Beitrag zum 31.03.2021
Thema: »Winterrose«
Touk stapfte mit hängendem Kopf durch den tiefen Schnee; seine letzten Kräfte schwanden, obwohl ich schon abgestiegen war und neben ihm ging. Den Großteil des Gepäcks hatte ich nach und nach hinter uns abgeworfen. Aber die Last der Hoffnung ließ sich nicht einfach so ablegen.
Vielleicht hatte ich mit diesem Abenteuer eine Grenze überschritten. Die Suche nach einer Legende weckte den Drang nach Aufbruch, wann immer ich etwas davon aufschnappte. Ich kannte viele Geschichten. Natürlich auch die der Blutfrostmagd. Ein Mädchen vom Volk der Changer, die ihre Töchter Vold und Morto opferten.
Menschen sind so grausam.
Jedes andere Mädchen fand früher oder später der Tod, aber die Blutfrostmagd ließ sich nicht fangen. Sie forderte Morto zum Tanz auf, ungeachtet der Qualen, die sein Bruder Vold ihr zugefügt hatte. Sie bettelte nicht um Erlösung, so wie die anderen es getan hatten.
Schade, dass ich sie nicht persönlich nach ihrer Geschichte fragen konnte, sondern auf die Erzählungen der Trunken- und Raufbolde vertrauen musste, auf das Geflüster der alten Frauen, das wütende Gebrüll des Mobs, der mich die geheime Welt ebenso schnell verlassen ließ, wie ich sie betreten hatte.
Bis der Geruch des nahenden Winters mir die Antwort gebracht hatte. Seither führte er mich, ungeachtet aller Gefahren und Hindernisse.
Merke dir eins, wenn du je ein Abenteuer wie dieses unternehmen möchtest: Vertraue nie dem Wind und folge ihm schon gleich gar nicht! Egal, wie verlockend er dein Gesicht streichelt und dir Worte zuflüstert.
In der Ferne leuchtete etwas auf. Kristalle? Es sah ganz so aus. Ich sammelte letzte Kraftreserven, hob den Kopf. Ein Schritt vor den anderen. Atmen. Nur diese zwei Dinge.
Ein heftiger Windstoß riss mich von den Füßen und diesmal, das wusste ich, konnte ich nicht mehr aufstehen.
Aber das war auch gar nicht nötig. Um mich herum leuchtete es. Der Duft des Winters, zart und frostig, umnebelte Touk und mich.
Ich hatte sie gefunden. Die Winterrose. Fuyovia.