Beitrag zum 19.08.2020
Thema: »Sommergewitter«
JOSHUA
Der Nachmittag vergeht viel zu schnell. Ronja und ich dösen mit je einem Kopfhörer auf einer Decke, während die Sonne hinter Wolkenschleiern verschwindet. Mit einem Mal frischt der Wind auf.
Ein Gewitter ist im Anmarsch.
»Josh, lass uns gehen!«, drängt Ronja, und in Windeseile packen wir alles zusammen, schwingen uns auf die Räder und radeln weg vom See. Ich gucke auf die dunkle Wolkenfront.
»Vielleicht haben wir ja Glück«, sage ich hoffend, doch eine Minute später geht diese Hoffnung in einem explodierenden Regenguss baden. Innerhalb kürzester Zeit sind wir komplett durchnässt.
Ronja schlottert am ganzen Körper. Sie klappert sogar mit den Zähnen.
»Ich dachte immer, Spazierfahrten im Sommerregen sind romantisch, aber das stimmt hinten und vorne nicht.«
Ich muss ihr Recht geben. Mir ist saukalt, und als der erste Blitz aufleuchtet, zucke ich zusammen. »Wir sollten uns irgendwo unterstellen«, sage ich und sie nickt zustimmend. Hinter der nächsten Kurve taucht die Pferdekoppel von Mr. Gibsmons Hof auf. Fragend sieht Ronja mich an, und ich zucke mit den Schultern. Gypsy ist zwar ein kauziger Eigenbrötler, aber ich bin sicher, dass er uns nicht wegschicken wird. Allein deshalb, weil Chad und er beste Freunde sind.
Tatsächlich, Gypsy guckt erschrocken drein, als er uns so durchnässt sieht.
»Meine Güte, bei dem Wetter treibt ihr euch draußen rum? Kommt herein!« Okay, zugegeben, mit einer derart freundlichen Begrüßung habe selbst ich nicht gerechnet.
Wir folgen ihm in tropfenden Klamotten in ein großes, mit hellen Fenstern ausgestattetes Wohnzimmer, in dem zugleich das Esszimmer untergebracht ist. Ich gucke schuldbewusst auf die dunklen Flecken, die wir hinterlassen, doch Gypsy, der meinen Blick bemerkt, lacht und macht eine lässige Handbewegung.
»Keine Sorge, mich stört es nicht. Das ist nur Wasser. Der Boden hat schon schlimmere Flecken abbekommen.«
Alkohol, denke ich und mein Magen krampft sich zusammen, weil damit der Gedanke an Chad verbunden ist. Chad …
Dieses ungute Gefühl, ich weiß nicht, warum, aber es ist auf einmal da. Chad war vor zwei Tagen hier bei Mr. Gibsmon. Haben sie getrunken? Oder doch nur geredet?
Die Gedanken sind so laut oder so offensichtlich, dass Gypsy sie mühelos errät. Er lächelt beruhigend.
»Ich hole euch Handtücher und frische Anziehsachen. Dann können wir uns bei einer Tasse Kaffee oder Tee unterhalten, wenn ihr möchtet.« Er verschwindet in einem angrenzenden Raum.
Ronja legt mir die Hand auf die Schulter. »Josh, alles gut?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich habe so ein ungutes Gefühl … Chad …«