╬Reznicks Sicht╬
Ich ignorierte die Überreste der CeKyde sowie den geschockten Blick von Johanna. Die Zerstörung war eigentlich nicht notwendig gewesen, aber – ich hasste diese Dinger und gleichzeitig sollte es Heka verdeutlichen, dass ich keine Lust mehr auf Spielchen hatte. Sie sollte endlich gehorchen. Andernfalls wird gleich noch mehr Blut fließen!
“Gib mir jetzt endlich die Koordinaten! Johanna zu retten sollte jawohl Bezahlung genug sein!”, knurrte ich und blickte den Ryron hasserfüllt an. Es juckte mich in den Fingern, diese Maschine dem Erdboden gleich zu machen, aber Heka würde das wohl kaum verletzen.
<Ich hab es dir jetzt schon mehrfach übertragen, wohin du musst! Wieso folgst du nicht der eingeblendeten Anzeige?> Ich ballte meine Hände zu Fäusten. “Deine Flut an Smileys auf meinem Display sehe ich und ES REICHT! Ich habe keine Zeit für diesen Kinderkram! Sag mir, was ich wissen will oder sie ist die Nächste, die den Kopf verliert!” Ich griff nach Johanna – packte sie am Hals. “Ich schwöre dir, ich mach sie kalt!” Ja. Das war keineswegs eine leere Drohung. Johanna wusste es. Ihre schreckgeweiteten Augen starrten mich an. Komm schon Heka, das willst du doch nicht wirklich, oder?
<Was? Smileys? Wieso? ... Moment.> “Ernsthaft?! Du willst mich dennoch hinhalten? Ich dachte, sie ist dir wichtig?”, fragte ich spöttisch und drückte die Kehle in meiner Hand fester. Johanna keuchte, wagte es aber nicht, sich zu wehren. Ihr Blick wurde weich – zeigte Verständnis? Wieso?
“Was wird das? Habt ihr zwei euch etwa abgesprochen, oder was?! Bist du wirklich so dumm, und glaubst, ich tue dir nichts?”, fragte ich mit belegter Stimme. Meine Geduld war definitiv aufgebraucht. Dass ich sie bisher noch nicht ernsthaft verletzt hatte war purer Zufall.
“N-nein ... a-aber ... i-ich vertraue ... Heka ... und d-dir ...”, keuchte sie, was mich ernsthaft verwirrte. Ich ließ sie augenblicklich los. “Das ist dämlich ...”, murrte ich, sparte mir aber weitere Worte. Endlich wichen die nervigen Zeichen in meinem Visier dem gewünschten Nav-Punkt von Dezeria. Schnell hastete ich den vorgegebenen Pfad entlang. Raste um Ecken. Flog eine gewundene Treppe hinauf. Hoffentlich komme ich nicht zu spät!
Doch. Kam ich. Meine Augen fanden keinen Moment später eine weiße Tür mit roten Edelsteinen – aufgebrochen. Gewaltsam hatte das Eis das Metall von innen nach außen gesprengt. Sie war hier gewesen. Eindeutig!
“DEZERIA?!”, brüllte ich verzweifelt, aber nichts. Der Raum war leer. Und schlimmer noch. War das Blut auf dem Boden? Heka hatte also doch recht. Scheiße! Mein Herz schlug wild. Mein Kopf drehte sich. Wie schlimm war ihre Verletzung? Wenn sie es alleine geschafft hatte, zu fliehen, hätte sie mir da nicht entgegenkommen müssen? Irrte sie jetzt vielleicht in den anderen Gängen umher? Oder. Hatte dieser Wichser sie geschnappt? Er war immerhin in einen Geheimgang hinter seiner Barriere abgehauen. Sicherlich gab es davon in solch einer großen Anlage eine Menge. Schweiß rann mir den Körper hinab. Ich hatte sein Spielzeug zerstört. Was, wenn er jetzt Dezeria dafür bestrafte? Wenn er sie hatte, dann – nein. Ich durfte nicht darüber nachdenken.
