Beitrag zum 29.08.2021
Thema: »Das Ende der Freiheit«
Und dann sah ich sie. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge und hielten nach mir Ausschau. Sie hatten also doch nach mir gesucht! Wahrscheinlich hatten sie bis zum Abend auf mich gewartet und sind dann mit dem Auto hinter mir hergefahren! Sie kamen immer näher und näher.
Noch hatten sie mich nicht entdeckt. Noch blieb mir Zeit, zu fliehen.
Ich musste nur unauffällig zu Maja gelangen, die außerhalb des Treibens mit anderen Pferden auf einer Koppel untergebracht war. Dann konnte ich mit ihr davonreiten. Weit weg, dorthin, wo mich die Betreuer des Kinderheims nie finden würden.
Alles in mir schrie nach Flucht, meine Beine wollten rennen, rennen, rennen! Doch etwas hielt mich gefangen. Ich fühlte mich auf einmal wie Tius, bewegungslos in der Dunkelheit liegend, keine Möglichkeit, um Hilfe zu rufen. Aber ich war nicht gelähmt.
Tius’ Stimme hallte in meinem Kopf: Lauf, Lejona! Lejona, Lejona! Lauf, lauf!
»Lauf!«, flüsterte ich tonlos. Als wäre es das Stichwort, auf das sie gewartet hatten, kam Leben in meine Füße. Ich wirbelte herum, drängte mich durch die Menschen und machte, dass ich wegkam.
Leider hatten die Betreuer mich in dem Moment bemerkt. Für sie gab es nun kein Halten mehr. Sie schubsten die Leute achtlos beiseite und folgten mir.
Und ich rannte! Rannte um mein Leben, um meine Freiheit, deren Ende nahe schien. Nein!
Ich hörte Jana schreien: »Laura, bleib hier, was...?«
Sie verstummte, wahrscheinlich hatte sie die Männer entdeckt. Ein Weinen ertönte. Von Linda. Es zerriss mir das Herz, doch ich konnte sie nicht in den Arm nehmen und sie trösten. Ich musste weg!
Maja hob den Kopf und trabte auf mich zu, sobald ich an der Koppel war. Gerade wollte ich unter den Elektrozaun durchkrabbeln, als mich eine starke Hand im Nacken packte.
»Du wirst nicht wieder abhauen!«, knurrte eine mir wohlbekannte Stimme. Es war gekommen. Das Ende der Freiheit.
Tränen traten mir in die Augen. Ich blinzelte sie weg. Weinen machte schwach, und ich musste jetzt stark sein! Ich war Laura. Nein, ich war Lejona. Die Löwin.
Vielleicht war es das, was mir die Kraft verlieh, mich loszureißen, zu Maja zu laufen, mich auf ihren Rücken zu schwingen und zu reiten. Ohne Halt bis zum Alpenhof. Im Esszimmer brach ich schluchzend zusammen. Benni knurrte plötzlich und ich erstarrte. Es klopfte an der Tür!