nasenspitze an meiner Haut entlang. “Du machst es mir zu leicht”, flüsterte er mir kurz darauf ins Ohr, was einen unangenehmen Schauer durch meinen Körper jagte. Es war fürchterlich. Ich wollte das hier nicht und doch – sich zu wehren war sinnlos. Krampfhaft versuchte ich, mein Herz zu beruhigen. Meine Atmung zu normalisieren. Es würde ohnehin passieren. Ganz gleich, was ich auch versuchen würde.
“Hast du schon aufgegeben? Hey, sieh mich an!” Seine Hände verschwanden von meinen Gelenken und dann zwickte es schmerzlich in meinen Brustspitzen. Vor Schreck riss ich die Augen auf und schlug reflexartig wieder nach ihm. Seine Finger allerdings von diesen empfindlichen Stellen wegzubekommen, stellte sich als schwierig heraus. Als ich seine Arme wegziehen wollte, kniff er nur noch stärker hinein.
“Ahhh! Aufhören! Es tut weh!”, schimpfte ich mit Tränen in den Augen. Das Zwacken wurde so schlimm, dass ich aufgeben musste. Meine Hände lediglich schützend auf meine Brüste legte, damit er selbst nicht so stark daran ziehen konnte.
“Ich will nicht, dass du die Augen verschließt.” Eine Hand verschwand von meiner Brust und wanderte hinab – bahnte sich einen Weg zwischen meine Schenkel. Die zweite folgte. Er verlagerte sein Gewicht um, sodass er meine Beine spreizen konnte und sich mit einer geschmeidigen Bewegung dazwischen kniete.
Verstört sah ich ihn an, drehte dann aber den Kopf zur Seite, als er am Stoff seiner Hose herumfummelte. Das wollte ich gewiss nicht sehen. Was mir dann aber ins Auge sprang – Eis. Wir lagen in Eis und Wasser! Warum war mir das völlig entfallen?
Ich fixierte besessen einen spitz zulaufenden Zapfen und hoffte, dass er noch genügend Stabilität besaß. Mir als Waffe tatsächlich helfen könnte. Und dann ging auch alles unglaublich schnell. Das Monster berührte mich an meiner Scham und fegte jedes weitere Denken hinfort. Ich handelte. Griff geschwind nach dem Eis und rammte es ihm, ohne zu zögern, in den Hals. Meine Augen weiteten sich. Es dauerte einen Moment, bis mein Handeln in meinem Verstand angekommen war. Ich das viele Blut sah, welches an ihm herablief.
“Wh-as-wughtde ...” Er stammelte irgendetwas Unverständliches und fasste sich an die Kehle – zog den Eiszapfen heraus. Panisch robbte ich unter ihm hervor und befürchtete, dass mein Angriff nicht ausgereicht hatte. Es sah zumindest nicht so aus, als ob er daran sterben würde. Dafür schien er aber sauer. Verflucht sauer! O Gott! Ich musste hier weg!
Hurtig sprang ich auf und schlitterte halb zur Wand hinüber, bei der das Dienstmädchen immer aufgetaucht und verschwunden war. Ein flüchtiger Blick nach hinten bestätigte mir, dass das Monster sich ebenfalls aufrichtete, um mir nachzueilen. Er durfte mich unter keinen Umständen erwischen. Das würde definitiv meinen Tod bedeuten.
Ich hielt inne. Weglaufen brachte doch sowieso nichts, oder? Er würde mich jagen und ich kannte mich in diesem Haus überhaupt nicht aus. Geschweige davon, wer sich hier noch alles aufhielt, außer Hendrick. Wie viele Wachen gab es oder andere Rea? Ich hatte doch keine Chance. Irgendwer würde mich wieder einfangen und nach belieben benutzen.
Wut stieg in mir hoch. Entschlossen drehte ich mich zu ihm herum. Es stand ohnehin die Todesstrafe darauf, einen Rea anzugreifen. Mein Leben war beschissen und ich hatte ohnehin nichts zu verlieren. Hier war noch genügend Wasser, um ihm auch noch den Rest zu geben. Jetzt oder nie!
Ich runzelte die Stirn. Sämtliches Wasser am Boden wandelte sich zu Eis, aber nicht so, wie ich es gewollt hatte. Anstelle von langen Lanzen, die seinen Körper durchbohren, bedeckte lediglich eine dünne Eisschicht seine Schuhe und die Hose bis zu den Knien. Er sah es ebenso und schenkte mir ein Lächeln, eine Hand dabei unablässig auf seiner Wunde.