“So eine verfluchte Scheiße!”, schimpfte ich, fuhr herum und hastete den Weg bis zu einer Gabelung zurück. Leider konnte ich keine Fährte im Sand deuten, da ich mit meinen Schubdüsen bereits jede mögliche Spur ruiniert hatte. Toll. Eifrig aktivierte ich vier winzige Scandrohnen, die sich auf meinem Rücken in der Rüstung befanden, und befahl ihnen, sämtliche Wege zu prüfen. Ich selbst nahm eine weitere Abzweigung. Es bestand noch eine geringe Chance, Dezeria zu finden. Wenn sie hier herumlief – ja, wenn.
*
“DEZERIA?!”, brüllte ich ununterbrochen. Eine reine Verzweiflungstat. Je mehr Strecke ich zurücklegte, desto geringer sah ich Erfolg darin. Ich fand auch kein Blut. Hatte sie also einen Geheimgang gefunden? Oder befand sie sich schon in den Händen von diesem Lichius? Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Hoffentlich unterschätzte er mich, falls es zu einer Erpressung kommen würde. Eine Gegenüberstellung war das Beste, was mir passieren konnte. Die Waffen in meinem Anzug hatten die Möglichkeit, binnen Millisekunden zu töten. Es reichte nur ein kleiner Wink mit der Hand. Ich könnte ihn also ganz leicht aus dem Leben nehmen, ohne Dezeria dabei zu verletzen.
Hm? Ich stoppte. Gestöhne drang unverkennbar an meine Ohren. Am Ende eines Weges befand sich ein Raum, dessen Tür offen stand und von einem dunkelroten Vorhang durchzogen wurde. Ich riss diesen ruckartig beiseite und zum Vorschein kam ein Gewühl aus nackten Körpern. Haut an Haut. Männer und Frauen, die sich hemmungslos dem Sex hingaben. Ich sah mehrere Kerle, die eine Frau fickten oder größere Gruppen, wo es jeder mit jedem trieb. Die waren so darin vertieft, dass sie mich nicht einmal wahrnahmen. Ein kurzes ziehen in meinem Schwanz sagte mir, dass ein Teil von mir sich nur zu gerne selbst darin verlieren wollte. Schnell unterdrückte ich diesen Drang. Definitiv falscher Zeitpunkt!
Ich schüttelte das Verlangen ab und scannte die Menschen. Die Analyse ergab, dass kein Körperbau dem von Dezeria entsprach. Außerdem befand sich ein Haufen Cynserol in der Luft. Alle waren also bis unter die Haarspitzen von dieser Sexdroge berauscht. “Nichts ist echt ...”, seufzte ich und ging wieder zurück. Dezeria wäre hier sicherlich nie hineingegangen. Resigniert schloss ich die Augen. Ich hatte sie verloren, dessen wurde ich mir schmerzlich bewusst.
“Hm?” Plötzlich ploppte ein Fehlerbericht der dritten Drohnen auf. Offline. Seltsam. “Heka? Kannst du den Bereich meiner 03er Einheit einsehen? Hast du Zugriff darauf?” Stille. Wieso antwortet sie nicht? “O Mann! Nicht das schon wieder!”, stöhnte ich kurz darauf, weil meine Anzeige erneut in einem Meer aus Smileys ertrank.
>> :P
>> :D ich bin hier, um dich ein wenig aufzuheitern :*
>>Deine Werte zeigen, dass du schlecht drauf bist und das will ich nicht :3 Lass uns was spielen, ja? Ich fang an!
>>Was ist das: ʕ•́ᴥ•̀ʔ
>>Kannst du es erraten?
>>Na? :D Kannst du?
“Lass den Scheiß, Heka! Sag mir einfach, was ich wissen will!”
>>Heka kann dir gerade nicht antworten :/ Tut mir ganz schrecklich leid :,( Uuuunnnd es wäre ein Bär gewesen xD
>>Hast du es erkannt?
>>Hast du? :D
“Hä?” Ich runzelte die Stirn. “Du kannst mir nicht antworten, weil? Das mit dem Chat findest du dann aber besser, ja? Was soll dieses Theater?” Genervt von ihr befahl ich die übrigen Drohnen zur besagten Stelle. Alles musste man hier selber machen. Was stimmt nur nicht mit ihr? Ich mein, ja, aufgezogen hatte sie mich immer mal wegen unterschiedlicher Gründe, aber jetzt?
>>Ich hab nur Rechte, um zu schreiben :/ tut mir echt ganz doll leid! v.v Aber, ich kann dich hören :3 also ist doch alles gut.
>>Machen wir einfach weiter, ja?
