Beitrag zum 04.04.2021
Thema: »Schuldgeständnis«
Für den Wolfsjungen. Und Mia und das Drachenmädchen. Alle drei durfte ich mit Zustimmung verwenden.
Etwas hatte ihn am Nackenfell gepackt. Mørliga knurrte, hielt jedoch still, als die Zähne sich warnend tiefer in seinen Pelz gruben. Wenige Sekunden später wurde er losgelassen. Sofort fuhr er herum, mit gebleckten Zähnen, bereit, sich auf den Angreifer zu stürzen – und zuckte verwundert mit den Ohren.
»Du?«
Marvin stand vor ihm. Der Grauwolf starrte den Lyfux böse an.
»Was machst du hier bei Fanó?«, wollte er von Mør wissen.
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen!« Mørliga schüttelte sich und setzte sich hin. Von Marvin hatte er nichts zu befürchten. Den konnte er mit Leichtigkeit besiegen.
»Wo hast du denn deinen Assassinen-Freund gelassen? Oder hast du nicht damit gerechnet, dass ich hier bin und bist gekommen, um Fanóla zu flauschen? Tja, mein kleiner Bruder kämpft gerade gegen den Dämon, den ich FAST ausgetrieben hätte, wenn DU jetzt nicht aufgetaucht wärst!« Er knurrte wieder, und Marvin senkte tatsächlich, wie um ein Schuldgeständnis zu bekennen, den Kopf. Gleich darauf allerdings durchbohrte er den Lyfux mit seinen Blicken.
»Ich flausche nicht. Ich beiße!« Der Grauwolf schoss vor und schnappte nach Mørli, der sich im letzten Moment mit einer Seitwärtsrolle in Sicherheit brachte. Natürlich ließ sich der Herr der Dämonen so etwas nicht gefallen. Schon gar nicht von einem Wolf!
Mørliga duckte sich zum Sprung, bohrte die Krallen in den weichen Boden, spannte alle Muskeln an … Eine rote Mähne schob sich in sein Blickfeld, landete zwischen ihm und Marv und stürzte sich flauschend auf ihn.
Der Lyfux jaulte überrascht. Noch entgeisterter war er allerdings, als er erkannte, wer sich da so frech auf ihn gestürzt hatte. Eunomia.
Das rothaarige Mädchen lachte, umarmte und knuddelte ihn. Mørliga stieß ein Knurren aus, das keineswegs bösartig klang, sondern eher liebevoll. Wenn er jemanden aus Belletristica mochte, so war es Eunomia. Sie war nicht allein gekommen. Ein Schatten flog über die Vier hinweg, und für einen Moment fragte sich Mør, ob Nirug auf der Reise um das Dreifache gewachsen war. Aber nein, es war nicht Nirug, sondern Karleesi, das Drachenmädchen.
Eunomia folgte seinem Blick. »Karleesi war so freundlich, mich herzubringen. Sie gibt uns zehn Minuten, dann kommt sie wieder, und wenn wir bis dahin nicht auf dem Weg hier raus sind, macht sie uns Feuer unterm Popo!«
Marvin winselte und legte sich hin, als er diese Worte hörte. »Normalweise darf hier niemand sein«, meinte er und fixierte dabei Mørli, der leise knurrte.
»Ich bin sein Bruder!«
»Der nicht ganz unschuldig an dem ganzen Schlamassel ist!«, schoss Marv zurück. »Wärst du im Spiegel geblieben, dann wäre alles, was Fanó je passiert ist, gar nicht erst geschehen!«
Mørliga stieß ein lautes Fauchen aus, aber er machte keine Anstalten, sich aus Eunomias Griff zu befreien. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis mein Bruder und ich uns begegnet wären. In ein paar Jahren hätten wir uns vermutlich gegenseitig getötet. Unsere Kräfte sind noch nicht völlig ausgereift; wir müssen beide noch viel lernen. Und ehrlich gesagt, bin ich sehr froh, dass ich ihn schon kennengelernt habe.«
Er verwandelte sich in einen Elfen und legte den Kopf auf Eunomias Schulter. »Ich bin nicht nur böse«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Dank Fanó weiß ich, dass ich auch gute Seiten habe. Zum Beispiel, dass ich … « Er zögerte, schluckte. Seine Worte gingen in einem lauten Knurren unter. Marv sprang blitzschnell auf und flitzte von der kleinen Lichtung. Karleesi kreiste über ihnen, setzte zur Landung an.
»Komm, Mørli!«, sagte Mia auffordernd, nahm seine Hand und ging mit ihm zu der silberschwarzen Drachendame.
»B-bist du sicher?«, stammelte der Elfenjunge erschrocken. Karleesi neigte den Kopf und blickte zu Fanóla.
Kaum saß Mørliga hinter Mia, erhob sich das Drachenmädchen. Er wandte den Kopf und registrierte erstaunt, dass Fanó ihnen nachblickte. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, so friedlich und hoffnungsvoll. Mørliga vergrub die Nase in Eunomias Haar und beendete seinen Satz, den er vorhin angefangen hatte.
»Ich habe gute Seiten. Ich kann etwas, das andere Kinder der Nacht nicht oder fast nicht können: Ich kann lieben.«