“Verflucht!”, stieß ich aus und wandte mich herum. Dann doch lieber erstmal weglaufen. Die Wand ließ sich zum Glück auch ohne eine Form von Widerstand durchqueren. Etwas verwirrt stand ich danach in einem prunkvollen Saal. Hastig sah ich mich um. Eilte an den weinroten Sofas vorbei und versuchte, mir keine Gedanken darüber zu machen, warum die hier so aufgereiht waren. Mein Gefängnis wohl von allen Seiten aus beobachtet werden konnte – von außen sogar das Innere zu sehen war. Unheimlich.
Weiter hinten fand ich endlich eine große Flügeltür, die sich aber nicht öffnete. Nicht mal eine Klinke befand sich an dem Holz. Verzweifelt suchten meine Augen nach einem Knopf oder Hebel. Irgendetwas, dass mich weiterbringen würde. Hier konnte doch nicht alles aus Adelstechnik oder Magie bestehen!
Wütend schnappte ich mir eine goldene Dekorationsfigur von dem kleinen Tisch neben mir. Es war ein massives Metall in Form eines Blitzes. Die Spitze bohrte ich gewaltsam in den Spalt in der Hoffnung, die Tür damit aufhebeln zu können.
“Soll ich sie für dich öffnen?” Erschrocken drehte ich den Kopf. Das Monster lehnte gemütlich an einer Säule und wischte sich mit einem roten Tuch das restliche dunkle Blut am Hals ab. Die Verletzung schien komplett verheilt. Ich konnte nicht mal eine Narbe erkennen.
“Bleibt mir bloß vom Leib!”, schimpfte ich und richtete die verbogene Spitze auf ihn.
“Oho, du willst erneut auf mich einstechen? Weißt du eigentlich, wie schmerzhaft das ist, wenn der Körper derart verletzt wird? Selbst für mich.” Er strich ein letztes Mal mit dem Stoff über seine Haut, bevor er es wegsteckte.
“Ich gebe zu, es war etwas rabiat. Aber die beste Möglichkeit, um zu prüfen, wie weit deine Fähigkeiten noch gehen.” Ich runzelte die Stirn. “Meine Fähigkeit? Ihr wolltet nur sehen, ob ich Euch mit dem Eis umbringen kann? Das ist doch wahnsinnig!” Er lachte. “War doch effektiv. Du bist schwach. Das bisschen Essenz, welches noch in dir ist, reicht lediglich für etwas Raureif. Niedlich. Und mal ehrlich. Als würde ich dich meiner geliebten Frau vorziehen.” Ich biss die Zähne zusammen. Er machte sich über mich lustig – verspottete mich.
“Und jetzt? Wollt Ihr mich umbringen? Ich versteh Euch nicht. Wie kann man nur so abscheulich sein und Spaß daran haben, andere zu quälen?” Er schnaubte abfällig. “Die primitiven Unterhaltungen mit dir langweilen mich. Lass uns doch ein Spiel spielen. Eins um deine Freiheit, na wie wär’s?” “Wie? Ein Spiel? Als ob ich darauf eingehen würde.” “Hmm, ist eigentlich auch egal, ob du ja sagst. Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als mitzumachen, wenn du von hier verschwinden willst”, sprach er gelassen und schritt zu einem breiten Sessel, der in der Ecke stand. Setzte sich.
“Wie soll ich das jetzt verstehen? Weil Ihr sonst die Tür nicht aufmacht oder mich foltern werdet?” Er lachte. “Nicht doch. Es mag zwar nicht so aussehen, aber wir befinden uns auf meinem Schiff. Fern von deiner Welt. Weit oben in der Luft, verstehst du?” Meine Augen wurden groß. “Oh nein, nein! Wir sind auf einem Gefährt der Rea? Bei den Sternen?” Er lachte erneut. “So in etwa. Und ich werde gewiss nicht für dich landen. Einzig mein Sohn könnte dich mit seinem Schiff wieder zurückbringen, na? Ahnst du schon mein Spiel?”
Schweiß rann mir den Rücken hinab. Ich war in den Sternen. In einem Schiff der Rea. Wenn das stimmte, würde herumlaufen mich absolut nicht weiterbringen. Und irgendwie befürchtete ich, dass er die Wahrheit sagte. Nur das mit seinem Sohn blieb mir ein Rätsel.