>>Hier das nächste: ƸӜƷ
>>Na? Erkennst du’s? Ist auch nicht so schwer :D
“Hast du einen Defekt?” Die Frage war eigentlich überflüssig. Ganz offensichtlich hatte sie einen. War dies etwa das Werk meines Vaters? Ein Überbleibsel seines Angriffs? Scheiße! Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht! Bestätigt wurde ich dahingehend, dass die anderen Drohnen nun ebenfalls einen Defekt verzeichneten und der Kontakt abbrach. Mist! Ich hetzte los. Die Stelle war nicht allzu weit entfernt. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass Hekas Störung sich auf meine Systeme ausbreitete, aber – was, wenn sich Dezeria doch da aufhielt? Ich sie noch retten kann?
>>Nicht! Geh nicht! :O Bitte bleib, wo du bist, das ist sicherer!
>>Halt an! :(
>>Das ist nicht gut! :,(
>>Gar nicht gut!
Keine Ahnung was dieser Quatsch von ihr zu bedeuten hatte, aber ich ignorierte ihre weiterführenden Texte. Ein Trauersmiley jagte das andere. Lästig.
*
Ich näherte mich geschwind dem letzten Nav-Punkt der Drohnen. Plötzlich flackerte mein Visier rot auf und die Rüstung steuerte abrupt zur Seite. Fast hätte es mich brachial in die Wand gedonnert.
“Scheiße! Verdammt, Heka!”, knurrte ich und drosselte die Geschwindigkeit. “Sowas ist absolut nicht witzig!”
>>Ich war das aber nicht! :,(
>>Bitte passt auf! Feindliche Signatur in der Nähe!
>>Gefahr hoch!
Meine Augen wurden groß und noch bevor ich reagieren konnte, übernahm erneut das eingebaute Verteidigungssystem die Kontrolle. Vollautomatisch wich es einem Impulsgeschoss aus. Der Lichtblitz traf einen halben Meter von mir entfernt auf den Stein. Es zischte bedrohlich. Sofort kam ich zum Stehen und scannte den Weg vor mir. Meine Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt. Bereit für den Kampf!
“Du bist schnell, aber doch zu langsam. Ich habe bereits das, was ich holen sollte”, hörte ich eine Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam. Fuck – wer ist das? Es war definitiv nicht der Hampel aus dem Tempel. Es dauerte einen Moment, bis ich die groben Umrisse eines Mannes ausmachen konnte. Gut verhüllt von Tarn-Tec. Es muss ein äußerst hochwertiges Modell sein, andernfalls könnte meine Sensorik ihn besser erfassen.
“Du hast Dezeria?”, fragte ich, aber nicht, weil ich eine Antwort brauchte. Ich schindete Zeit, weil mein Schocker für diese Reichweite doch etwas mehr Energie benötigte. Ich wollte ihn schließlich nur betäuben und nicht gleich über den Haufen schießen. Lebend nutzte er mir mehr.
“Mich brauchst du nicht ablenken. Lass den Quatsch mit dem Schocker, Reznick. Vater würde es gar nicht gern sehen, wenn ich dich jetzt verletze.” Ein Schauer jagte durch meinen Körper. “Wen meinst du mit Vater?”, fragte ich verunsichert. Das, was sich mein Verstand da gerade zusammenbastelte, gefiel mir ganz und gar nicht.
Ein dreckiges Lachen erklang. Der Fremde deaktivierte seine Tarnung, warf die Kapuze zurück und nahm letztlich den Helm ab. Das Blut gefror mir augenblicklich in den Adern. Er hat mein verdammtes Gesicht! Sieht aus wie ich! Größe, Statur – alles passte. Das bin wahrlich ich!
“Na? Überrascht?” Er grinste frech, während er Schritt für Schritt näher kam. Und ja, ich war überrascht. Aber. Dann auch wieder nicht. Dass Vater mich klonen wollte, stand außer Frage. Allerdings begriff ich nicht, wie er es fertig bringen konnte. Um einen Klon herzustellen, benötigte man immer das Original. Der Prozess hätte meine Anwesenheit notwendig gemacht und ich konnte mich nicht erinnern, jemals diese Einrichtung besucht zu haben. Erinnern. Verflucht! Hatte Heka was damit zu tun? Was lief hier nur?!
