Beitrag zum 26.02.2020
Thema: »Magische Worte«
Nirug saß auf Fanólas Schulter, als der Elfenjunge in rasendem Tempo auf die Taverne zuhielt, die Tür öffnete und einen Schwung kalten Nachtwind in den von Kaminfeuern erhitzten Raum wehte. Eine Gestalt am Tresen drehte sich verärgert um und stöhnte gleich darauf auf.
»Du hast mir gerade noch gefehlt! Das nächste Spitzohr, das meinen Weg kreuzt«, brummte die Person, deren Augen von einem breitkrempigen Hut verdeckt wurden.
Fanóla lachte fröhlich und gesellte sich zu dem Mann.
»Hast du etwa einen Verwandten von mir getroffen, Rikhon?«, fragte er verschmitzt.
Nirug sprang von Fanós Schulter und tappste vorsichtig auf seinen kleinen Pfoten zu dem Chronistenkrieger. An dessen Gürtel baumelte etwas Totes, das die Aufmerksamkeit des kleinen Drachen geweckt hatte.
»Ruuuuu?«, fiepte Nirug und schnupperte.
»Schlimmer«, erwiderte Rikhon mit einem genervten Seufzer. »Ich glaube, mein elfischer Begleiter in der Wüste und ich erreichen bald eine etwas höhere Ebene unserer Beziehung.«
Der Elfenjunge prustete los und konnte nicht aufhören. Rikhon blickte ihn grimmig an. Schließlich reichte es ihm. Wie beiläufig holte er aus und versetzte Fanóla eine Ohrfeige. Diese war nicht einmal besonders heftig, trotzdem purzelte der Elfenjunge vom Hocker auf den Boden.
Fanós Lachen verstummte schlagartig. Sekundenlang blieb er liegen, und Rikhon sprang entsetzt von seinem Hocker und kniete sich neben ihn. Nirug ließ ein langgezogenes schrilles »Waaaaaaaaahhh Waaaaaaaaaa!!« hören und flatterte aufgeregt zu ihnen.
»Fanóla? Es tut mir so leid! Ich habe vergessen, dass ihr Elfen den Menschen gegenüber körperlich weit unterlegen seid.« Sanft ergriff er Fanóla unter den Achseln und zog ihn in eine sitzende Position.
Der Elf sah Rikhon mit steinerner Miene an. Der Chronistenkrieger schluckte und legte ihm die Hand auf die Schulter. Nirug krabbelte fiepend auf Fanólas Beine und kuschelte sich tröstend an seine Brust.
Rikhon schob den Hut zurück, und zum Vorschein kamen warme braune Augen, in denen ehrliche Reue stand. »Es tut mir leid!«, wiederholte er und drückte sanft die schmale Elfenschulter.
Fanóla neigte den Kopf und wollte aufstehen, doch Rikhon war schneller auf den Beinen und hielt ihm die Hand hin. Fanó hielt mit einer Hand Nirug fest und ergriff ohne Zögern Rikhons Finger, die ihn mit einem kräftigen Ruck nach oben zogen.
»Sarøl? Oder Trayvin?«, fragte der Elfenjunge.
»Sarøl, bitte!«
»Ni-ruuuuuuug, Ni-ruuuuuug!«, bettelte der kleine Drache und fiepte.
»Du nicht!«, ertönte es zweistimmig, und Nirug verstummte verdattert. Beleidigt flog er auf den Lurkerbalken und schimpfte von dort keckernd auf seine beiden Mitbewohner, die ihn gekonnt ignorierten und eine Zeitlang schweigend vor ihren Krügen hockten.
»Wie war das mit deinem elfischen Begleiter? Wieso erreicht eure Beziehung eine höhere Ebene?«, fragte Fanóla schließlich.
Rikhon lächelte. »Eine höhere Ebene auf den Stufen der Freundschaft. Das meine ich. Anfangs waren er und ich nicht so sehr voneinander angetan, aber mit der Zeit … nun ja … Du kennst das ja, wenn man längere Zeit miteinander umherzieht. Einmal wurden wir eingesperrt …«
Die Zeit verging. Sie redeten und bemerkten es nicht. Draußen dämmerte bereits der Morgen, und die ersten Frühaufsteher trudelten in die Taverne ein. Nirug begrüßte sie mit fröhlichem »Ruuuuuu!«
Fanóla und Rikhon blickten sich an, beiden stand die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben. »Ab ins Bett!«
Der Elfenjunge pfiff nach Nirug, und der kleine Drache flog schnurrend auf seine Schulter. Zu dritt gingen sie im Sonnenaufgang nach Hause.