Beitrag zum 25.10.2020
Thema: »Turbulenzen«
»Das ist der Typ, der Thenga entführen wollte!«, rief Lena erstickt.
Beide stürzten zur Tür. Aber diese war abgesperrt!
»Ihr kommt hier erst raus, wenn ich es euch erlaube!« Ein Kichern ertönte.
Finlay und Lena wirbelten herum und sahen erschrocken auf den jungen Mann, der im Schneidersitz auf den Boden saß und sie angrinste. Er war sehr dünn, hatte fettiges Haar und seine Augen taxierten Lena, wobei Gier in ihnen aufloderte. Finlay bemerkte es, und mit finsterem Blick stellte er sich vor das Mädchen.
Der Mann zog die Augenbrauen hoch und lachte leise.
»Nana, mein Junge! Du brauchst deine Schwester nicht beschützen! Ich werde ihr nichts tun! Ich sitze wegen Drogenschmuggel und nicht wegen Kinderschändung oder gar Mord! Kein Grund zur Angst also!«, beruhigte der Mann ihn.
»Ich glaube dir lieber mal nicht, dass du ihr nichts tun willst«, knurrte Finlay und machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
»Ach? Gibt es da etwa noch jemanden, mit dem ich Probleme bekommen könnte?« Lauernd sah der Typ ihn an.
»Ja! Thenga und Philipp!«, schoss Fin giftig zurück.
»Thenga und Philipp? Auch noch eure Brüder?«
»Schlimmer!«, murmelte Lena hinter Fins Rücken. »Kindersoldat und Exfreund.«
»Der Kleine mit den Wuschelhaaren ist SOLDAT?«, rief der Mann fassungslos. Die Gier war verdrängt vom Entsetzen.
Fin nickte nur, Lena sagte nichts. Der Fremde wandte den Blick ab, trotzdem war Fin auf der Hut. Vor ihnen saß ein Häftling, ein Krimineller und somit ein gefährlicher Mann. Jemand, der zu allem fähig war.
Finlay drehte sich zu Lena um.
„Bleib hinter mir“, sagte er lautlos, nur mit den Lippen, und sie nickte. Er nahm aus einem Impuls heraus ihre Hand und drückte sie sacht. Das würde sie hoffentlich ein wenig beruhigen. Er selbst versuchte, ruhig zu atmen, um nicht in Panik auszubrechen.
»Was macht ihr hier auf dem Polizeirevier?«, fragte der Mann neugierig. Die beiden schwiegen, und er schnalzte ungeduldig mit der Zunge. »Na, kommt schon! Macht den Mund auf! Sonst werde ich grantig, und wollt ihr das?«
Fin und Lena sahen sich an und schüttelten den Kopf. Schließlich redete Fin drauflos und erzählte, weshalb sie hier waren.
Der Mann pfiff durch die Zähne. »Endlich ist mal was los auf der Station!«, sagte er und man konnte seine Freude darüber nur zu gut heraushören.
»Ich bin Tommy, und ihr?«
Sie nannten ihm ihre Namen, und wieder musterte Tommy Lena mit einem frechen Grinsen. Finlay machte einen Schritt auf ihn zu, sodass er auf Augenhöhe mit Tommy war. Er war nur wenige Zentimeter kleiner als der Häftling. Der Blickkontakt dauerte gefühlte Ewigkeiten. Es wurden Worte gesprochen, die die Stille aufnahm und verschluckte.
Schließlich senkte Tommy den Kopf, trat einen Schritt zurück und ließ sich auf den Boden nieder.
Fin und Lena taten es ihm nach kurzem Zögern gleich; der Junge spürte ein unmerkliches Zittern von dem Mädchen ausgehen und legte ihm einen Arm um die Schultern.