“Euer Sohn wird mir helfen ... und dafür soll ich etwas Bestimmtes machen, oder? Mit ihm ... schlafen?” “Hach nein. Du musst nichts weiter tun, als zu ihm zu gehen, und ihn fragen. Das war’s dann auch schon.” “Das soll alles sein? Nur Reden?” Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Irgendwas stimmte nicht. Aber. Wenn ich so zurückdachte – Hendrick hatte sich seltsam verhalten. Vielleicht Angst vor seinem Vater gehabt? Sein verzweifelter Gesichtsausdruck, als er zwischen meinen Beinen gestanden hatte, war schlimm gewesen. Würde er mir tatsächlich helfen? Nur, was hatte das Monster davon? Ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.
“Du zweifelst?” Er stand auf und streckte sich einmal gemütlich. “Du hast keine Wahl, schon vergessen? Entweder bleibst du für den Rest deines Lebens als Sklavin hier oder bittest mein Kind, dich zu retten. Tyschka? Trage es gleich so ein. Den Flur bis runter zu Hendrickson und das Zimmer daneben soll für sie freigegeben werden. Der Rest des Schiffes bleibt ihr verwehrt. Stell auch gleich eine Maugeri für sie ab. Es soll ihr an nichts fehlen.” Zwei fremdartige aufeinanderfolgende Klänge ertönten von überall her und die Tür hinter mir öffnete sich. Verwirrt blickte ich in den Gang und dann erneut auf das Monster.
“Mir soll es an nichts fehlen?” Er zuckte mit den Schultern. “Wäre dir der Plexwürfel von vorhin lieber? Oder eine andere Art von Gefängnis? Und war dir Kleidung nicht auch wichtig?” Ich schnaubte abfällig. Er brauchte mich gewiss nicht daran erinnern, dass ich hier nackt rumstand. Aber sein Verhalten ergab für mich von vorn bis hinten keinen Sinn. Er tat ja fast so, als wäre ich ein Gast.
“Du bist ziemlich unhöflich, obwohl ich dir eine solche Großzügigkeit entgegenbringe”, murrte er verärgert und schritt auf mich zu. “Dein Zögern ist ebenso lästig. Los, ich will, dass du jetzt zu meinem Sohn gehst!” Ich wich zurück – wollte nicht an seinem verrückten Spiel teilnehmen, weil es nichts Gutes sein konnte. Dennoch. Bei der Wahl zwischen ihm und Hendrick fiel mir die Entscheidung nicht schwer.
“Was zum Anziehen bekomme ich nicht?”, fragte ich beschämt. Es passte mir zwar genauso wenig, mich vor ihm so entblößt zu zeigen, aber dann auch noch zu Hendrick? Ich will ihn keinesfalls irgendwie provozieren.
“Kleidung? Solltest du nicht all deine Reize nutzen, damit er deine Bitte erhört?” Mit anderen Worten – nein. So ein blöder Arsch. Verärgert eilte ich in den Flur. Bloß weg von ihm.
“Gut so. Es ist gleich vorne die linke Tür”, hörte ich ihn hinter mir, Wieso verfolgte er mich immer noch? Wollte er etwa dabei sein, wenn ich Hendrick fragte? Oder schlimmer – ihn bestrafen, wenn er mir helfen wollte?
“Falls ... Euer Sohn mich wegbringen will, werdet Ihr das überhaupt zulassen? Was passiert mit ihm, wenn er mir hilft? Werdet Ihr ihn dafür etwas antun?” “Was ich tun werde, hängt einzig und allein davon ab, wie er reagiert. Ich bezweifle aber, dass er dich auch nur anhören wird.” Ich stoppte. Drehte den Kopf zu ihm.
“Warum sollte er nicht?” Er lächelte diabolisch. “Wer weiß. Vielleicht irre ich mich auch, deswegen machen wir das ja jetzt. Also hopp, bewegt dich. Ich habe auch noch andere Dinge zu erledigen.” Okay. Das war mehr als verdächtig. Hatte er vielleicht im Vorfeld irgendetwas mit Hendrick angestellt? Mit ihm eine Abmachung getroffen?
Ich schluckte schwer und ging schließlich weiter. Schwerfällig setzte ich einen Schritt vor den anderen. Mein Herz schlug immer heftiger. Nervös bedeckte ich mit den Armen meine Brüste und klammerte mich an die kleine Blitzskulptur. Alles in mir schrie, dass das hier ein Fehler war. Aber mir blieb auch nichts anderes übrig. Wenn es eine kleine Chance gab, hier wegzukommen, denn wollte ich es versuchen.