Beitrag zum 20.11.2019
Thema: »Sonnenfinsternis«
Die steinernen Löwen blinzelten huldvoll auf Jari hinab, als dieser das Tor zu Karangjia durchschritt. Vor ihm breitete sich das Königreich der Farben wie ein Buch aus. Inmitten von blühenden Feldern, magischen Wäldern und funkelnden Seen lagen kleine Dörfer und große Städte. Ganz weit am Horizont blitzte eine goldene Kuppel auf. Der Palast Tonash’s. Und dahinter das Meer.
Er war wieder zuhause.
Jari sog die frische Luft ein und lief los. Seit Guāshi vor zwei Wochen gestorben war, hatte der Junge vor lauter Trauer und Schmerz nicht mehr an Karangjia gedacht. Obwohl der Farblichtkrieger ihn manchmal behutsam danach gefragt hatte. Doch Jari hatte dichtgemacht und sich dem schwarzen Loch hingegeben, in dem die Traurigkeit sein einziger Gefährte gewesen war. Bis der Farblichtkrieger wortwörtlich die Schnauze voll gehabt hatte. Im Traum war Jari Zhyan erschienen, der seinen Freund daran erinnerte, dass Krangjia dem Untergang geweiht sein würde, wenn er nicht schnellstens zurückkäme.
Also war Jari am nächsten Morgen zum Jiâshān gegangen, um dort endlich seine Rückkehr ins Königreich vorzubereiten. Der Farblichtkrieger hatte ihn schon erwartet. Jari war es erstaunlicherweise recht schnell gelungen, in der Meditation zu versinken. Er hätte gedacht, dass die Erinnerungen ihn heimsuchen würden, aber dem war nicht so.
Nun war er wieder im Königreich. Und machte sich sogleich auf den Weg nach Peehar. Wie er gehofft hatte, stand Zhyan auf dem Marktplatz und verkaufte seine selbstgemachten Bilder aus Mosaiksteinen.
»Das sind aber schöne Kunstwerke!«, sagte Jari mit verstellter Stimme, und Zhyan fuhr herum.
Im ersten Moment wirkte er erfreut, aber davon war nichts zu spüren, als er Jari packte und in das kleine Zelt hinter sich schubste.
»Was denkst du dir eigentlich, fünf Wochen dein Training sausen zu lassen, he? Verdammt, Jari, hast du eine Ahnung, was uns bevorsteht?« Zhyan zischte und rüttelte Jari an den Schultern.
»Ich ... aber du weißt doch, dass Guāshi tot ist! Ich war traurig und ...«, setzte der Junge an, doch sein Freund unterbrach ihn.
Die Worte, die aus dem Mund Zhyans kamen, trafen Jari bis ins Mark.
»Da hätte dir das Training mehr geholfen, als deine selbstauferlegte Strafe in der traurigen Einsamkeit! Uns steht eine Sonnenfinsternis bevor! Und bis dahin musst du in der Lage sein, die Farben zu beherrschen!«
Jari konnte es nicht fassen. Eine Sonnenfinsternis!
Das waren schlimme Nachrichten. Sehr schlimme.