“Ich kann dein Oberstübchen bis hierher rattern hören. Schon eine Idee?”, fragte er spottend, was unbändige Wut in mir aufflammen ließ. Er verspottete mich! MICH! Er ist nur eine billige Kopie und wagte es, sich über mich lustig zu machen?! Dafür wird er sterben! Allein, dass er so aussieht wie ich, ist sein Todesurteil!
Blitzschnell schoss ich vor, die lästigen Warnungen von Heka ignorierend, und feuerte statt des betäubenden Schocks eine Salve gehärtete Projektile auf ihn. Zu meinem Erstaunen wich er nicht aus. Brauchte er auch nicht. Als Abwehr prokte vor ihm ein gelbes Schild, welches alles abfing, was ich ihm entgegen warf. Scheiße!
>> :O Nicht! Lauf!
>>Rüstungs- und Waffensystem deutlich über deinem Niveau.
>>Kein Gewinnen möglich :,(
Der Text von Heka war hinfällig. Dass er deutlich bessere Technologie besaß, spürte ich schließlich danach deutlich. Eine violette Welle, die kreisförmig von ihm ausging, legte erst all meine Systeme lahm, während kurz darauf ein gleißender Schmerz durch mein rechtes Bein fegte. Ich zuckte zusammen, sank auf die Knie. Irgendwas hatte mir ein faustgroßes Loch in den Oberschenkel getrieben.
“Bitte, lass weitere Kampfhandlungen. Ich bin nicht daran interessiert, dir wehzutun. Mein Plan bestand zudem nicht, dich hier zu treffen. Da es aber nun einmal passierte, kann ich dich auch gleich mitnehmen. Vater wird sich bestimmt freuen.” Ich knurrte. Er hatte mich zwar zweifelsohne am Arsch, was aber nicht bedeutete, dass ich mich einfach so verschleppen ließ. Noch dazu zu diesem Wichser!
“Ist das ein nein? Komm schon, was willst du noch großartig machen? Ich kenn alle deine Modifizierungen, Kampftechniken, Bewegungsabläufe und Denkprozesse. Glaubst du ernsthaft, dass du hier gewinnen kannst? Brauchst du so unbedingt noch eine weitere Verletzung?” Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen? Mein Kopf war leer. Bis auf eins.
“Was ist mit Dezeria? Wenn ich mitgehe, lässt du sie dann laufen?”, wollte ich zwar sagen, aber er hatte es doch tatsächlich vor mir ausgesprochen. VOR MIR! Das war unheimlich. Unwirklich. Verrückt! Sein diabolisches Lächeln darauf, sagte mir deutlich, dass er selbst jetzt wusste, was in mir vorging. Was ich fühle? Das – ist doch unmöglich! Egal, was ich dachte – ich fand keine Lösung. Was hast du da fabriziert, Vater? Wenn du doch bereits eine Kopie von mir hast, was willst du dann noch mit mir? Meinen Verstand ruinieren? Ja, gratuliere. Damit ist es dir wahrlich gelungen, aber – wozu?
“Bedaure. Du kannst hier keine Forderungen stellen”, fügte er noch belustigt hinten ran und das war der Moment, in dem ich nun zu lachen begann. Ich lachte, weil ich damit nicht klar kam. Weil ich nicht wusste, was ich machen sollte. Weil ich nicht wusste, wer ich bin. Das schien er nicht erwartet zu haben. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten.
“Was ist daran so lustig? Habe ich dich jetzt kaputt gemacht?”, fragte er verwirrt, aber dadurch musste ich nur noch lauter lachen. Eine Kopie von mir, die zu dämlich ist, das zu begreifen? Was hatte er gedacht, dass ich jetzt hier vor ihm zusammenbreche und rumheule?
“Find’s raus. Komm doch her, ich will nur zu gerne meine Faust in deinem falschen Gesicht vergraben”, schmunzelte ich und rappelte mich auf. Ignorierte den Schmerz. Versuchte, die Situation nüchtern zu betrachten. Ich blendete aus, dass er eine Kopie von mir war. Ja. Ich sah die Wirklichkeit. Ein Spiel. Alles nur ein Spiel.
>>Reznick :,D halte durch! Heka ist gleich da! Waffen scharf! Zieh den Kopf ein in:
>>4
>>3
>>2
>>1
>>JETZT! :D