Beitrag zum 04.03.2020
Thema: »Zu neuen Ufern«
Feuerbälle wirbelten durch die Luft, sprühten Funken und hinterließen einen wütenden Flammenregenschauer. Mittendrin ein schlaksiger, etwa achtzehnjähriger junger Mann, in dessen verschiedenfarbigen Augen sich der Schein wiederspiegelte.
Zhyan stieß die geballten Fäuste gen Himmel, zog mit den Füßen Kreise auf dem Boden und in der Luft. Er liebte diesen Tanz mit dem Feuer. Sein ganzer Körper schien zu glühen, ihm war, als würde er in Flammen stehen. Schweiß rann über die nackte Haut, die Hitze tat dem Prinz von Karangjia gut, ließ sie ihn doch vergessen, dass das Feuer eigentlich den Palast in Schutt und Asche legen sollte. Zumindest hätte Zhyan das gern.
Schwer atmend fiel er auf die Knie, schloss die Augen und drängte die Erinnerungen an seinen Vater, der mit wehendem Haar auf der Palastmauer stand und unbarmherzig jenes Wort rief, welches seinem Jungen einen neuen Status verschaffte.
Verbannt.
Aus dem Königssohn war ein verbannter Prinz geworden. Und das alles nur, weil sich die Gefühle stärker als die Farben erwiesen hatten.
Der junge Mann zischte, holte nochmals tief Luft und spuckte Feuer. Eine gigantische Salve stieg tosend in das Blau des Himmels. Lautes Brüllen ertönte.
Verblüfft stand Zhyan auf und sah nach oben. Ein Drache brach durch die nahe Wolkendecke und hielt im Sturzflug auf die Flammen zu, welche nach und nach erloschen. Mit einer Vollbremsung landete das Geschöpf, sein Kopf schwenkte aufgebracht hin und her, Barthaare fuhren wild durch die Luft, Krallen rissen tiefe Furchen in den grasbesetzen Boden.
Jeder andere Mensch in Karangjia hätte Reißaus genommen, aber Zhyan kannte den Drachen, war dieser ihm ein sehr guter Freund.
»Drojhidã, was ist passiert?«, fragte er besorgt.
Die Drachenaugen funkelten ihn stechend an, und nach einer Weile fauchte Drojhidã, peitschte wütend mit dem Schwanz und legte sich schließlich seufzend hin.
»Ich habe Jari heute mitgenommen, hierher. Ich dachte, dein Vater hätte dich auf diese Begegnung vorbereitet, so wie es eigentlich sein sollte, aber da stehe ich in seiner Halle und muss mir dann anhören, dass er dich verbannt hat! Jetzt frage ich mich natürlich, ob du trotzdem bereit bist, Lehrmeister von Jari zu werden.«
Die Augen ruhten unverwandt auf den Prinzen, der ohne geringstes Zögern nickte.
»Ich möchte Jari unterweisen. Die Farben zu beherrschen, wird ihm auch das Leben in seiner Welt erleichtern. Und Licht braucht der Kleine mehr denn je.« Zhyan blickte in die Ferne, und Drojhidã stupste ihn sachte an.
»Auch ein dunkler Weg führt in eine bestimmte Richtung. Nur leider oftmals in eine, die nicht gut ist. Deshalb ist es wichtig, zu lernen, ein Licht anzuzünden, und sei es nur die Vorstellung der Farben. Denn manchmal kommt eine Abzweigung, die zu neuen Ufern weist.«